Karl Nolle, MdL
Ahlener Programm der CDU 1947 (vom 03.02.1947), 07.05.2019
Ahlener Programm - Zonenausschuß der CDU für die britische Zone
Ahlener Programm
Zonenausschuß der CDU für die britische Zone,
Ahlen / Westfalen, 3. Februar 1947
Der Zonenausschuß der CDU für die britische Zone erließ in seiner Tagung vom 1. bis 3.Februar 1947 in Ahlen folgende programmatische Erklärung:
Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.
Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.
In dieser Erkenntnis hat das Parteiprogramm der CDU vom März 1946 folgende Grundsätze aufgestellt:
Ziel aller Wirtschaft ist die Bedarfsdeckung des Volkes
Die Wirtschaft hat der Entfaltung der schaffenden Kräfte des Menschen und der Gemeinschaft zu dienen. Ausgangspunkt aller Wirtschaft ist die Anerkennung der Persönlichkeit. Freiheit der Person auf wirtschaftlichem und Freiheit auf politischem Gebiet hängen eng zusammen. Die Gestaltung und Führung der Wirtschaft darf dem einzelnen nicht die Freiheit seiner Person nehmen. Daher ist notwendig:
Stärkung der wirtschaftlichen Stellung und Freiheit des einzelnen; Verhinderung der Zusammenballung wirtschaftlicher Kräfte in der Hand von Einzelpersonen, von Gesellschaften, privaten oder öffentlichen Organisationen, durch die die wirtschaftliche oder politische Freiheit gefährdet werden könnte. Kohle ist das entscheidende Produkt der gesamten deutschen Volkswirtschaft. Wir fordern die Vergesellschaftung der Bergwerke.
In Verfolgung dieser Grundsätze ist nunmehr von der CDU folgendes Programm für die Neuordnung der Wirtschaft beschlossen worden:
I. Die deutsche industrielle Wirtschaft in der Vergangenheit
1. Die deutsche industrielle Wirtschaft war technisch und wissenschaftlich in der Zeit von 1918 bis 1945 im allgemeinen auf der Höhe. Sie konnte jeden Vergleich mit der Wirtschaft anderer Länder nach dieser Richtung aushallen. Das gilt auch vom Bergbau. Den klarsten Beweis für die technische und wissenschaftliche Höhe der deutschen Industrie liefern die Erklärungen ausländischer Staatsmänner und Zeitungen über den ungeheuren Wert der von ihnen beschlagnahmten deutschen Patente und Geheimverfahren. Sie erklären, daß die deutsche Wissenschaft, Technik und Industrie in vielen Beziehungen voraus gewesen sei.
2. Das Verhältnis zwischen der deutschen industriellen Wirtschaft und dem Staate, der Gesamtheit des Volkes und dem einzelnen Arbeitnehmer zeigte in vieler Hinsicht schwere Mängel. Es darf auch hier nicht verkannt werden, daß in Deutschland, ehe es 1933 zum getarnten Staatssozialismus überging, erhebliche Teile der industriellen Wirtschaft in Gemeindebesitz waren: Bahnen fast restlos, einschl. der Kleinbahnen und Straßenbahnen, Post, Telegraf, Rundfunk, Gas- und Wasserversorgung, der größte Teil der Erzeugung elektrischer Kraft, ein erheblicher Teil des Bergbaues in der britischen Zone, der Saarbergbau ganz.
Auch das Genossenschaftswesen war in Deutschland auf allen Gebieten einschließlich dem des Geldwesens sehr stark entwickelt. Auf dem Gebiete des Geld- und Bankwesens war der gemeinwirtschaftliche Einfluß durch Reichsbank, Staatsbanken, Giroverbände der Sparkassen, Landesbanken, Sparkassen sehr groß. Dasselbe gilt vom Versicherungswesen durch die staatlichen und provinziellen Versicherungen.
