Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 23.08.2018

Pegida-Demonstrant ist LKA-Mitarbeiter / Was darf die Presse, was darf die Polizei? / Auch der CDU-Fraktionschef kritisiert plötzlich das ZDF

 
Ein Vorfall bei einer Demo hat eine Debatte um Rechte von Medien und Demonstranten ausgelöst. So ist die Rechtslage Nach dem Ministerpräsidenten äußert sich Frank Kupfer zu dem Vorgang am Rande einer Demo. Letzte Woche hatte er noch kein Problem mit dem Sender.

Dresden. Die Behinderung eines ZDF-Reporterteams am Rande einer Demonstration gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der vergangenen Woche hat weitere Konsequenzen. Der Pegida-Anhänger, der das TV-Team angegangen war und damit eine 45-minütige Kontrollmaßnahme gegen die Pressevertreter auslöste, ist ein Mitarbeiter des Landeskriminalamts (LKA) Sachsen. Dies räumte das Innenministerium am Mittwochabend ein.

Der Mann, der sich am Donnerstag "verbal heftig gegen Filmaufnahmen eines TV-Kamerateams des ZDF-Politikmagazins Frontal 21 gewehrt hat", sei Tarifbeschäftigter der Polizeibehörde. Laut LKA war der Mitarbeiter nicht im Dienst, als er auf die ZDF-Reporter traf, sondern habe als Privatperson an der Kundgebung teilgenommen. Der Mann befinde sich derzeit im Urlaub.

Über mögliche Konsequenzen für den Mitarbeiter entscheide das LKA, wenn der Vorgang geklärt und der Betroffene zu den Vorkommnissen angehört worden sei. Innenminister Roland Wöller (CDU) fand dazu deutliche Worte. "Selbstverständlich gilt für jeden Bürger in unserem Land das Recht auf freie Meinungsäußerung", sagte Wöller. "Allerdings erwarte ich von allen Bediensteten meines Ressorts jederzeit, auch wenn sie sich privat in der Öffentlichkeit aufhalten und äußern, ein korrektes Auftreten." Innerhalb seiner Partei vertritt er damit öffentlich eine Einzelmeinung. Nach Ministerpräsident Michael Kretschmer hat auch Fraktionschef Frank Kupfer (beide CDU) das ZDF kritisiert - ohne die Ergebnisse der Ermittlungen zu dem Vorgang abzuwarten. (SZ/two) — Politik Seit dem Vorgehen von Demonstranten

und Polizei gegen ein Reporterteam des ZDF-Magazins Frontal 21 beschäftigt eine Frage Medien und Politik. Was dürfen Journalisten? Am Rande des Dresden-Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel fühlten sich Demonstranten von Dreharbeiten gestört. Ein Teilnehmer ging auf den Kameramann zu und forderte, ihn nicht weiter zu filmen, weil dies eine Straftat darstelle. Anschließend ging der Mann zu Polizisten. Jene unterzogen die Journalisten 45 Minuten lang einer "polizeilichen Maßnahme", bei der auch zweimal der Presseausweis der Reporter kontrolliert wurde. Während Politiker und Medienvertreter gegen das Vorgehen protestierten, bezeichnete Sachsens Ministerpräsident Kretschmer die Journalisten indirekt als unseriös. Der Vorgang offenbart eine weit verbreitete Unkenntnis der Rechte von Journalisten und Bürgern, auch aufseiten der Polizei. Die SZ beantwortet dazu die wichtigsten Fragen. Wo, wann und was dürfen Journalisten

fotografieren oder filmen? Grundsätzlich ist das Filmen auf allen öffentlichen Straßen und Plätzen erlaubt, auch wenn dabei Privathäuser aufgenommen werden. Das ist Ausfluss der durch Artikel 5 des Grundgesetzes garantierten Meinungs- und Pressefreiheit. Gleiches gilt für Aufnahmen von Personen, die eingewilligt haben oder nur als Beiwerk erscheinen, etwa neben einer Landschaft, aber auch für die Teilnehmer öffentlicher Ereignisse wie Stadtfeste, Konzerte, Fußballspiele, Kundgebungen und Demonstrationen.

