Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 24.04.2015
Arbeitgeber und DGB ziehen gegen Diäten-Paket blank
Harte Kritik an Erhöhung / "Katastrophales Signal"
Dresden. Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich Gewerkschaften und die Arbeitgeberseite gemeinsam zu einem brennenden Polit-Thema äußern. Genau das aber ist jetzt in Sachsen der Fall: In außergewöhnlicher Schärfe ziehen DGB-Landeschefin Iris Kloppich und der Präsident der Vereinigung der sächsischen Wirtschaft (VSW), Bodo Finger, in einer konzertierten Aktion gegen das geplante Diäten-Paket für Landtagsabgeordnete zu Felde, präsentieren klare Worte in Serie. Am härtesten zog dabei der VSW-Chef blank: Ein "katastrophales Signal" gehe von der geplanten Erhöhung aus, die Initiative der CDU/SPD-Koalitionsfraktionen "passt nicht in die Zeit".
Laut Finger fördere das die bereits bestehende Politikverdrossenheit. Damit verspielten CDU und SPD nicht nur ihre eigene Glaubwürdigkeit, sondern die der Politik insgesamt. Besonders verheerend sei die geplante Rente ab 60 für Abgeordnete, während die Parlamentarier gern "in Sonntagsreden die Rente ab 67 fordern". Anstatt mit gutem Beispiel voranzugehen, bedienten sie sich an dieser Stelle über Gebühr selbst.
Genauso sieht Kloppich die Lage. In einem Land, in dem rund die Hälfte der Bürger nicht mehr zur Wahl geht, sei die "Demokratie in Gefahr", sagte sie in der gemeinsamen Pressekonferenz gestern in Dresden. Schon heute - siehe Pegida - gehe ein Riss durch die Gesellschaft frei nach dem Motto: "Ihr da oben, wir da unten." Mit der nun von Schwarz-Rot geplanten Rundumversorgung der Volksvertreter bestehe das "große Risiko, dass die Kluft noch größer wird".
Dabei ist es keine allzu große Überraschung, dass die DGB-Chefin diese Ansicht vertritt. Schließlich ist Kloppich als Sachsens oberste Gewerkschafterin eher links sortiert. Darüber hinaus hat sie sich zur umstrittenen Diäten-Erhöhung auch bereits im Vorfeld in harten Worten positioniert. Dass nun aber mit Finger nicht nur der Chef der Arbeitgeberseite ins gleiche Horn bläst, sondern auch noch ein CDU-Mitglied, ist überaus beachtlich. Und nicht nur das: Finger garniert seine beinharte Kritik mit einem mit Kloppich abgestimmten Forderungskatalog. Wichtigster Punkt darin: Das im Haushaltsbegleitgesetz mühsam verpackte Diäten-Paket müsse umgehend ausgesetzt werden - mit dem Ziel einer generellen Runderneuerung.
Dabei sind beide, Finger wie Kloppich, der Meinung, dass Abgeordnete durchaus angemessen zu bezahlen sind. Auch bekritteln sie nicht die Höhe der Grundentschädigung, den Rest allerdings schon. Neben der abschlagsfreien Rente ab 60 ist ihnen vor allem die Aufstockung der steuerfreien Aufwandspauschale um satte 1000 Euro ein Dorn im Auge. Darüber hinaus fordern sie, dass in Zukunft eine Expertenkommission über Erhöhungen entscheidet, und speziell Finger garniert dies mit einer glasklaren Forderung samt Drohgebärde: Der Landtag solle von derzeit 126 auf 80 Abgeordnete verkleinert werden. "Ich erwarte ein glaubwürdiges Signal" in diese Richtung - ansonsten stehe eine Entscheidung per Volksantrag auf dem Programm.
Zu dieser gemeinsamen Aktion von DGB und VSW passt eine weitere Nachricht von gestern. Keine Geringere als Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) schert beim Thema aus, will dem Diäten-Paket in der kommenden Woche ihre Zustimmung verweigern. Schließlich befindet sie sich nebenbei auch im OB-Wahlkampf in Dresden, einer ihrer Gegner ist Innenminister Markus Ulbig von der CDU. Umso beachtlicher aber sind die lobenden Worte, die CDU-Mann Finger gestern für Stange übrig hatte. Diese sei eine "ausgesprochen geradlinige und konsequente Frau", meinte er. Ihre Entscheidung sei mutig, wundere ihn aber keineswegs.
Von Jürgen Kochinke