Aber auf den wichtigsten Gebieten des Bergbaues und der Schlüsselindustrien waren schwere Schäden vorhanden. Die Zeit von 1933 hat zu große Zusammenballungen industrieller Unternehmungen gebracht. Diese bekamen dadurch einen monopolartigen Charakter. Sie wurden für die Öffentlichkeit undurchsichtig und unkontrollierbar. Wenn der Aktienbesitz der großen industriellen Unternehmungen, abgesehen von wenigen Ausnahmen, wie z. B. Krupp, auch stark gestreut war, so wurde doch die Zusammensetzung des Aufsichtsrats und Vorstandes infolge der Vertretung der zahlreichen Aktionäre durch wenige Banken von einem verhältnismäßig kleinen Kreis von Personen bestimmt. Die zu dem engen Kreis der Vertreter der Großbanken und der großen industriellen Unternehmungen gehörigen Personen hatten infolgedessen eine zu große wirtschaftliche und damit zu große politische Macht.
Das Verhältnis des Arbeitnehmers zu seinem Betriebe war vor 1933 im Beginn einer die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigenden Entwicklung. Diese Entwicklung war aber 1933 noch nicht zu einem befriedigenden Abschluß gelangt. Während der Jahre 1933 bis 1945 waren auch die größeren industriellen Unternehmungen der Sache nach, wenn auch nicht dem Namen nach, Staatsbetriebe. Der nationalsozialistische Staat nahm sich das Recht, jede leitende Persönlichkeit, wenn sie ihm politisch oder wirtschaftlich widerstrebte, ohne weiteres zu entfernen; er vergab Aufträge, er verteilte dementsprechend die Rohstoffe, die Arbeitskräfte, er setzte Preise, Löhne usw. fest.
Der Arbeitnehmer war gegenüber seinem Betriebe machtlos. Es gab keine Lohnbewegungen, keine Lohnerhöhungen, keinen Wechsel des Arbeitsplatzes, kein Mitspracherecht bei der Führung der Betriebe. Es herrschte in vollem Umfange ein getarnter Staatssozialismus.
II. Neue Struktur der deutschen industriellen Wirtschaft
Die neue Struktur der deutschen Wirtschaft muß davon ausgehen, daß die Zeit der unumschränkten Herrschaft des privaten Kapitalismus vorbei ist. Es muß aber ebenso vermieden werden, daß der private Kapitalismus durch den Staatskapitalismus ersetzt wird, der noch gefährlicher für die politische und wirtschaftliche Freiheit des einzelnen sein würde. Es muß eine neue Struktur der Wirtschaft gesucht werden, die die Mängel der Vergangenheit vermeidet und die Möglichkeit zu technischem Fortschritt und zur schöpferischen Initiative des einzelnen läßt.
1. Konzerne und ähnliche wirtschaftliche Gebilde, die nicht technisch, sozial oder wirtschaftlich absolut notwendig sind, sind zu entflechten und in selbständige Einzelunternehmungen zu überführen. Die technische Entwicklung verlangt bei gewissen Unternehmungen eine bestimmte Mindestgröße, namentlich auch, um gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig zu sein. Diese Mindestgröße muß derartigen Unternehmungen unbedingt belassen werden.
2. Unternehmungen monopolartigen Charakters, Unternehmungen, die eine bestimmte Größe überschreiten müssen, verleihen eine wirtschaftliche und damit eine politische Macht, die die Freiheit im Staat gefährden kann. Dieser Gefahr muß dadurch vorgebeugt werden, daß entsprechende Kartellgesetze erlassen werden. (Siehe Antrag l der CDU Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen.) Darüber hinaus soll bei diesen Unternehmungen das machtverteilende Prinzip eingeführt werden, damit jede mit dem Gemeinwohl unverträgliche Beherrschung wesentlicher Wirtschaftszweige durch den Staat, Privatpersonen oder Gruppen ausgeschlossen wird.
a) Zu diesem Zweck sollen öffentliche Körperschaften wie Staat, Land, Gemeinde, Gemeindeverbände, ferner Genossenschaften und die im Betrieb tätigen Arbeitnehmer an diesen Unternehmungen beteiligt werden: der dringend notwendigen Unternehmerinitiative ist der erforderliche Spielraum zu belassen.
b) Weiter soll bei solchen Unternehmungen der private Aktienbesitz, der in einer Hand dem Eigentum oder dem Stimmrecht nach vereinigt ist, in der Höhe gesetzlich begrenzt werden.