Das Kunsturhebergesetz gestattet es, Fotos und Filme von Demonstrationsteilnehmern auch ohne deren Einwilligung aufzunehmen und zu verbreiten. Sie müssen zudem hinnehmen, wenn sie in den Medienberichten dann individuell erkennbar sind, da es der klare Sinn von Demonstrationen ist, gemeinsam mit anderen dort wahrgenommen zu werden. Ausnahmen gelten gegebenenfalls für die Aufnahme von Kindern, die ohne vorherige Erlaubnis der Erziehungsberechtigten an einer Demonstration teilnehmen. Und wann darf ich nicht gefilmt

werden? Immer dann, wenn ich mich in meinem rein privaten Bereich aufhalte. Darüber hinaus ist auch bei Filmaufnahmen in der Öffentlichkeit das Recht des Einzelnen am eigenen Bild zu beachten: Liegt also keiner der im Kunsturhebergesetz bestimmten Fälle, wie etwa eine Teilnahme an einer Demonstration vor, dürfen Fotos und Filme von Einzelpersonen ohne deren Einwilligung weder aufgenommen noch verbreitet werden. Die Ausnahmevorschrift für Demonstrationen beschränkt sich zudem auf Bilder, die die Veranstaltung als solche illustrieren. Der Einzelne darf in der Regel nicht für ein Einzel-/Porträtbild aus einer Menge "ausgeschnitten" werden. Ausgenommen sind Personen, die sich selbst in den Vordergrund rücken, etwa durch das Halten von Fahnen oder Transparenten. Löst sich jemand wie im Dresdner "Fall" aus der Menge, geht auf einen Fotografen zu und begibt sich damit freiwillig ins Zentrum der Aufnahme, darf er ebenfalls ohne Erlaubnis gefilmt und sein Bild veröffentlicht werden. Denn mit seinem Verhalten hat er sich rechtlich selbst zu einer für das Gesamtgeschehen relevanten Person gemacht. Sein Bildnis wird zu einem aus dem Bereich der Zeitgeschichte, welches nach dem Kunsturhebergesetz ebenfalls ohne seine Einwilligung verbreitet werden darf.

Wird aber im Kontext einer bestimmten Veranstaltung eine Person fotografiert oder gefilmt und deren Bild anschließend in einem völlig anderen Zusammenhang veröffentlicht, ist das nicht erlaubt. Darf ich Journalisten darum bitten,

sich auszuweisen? Nur gegenüber Polizisten und Behördenmuss sich jeder auf Verlangen ausweisen. Auch Demonstranten und Journalisten. Wann im Einzelfall Identität und Personalien aufgenommen werden dürfen, regeln verschiedene Gesetze wie das Landespolizeigesetz. Pressevertreter weisen sich mit ihren Presseausweisen nur gegenüber Behörden und Polizisten auf Nachfrage aus, oder wenn sie etwa bei einer Demonstration Auskunft wünschen oder gesperrte Bereiche passieren müssen, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Gegenüber Dritten, insbesondere Teilnehmern einer Demonstration unter freiem Himmel müssen sich Journalisten nicht ausweisen. Bei einer Versammlung in geschlossenen Räumen haben sich Journalisten mit ihrem Presseausweis gegenüber dem Versammlungsleiter auszuweisen und dürfen nicht ausgeschlossen werden. Den einzigen von der mnenministerkonferenz anerkannten Presseausweis erhalten nur hauptberuflich tätige Journalisten. Das Dokument muss jedes Jahr erneuert werden und wird von offiziellen Journalisten-Verbänden ausgegeben.

Der mit Sicherheitsmerkmalen ausgestattete Presseausweis ist fälschungssicher, erkennbar an einem Hologramm auf der Vorderseite, aber noch nicht jedem Polizisten bekannt, weshalb oft zusätzlich der Personalausweis gezeigt werden muss. Laut Landespolizeigesetz müssen sich aber auch Polizisten auf Verlangen von Betroffenen ausweisen. Das gilt nur dann nicht, wenn die Umstände es nicht zulassen oder dadurch der Zweck der Maßnahme gefährdet wird. Wer darf wann wen festsetzen?

Selbstjustiz ist verboten. Das Gewaltmonopol hegt' beim Staat, das schließt auch das Recht auf Freiheitsberaubung ein. Festnehmen und einsperren dürfen nur Polizisten und Justizbeamte. Aber es gilt auch das sogenannte Jedermannsrecht: Wer einen Kriminellen auf frischer Tat ertappt, darf ihn festhalten, bis die Polizei kommt, das jedoch nur, wenn die Identität nicht festgestellt werden kann oder Fluchtgefahr besteht. Ist die Identität nachträglich feststellbar, oder man kennt den Betreffenden, darf nicht festgehalten, die Personalien aber der Polizei mitgeteilt werden. Darf ich die Polizei kontaktieren, wenn

