Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 14.05.2018
Einstige "Sachsensumpf"-Jäger wegen Falschaussage verurteilt
Mit Geldstrafen endete am Montag der Prozess gegen eine Ex-Verfassungsschützerin und einen pensionierten Polizisten. Hat die Affäre damit ein Ende?
Dresden. Beiden Angeklagten ist anzumerken, dass das Urteil eine herbe Enttäuschung ist. Und das, obwohl gegen sie gerade "nur" Geldstrafen zwischen 7000 und 14.000 Euro verhängt wurden. Und obwohl am Ende des seit einem Jahr laufenden Prozesses gegen die einstige Referatsleiterin des sächsischen Verfassungsschutzes und den inzwischen pensionierten Leipziger Kriminalisten der Hauptvorwurf aus der Anklageschrift keine Rolle mehr spielt.
Für die in der Anklage behauptete Verfolgung Unschuldiger im Fall der inzwischen 59-jährigen Regierungsdirektorin fehlte dem Gericht nämlich der Vorsatz, wie der Vorsitzende Richter Joachim Kubista ausführt. Die Kammer sei nicht davon überzeugt, dass der Ex-Referatsleiterin das Fehlen des Anfangsverdachts bewusst war, als sie 2007 ein sogenanntes Behördenzeugnis anfertigte, in dem es um die angebliche Verquickung Leipziger Juristen mit dem Rotlichtmilieu ging.
Schon elf Jahre ist es her, dass das Bekanntwerden von Datensammlungen des Landesamtes für Verfassungsschutz zu "korruptiven Netzwerken" auch bundesweit die Schlagzeilen bestimmte - unter dem Beinamen "Sachsensumpf". Bis die Affäre eine Wendung nahm, dauerte es seinerzeit nicht lange: Die anfangs eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen die Juristen wurden eingestellt, während die Justiz einstigen Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, seinen Zuträgern oder Journalisten verstärkt ihre Aufmerksamkeit zuteilwerden ließ.
Gegen die Ex-Referatsleiterin wurde Anklage wegen Verfolgung Unschuldiger von der Generalstaatsanwaltschaft bereits im November 2010 erhoben, dem Ex-Polizisten wurde Beihilfe vorgeworfen. Sechseinhalb Jahre vergingen bis zum Prozessbeginn. Erst nach einjähriger Beweisaufnahme nahm Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt in seinem Plädoyer Abstand vom Hauptvorwurf, attestierte der Beamtin dennoch einen "gewissen Verfolgungseifer", vor allem "bei vermeintlichen Sexualstraftaten".
Richter Kubista formulierte es im Urteil nur wenig anders. Mal attestierte er der Angeklagten "eine Art Disposition, es existierten von ihr zu enttarnende kriminelle Netzwerke", mal beschied er ihr einen "straftatfixierten Blickwinkel". Wie schon von der Generalstaatsanwaltschaft gefordert, entschied sich das Gericht für eine Verurteilung wegen Falschaussage im Untersuchungsausschuss des Landtags.
Der Ex-Verfassungsschützerin wurde zum Vorwurf gemacht, dort eine Manipulation von Akten ausgeschlossen zu haben. Das Gericht nahm ihr die Aussage nicht ab, dass sie brisante Informationen des Polizisten von ihm schon 2005 erhalten haben will - der dies auch abgestritten hatte. Als Motiv wird angenommen, dass sie damit sichergehen wollte, dass die Informationen trotz einer zwischenzeitlich geänderten Rechtslage in Sachsen bei der Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch den Verfassungsschutz noch verwertet werden können. Dem heute 62-jährigen Ex-Polizisten wiederum hielt das Gericht vor, anders als von ihm behauptet, auf Vertraulichkeit der Informationen bestanden zu haben. Er wurde zu 140 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt, die Ex-Verfassungsschützerin zu 140 Tagessätzen zu je 100 Euro. Weil das Verfahren insgesamt lange gedauert hat, gilt ein Teil der Geldstrafe bereits als vollstreckt. Die beiden sollen deshalb weniger zahlen - die Frau insgesamt nur 8000 Euro, der Mann 4000 Euro.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Verteidigung der Frau hat Revision angekündigt. Ihr Anwalt, Sachsens Ex-Datenschützer Thomas Giesen, hatte zuvor in seinem Plädoyer Richter Kubista schwere Versäumnisse vorgeworfen: "Es gibt in Deutschland keinen Richter, der sechs Jahre lang überlastet ist." Beide Angeklagte hatten vor Gericht ihre Unschuld beteuert und in ihrem Schlusswort auch psychische Belastungen durch die lange Dauer geltend gemacht. Die Ex-Referatsleiterin sprach von elf Jahren "verlorener Lebenszeit", die sie sich nicht zurückholen könne. Der mitangeklagte frühere Kriminalhauptkommissar sah sein Vertrauen in Institutionen wie Polizei und Geheimdienst "irreparabel zerstört".
Von Tino Moritz
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