3. Bergbau. Monopolartigen Charakter haben die Kohlenbergwerke schlechthin wegen des von ihnen geförderten, für das gesamte Volk lebenswichtigen Urproduktes. Daher ist die Anwendung der in Ziffer II/2 aufgestellten Grundsätze auf sie vordringlich; sie sind somit zu vergesellschaften.
Wenn in besonderen Fällen die Form des Staatsbetriebes zweckmäßiger erscheint, so sollen die vorstehenden Grundsätze der Anwendung dieser Form nicht entgegenstehen.
4. Eisenschaffende Großindustrie. Auch bei der eisenschaffenden Großindustrie ist der Weg der Vergesellschaftung zu beschreiten. (Antrag 2 der CDU-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen.)
5. Das Genossenschaftswesen ist mit aller Kraft auszubauen und die Rechtsform der Stiftungen auch in wirtschaftlichem Bereich nachdrücklich zu fördern.
6. Die schon vor 1933 begonnene gesetzliche Kontrolle des Geld- und Bankwesens sowie des Versicherungswesens muß weiter ausgebaut werden.
7. Leistungsfähige Klein- und Mittelbetriebe sind um ihres volkswirtschaftlichen Wertes und ihrer sozialen Aufstiegsmöglichkeiten willen zu fördern. In Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe ist die private Unternehmertätigkeit zu erhalten und zu entwickeln.
8. Rechtmäßig erworbenes Eigentum, mit dem politischer Mißbrauch nicht getrieben wurde, ist im übrigen bei der Durchführung dieser wirtschaftlichen Neuordnung im Rahmen der allgemeinen Gesetze zu achten.
III. Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Betriebe
In den Betrieben, in denen wegen ihrer Größe das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Unternehmer nicht mehr auf einer persönlichen Grundlage beruht, ist ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer an den grundlegenden Fragen der wirtschaftlichen Planung und sozialen Gestaltung sicherzustellen. Dies muß zunächst dadurch geschehen, daß die Arbeitnehmer des Betriebes in den Aufsichtsorganen, z. B. im Aufsichtsrat des Unternehmens, die ihnen zustehende Vertretung haben. Zu diesem Zweck bedarf es einer Reform des Gesellschaftsrechts. Insbesondere ist dem Aufsichtsrat eine stärkere Stellung gegenüber der Verwaltung zu verleihen.
Bei Großbetrieben mit mehrköpfigem Vorstand sollte Betriebsangehörigen, die in langjähriger Betriebszugehörigkeit sich um den Betrieb verdient gemacht haben, Mitwirkung in der Leitung des Unternehmens durch Berufung in den Vorstand gewährt werden. Die Berufung erfolgt auf Vorschlag der Betriebsangehörigen, die dem Aufsichtsrat mindestens drei Vorschläge zu unterbreiten haben.
Dem von der Belegschaft gewählten Vorsitzenden des Betriebsrates ist Gelegenheit zur Mitwirkung in allen Fragen zu geben, welche die sozialen Interessen der Betriebsangehörigen berühren. Darüber hinaus hat die Betriebsleitung in jedem Fall dem Betriebsrat einmal monatlich Bericht über die Lage des Unternehmens zu erstatten, und den Betriebsangehörigen ist ein Anspruch auf Auskunftserteilung in diesen Besprechungen zuzubilligen. Durch geeignete Maßnahmen soll den Arbeitnehmern eine Beteiligung am Ertrage gesichert werden. Die Formen dieser Beteiligung können verschiedenartig sein und unterliegen besonderer Vereinbarung. (Siehe Antrag 3 der CDU-Fraktion im Landtag Nordrhein- Westfalen.)