ich mit den Foto-Aufnahmen von Journalisten nicht einverstanden bin? Ja. Wenn man sich ungesetzlich behandelt fühlt, hat jeder Bürger das Recht, zur Klärung die Polizei einzuschalten. Sie ist verpflichtet, solchen Bitten nachzukommen. Eine Strafanzeige verweigern oder Ermittlungen selbst wieder einsteilen dürfen Polizeibeamte nicht. Wie die Beamten damit umgehen, dafür haben sie jedoch einen Ermessens-Spielraum. Es muss einen Anfangsverdacht und einen Straftatbestand geben. Lässt sich das vor Ort nicht zweifelsfrei entscheiden, müssen die Beamten Personalien der Betroffenen aufnehmen. Dann kann die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob ermittelt wird oder nicht. Grundsätzlich ist das Aufnehmen von Fotos und Videos nicht strafbar, es sei denn, die Aufnahmen werden beispielsweise unbefugt im höchstpersönlichen Lebensbereich, also einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Bereich gemacht. Macht aber ein als solcher erkennbarer Pressefotograf lediglich Bilder bei einer Demonstration, dürfte eine Strafanzeige keinen Erfolg haben. Strafbar könnten hier nur bestimmte,jechtsverletzende Verbreitungshandlungen sein, die ohne besondere Anhaltspunkte von der Polizei nicht unterstellt werden dürfen. Gerade während Demonsfrationeh»öder Kundgebungen nutzen Teilnehmer das Recht oftmals aus, umrlie Arbeit von Journalisten zu behindern oder zu sabotieren. Da auch viele Polizisten keine näheren Kenntnisse haben von den Rechten der Journalisten, selbst in einer Veranstaltungsund Demo-Hochburg wie Dresden, haben Beschwerdeführer mit ihrer Behinderungsstrategie auch immer wieder mal Erfolg. Darf man weiterfilmen, obwohl

Polizisten dies verbieten wollen? Grundsätzlich ja, solange eine polizeiliche Maßnahme nicht behindert wird. Das dürfte immer dann so sein, wenn der Berichterstatter ausreichend Abstand einhält, also etwa eine Verhaftung nicht aus einem Meter Abstand filmt oder fotografiert. Verhaltensgrundsätze für Presse/Rundfunk und Polizei haben unter anderem die deutsche Innenministerkonferenz, der Deutsche Presserat, Journalisten-Verbände und öffenthch-rechtliche Rundfunkanstalten gemeinsambeschlossen. Demnach unterhegt das Fotografieren und Filmen polizeilicher Einsätze grundsätzlich keinen rechtlichen Schranken. Auch das Filmen und Fotografieren mehrerer oder einzelner Polizeibeamter ist bei aufsehenerregenden Einsätzen im Allgemeinen zulässig. Dresden. Vor wenigen Tagen hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) das Verhalten eines ZDF-Teams während des Dresden-Besuchs von Bundeskanzlerin Merkel indirekt als unseriös bezeichnet. Jetzt legt der sächsische CDU-Fraktionschef Frank Kupfer nach. Unter dem Beitrag des TV-Magazins Frontal 21 über den Vorfall vom Freitag hinterließ Kupfer im sozialen Netzwerk Facebook den Kommentar: "Öffentlich rechtliche... dafür bezahlen wir Beiträge."

Der von Kupfer kritisierte Beitrag schildert ein Ereignis, das bundesweit für Aufsehen sorgt: Am Rande der Demonstration gegen die Bundeskanzlerin geht ein Pegida-Anhänger auf Journalisten zu und verlangt, die laufende Kamera zu stoppen, weil er angeblieh nicht gefilmt werden dürfe. Als er die Polizei einschaltet, wird das ZDF-Team von den Beamten einer 45-minütigen "polizeilichen Maßnahme" unterzogen. Kretschmer hatte zu den Aufnahmen des Vorfalls getwittert: "Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten." Mehrere Medienrechtler halten das Vorgehen der Polizei für unangemessen und weit überzogen. Auch laut ZDF-Chefredakteur Peter Frey handelt es sich "um eine klare Einschränkung der freien Berichterstattung. Das Team hat sich korrekt verhalten." Der Sender verlangt eine Aufklärung des Vorgangs.

Interessant an der Kritik des CDU-Fraktionschefs: Ebenfalls auf Facebook hatte Kupfer am vergangenen Mittwoch noch ein Foto mit ZDF-Mitarbeitern veröffentlicht und dazu verkündet, dass er dem Sender erklärt habe, warum er die Bundeskanzlerin nach Dresden eingeladen hat. Am Abend des Merkel-Treffens berichtete er auf Facebook vom "geselligen Abend" des CDU-Sommerfests, den er mit Politikern und Journalisten verbracht hatte.

Inzwischen wurde bekannt, dass der Pegida-Anhänger, der den ZDF-Reportern eine "polizeiliche Maßnahme" bescherte, ein aktiver Mitarbeiter des Landeskriminalamts (LKA) Sachsen ist. Nach Angaben des Innenministeriums ist er kein Polizeibeamter, sondern Tarif beschäftigter. Ob sein Auftritt am Rande der Anti-Merkel-Demo Konsequenzen hat, entscheide das LKA, wenn der Vorgang geklärt ist.

TOBIAS WOLF, OLIVER REINHARD