Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 21.03.2015

Pssst Sachsen schläft! „CDU-Landeschef Stanislaw Tillich tritt in die SPD ein!"

 
Sächsisch betrachtet von Gunnar Saft

ICH entschuldige mich! Wofür? Natürlich für diese lausige Woche, in der wir als die Tageszeitung Ihres Vertrauens keinerlei Neuigkeiten aus der Landespolitik bieten konnten. Gereicht hat es wieder nur zur lapidaren Dauermeldung „Landtagsabgeordnete kriegen mehr Geld und gehen dafür zur Strafe noch früher in Rente". Also alles wie gehabt — selbst auf dem,Marktplatz von Markneukirchen fällt kein Sack Reis um. Sachsens Politiker nennen das gern stabile Verhältnisse und loben sich dafür. Wir sollten das endlich auch so sehen. Nörgler dagegen, die weiter was von Ungerechtigkeit und Veränderung faseln, werden sofort zu Wasser und Mindestlohn mit anschließender lebenslanger Mindestrente verurteilt In schlimmen Fällen geht auch weniger.

STATT Gerechtigkeit will das Volk doch nur Ruhe und etwas Unterhaltung. Zum Beispiel damit „CDU-Landeschef Stanislaw Tillich tritt in die SPD ein!" Das Beste an dieser Meldung ist wenn man sie wörtlich nimmt, stimmt sie sogar. Der Regierungschef wird im Mai tatsächlich als geladener Ehrengast den Dresdner SPD-Saal betreten, um die Genossen dort vom Rednerpult aus zu loben, weil sie vor 25 Jahren im Freistaat die Sozialdemokratie wiedergegründet haben. Ob Tillich die Gelegenheit nutzt, um sich grinsend für die später von den Sozis eingefahrenen mageren Wahlergebnisse zu bedanken, steht noch nicht fest. Falls ja, sollte SPD-Chef Dulig prompt den Dauersieger CDU eifrig loben denn merke: Nur stabile Verhältnisse sind gute Verhältnisse. Danach können dann alle weiterschlafen.

(Anmerkung Karl Nolle)
Die Einladung von Stanislaw Tillich als "besonderen Ehrengast" zur Jubiläumsveranstaltung "25 Jahre SPD Sachsen" am 29.5.2015 im art'otel Dresden ist sicher ebenso überraschend, wie seine Zusage, sie zeigt wie sehr der Sozius im Kindersitz der Regierungslimousine von der gefühlten Aura und Strahlkraft des Ministerpräsidenten bereits eingenommen ist.

Wenn laut einer überraschenden, repräsentativen Umfrage der SPD Landtagsfraktion 72 % der SPD Anhänger in Sachsen Vertrauen zu Stanislaw Tillich haben, wie groß wird dann erst die Zustimmung unseres Wählervolkes, anläßlich dieses Ehrengastes auf unserer Jubiläumsveranstaltung, sein, der uns sicher die blühenden christdemokratischen Landschaften in Sachsen präsentieren und erklären wird. Es ist alles gut.

Hurra, hurra, hurra ...

Mit Blick auf die gegenwärtige Sozialdemokratie beschreibt Heribert Prantl eine solche Mentalität, sich vor dem politischen Gegner klein zu machen, als (selbstgewählte) "politische Verzwergung" und er fügt hinzu "wer nur die CDU besser machen will, ist deshalb noch keine gute SPD. Er wird die Entfremdung von den Wählern kaum rückgängig machen können". Oder mit Jakob Augstein gefragt: "Wofür braucht man die SPD, wenn ihr zu den zentralen politischen Fragen  offenbar nichts anderes einfällt, als der CDU". Ich meine, die SPD Wähler wollen vor allem wissen, was den grundsätzlichen Unterschied zur CDU ausmacht. Sonst bleiben sie zu Hause.