Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 29.04.2015
„Wie ein normaler Bürger auch“
CDU und SPD vollziehen bei der Politiker-Rente mit 60 eine Teilkorrektur – ihre Kritiker verstummen trotzdem nicht.
Der Druck wuchs unaufhörlich und am Dienstagabend lagen die Nerven der Verantwortlichen der Koalitionsfraktionen im sächsischen Landtag blank. Kurz vor Ende einer mehrstündigen Haushaltsdebatte informierten CDU und SPD ihre Abgeordneten über einen ungeplanten Zusatztermin: Beide Fraktionen riefen ihre Mitglieder überraschend zu getrennten Sondersitzungen, bei denen nur ein Thema auf der Tagesordnung stand: die für den nächsten Tag zur Abstimmung vorgesehenen Änderungen im Abgeordnetengesetz.
Ab 22.30 Uhr wurde dann hinter verschlossenen Türen darüber gesprochen, was die Parlamentarier seit Wochen selbst am eigenen Leib verspürten – die Wucht der öffentlichen Proteste gegen die geplante Einführung der Politiker-Rente mit 60, die künftig allen Abgeordneten nach einer Mindestzugehörigkeit von 17 Jahren im Landtag abschlagsfrei zugestanden hätte. Etwa eine Stunde später stand aber in beiden Fraktionen fest, daraus wird nichts und man wird sich wohl oder übel auf weniger einstellen müssen. Die beiden Fraktionschefs Frank Kupfer (CDU) und Dirk Panter (SPD) versuchten gestern Morgen auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz aus diesem Zwangsrückzug wenigstens noch etwas politisches Kapital zu schlagen. Man bestätigte erstmals mit klaren Worten den massiven Widerstand, den es von Bürgern, Verbänden und nicht zuletzt von eigenen Parteimitgliedern gegen die beabsichtigte Frührente, aber auch gegen die geplante Erhöhung der steuerfreien Aufwandspauschale um 1 000 Euro pro Monat gibt.
Kein Rütteln am 1 000-Euro-Zuschlag
Man habe das alles „zur Kenntnis genommen“, sagte Kupfer, und sich deshalb einmütig auf eine Änderung geeinigt, die „auch ein normaler Bürger nach 45 Beitragsjahren erreichen kann“. Gemeint war damit eine neue Politiker-Rente, die nun erst ab 63 Jahren abschlagsfrei genutzt werden kann, wenn man zuvor mindestens 15 Jahre im Dresdner Landtag saß. Diese Korrektur, so gaben sich beide Fraktionschefs überzeugt, sei insgesamt eine angemessene Balance zwischen der öffentlichen Kritik und den Leistungen der Abgeordneten. Und dann wurde wieder davon gesprochen, dass Landtagspolitiker besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Man trage immerhin „Riesen-Verantwortung“. Zum Beispiel gerade aktuell mit der Verabschiedung des sächsischen Landeshaushaltes, der ein Volumen von 17 Milliarden Euro pro Jahr habe und über deren Verteilung man zu entscheiden habe. Und es fehlte erneut nicht der Hinweis, dass andere öffentliche Würdenträger wie Bürgermeister oder Beigeordnete schließlich sogar noch günstigere Renten-Konditionen in Anspruch nehmen könnten.
Dass man trotzdem keine 24 Stunden vor der entscheidenden Abstimmung einknickt und sich dem öffentlichen Druck teilweise beugt, wollten die beiden Politiker jedoch nicht als Niederlage ansehen. Es sei mehr „ein Einsehen als Nachgeben“, hieß es. Zudem wurde ausdrücklich betont, dass es bei allen anderen geplanten Änderungen – inklusive der höheren Aufwandspauschale – bleibt. Auch die Begründung dafür, warum man die wochenlangen Proteste zuvor so lange ohne Kurskorrektur hingenommen hatte, fiel spärlich aus. „Manchmal ist das so“, erklärte SPD-Chef Panter. Kurzfristige Entscheidungen gebe es in der Politik immer wieder. Dass man nun aber völlig aus dem Schussfeld der Kritiker rückt, darüber macht sich auch Kollege Kupfer keine Illusionen. Er erwarte nicht, dass jetzt Jubel ausbreche und alle Verständnis für die armen Politiker haben. Aber fast trotzig fügte er hinzu: „Abgeordnete sind nicht die Deppen der Nation. Wir haben eine Verantwortung für unser Land, gerade als Koalitionsfraktion. Und dieser Verantwortung werden wir gerecht. Und für diese Verantwortung bin ich mir auch wert, ordentliches Geld zu verdienen.“
Die später folgenden Einwände der Opposition, die geschlossen angekündigt hatte, so oder so gegen die neue Politiker-Rente zu stimmen, verhinderte er tatsächlich nicht. Linken-Chef Rico Gebhardt: „Man sagt ja gerne: Besser spät als nie. Hier macht das aber keinen Unterschied mehr – maximaler Schaden ist bereits angerichtet, Reputation und Vertrauen des Parlaments sind nachhaltig beschädigt.“ Die Grünen monieren, auch diese Verbesserung sei den Bürgern nicht vermittelbar. CDU und SPD wären „gut beraten gewesen, das Gesetz ganz von der Tagesordnung zu nehmen und grundlegend zu überarbeiten.“
Von Gunnar Saft