IV. Planung und Lenkung der Wirtschaft
wird auf lange Zeit hinaus in erheblichem Umfange notwendig sein; es ist aber ein Unterschied, ob die Planung und Lenkung im Hinblick auf die Schwierigkeiten der wirtschaftlichen Lage erfolgt oder von Fall zu Fall als notwendig betrachtet wird, oder ob die Planung und Lenkung der Wirtschaft als Selbstzweck angesehen wird. Planung und Lenkung wird auch in normalen Zeiten der Wirtschaft in gewissem Umfange notwendig sein, was sich aus unserer Auffassung ergibt, daß die Wirtschaft der Bedarfsdeckung des Volkes zu dienen hat.
Diese Planungs- und Lenkungsaufgaben sollen von Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft in Wirtschaftskammern wahrgenommen werden. Ob diese Wirtschaftskammern identisch sein werden mit den Industrie- und Handelskammern, ist eine Frage von sekundärer Bedeutung. Notwendig ist auf jeden Fall, daß die breiten Massen der Arbeitnehmer und Konsumenten an dieser Planung und Lenkung innerhalb der wirtschaftlichen Selbstverwaltung neben den Unternehmern gleichberechtigt teilnehmen. In ihren letzten Entscheidungen unterliegen auch die Selbstverwaltungskörperschaften der parlamentarischen Kontrolle. (Siehe Antrag 4 der CDU-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen.)
V. Bei allen Reformen der deutschen Wirtschaft,
mag es sich um Bodenreform, Neuaufbau der industriellen Wirtschaft oder Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Arbeitnehmern und Betrieb handeln, ist das erste und vornehmste Ziel das Wohl des gesamten Volkes. Die deutsche Wirtschaft hat weder in erster Linie dem Wohle einer bestimmten Schicht zu dienen noch dem Auslande. Die Alliierten insbesondere haben ein Recht und ein Interesse an der Beseitigung der ausgesprochenen Kriegsindustrie und an Wiedergutmachungsleistungen nach Befriedigung der Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes. Sie haben aber kein Recht, unter Hintansetzung der notwendigen Lebensbedürfnisse des deutschen Volkes, die deutsche Industrie so zu beschneiden oder so zu gestalten, wie es das Exportbedürfhis ihrer eigenen Industrien verlangt. Demontage nicht kriegsindustrieller Werke dient ebenso diesem Zwecke wie die Übertragung des Eigentums an den Grundindustrien auf den deutschen Staat, da sich dann jede gewollte wirtschaftliche Maßnahme durch politischen Druck auf den politisch schwachen Staat erreichen läßt.
Es ist feiner zu berücksichtigen, daß die deutsche Wirtschaft nicht nur industriell ist; sie umfaßt als wesentliche Teile: die industrielle Wirtschaft, die bäuerliche Wirtschaft, das Handwerk, Handel, Gewerbe und Verkehr, Geld- und Bankwesen.
Alle Teile der Wirtschaft greifen ineinander und stehen in Wechselwirkung. Kein Teil darf losgelöst vom anderen betrachtet werden. Bei der Gestaltung der industriellen Wirtschaft muß deshalb der Zusammenhang mit den übrigen Wirtschaftsteilen berücksichtigt werden.
Ebenso einstimmig, wie das Ahlener Programm von der CDU proklamiert worden ist, formulierte die CDU-Fraktion des Landtages für Nordrhein-Westfalen sofort die sich daraus ergebenden nachstehenden sechs Anträge:
1. Betrifft: Entflechtung von Bergbau, eisenschaffender und chemischer
Großindustrie
Die CDU-Fraktion des Landtages stellt folgenden Antrag:
Der Landtag wolle beschließen:
Die Entflechtung des Bergbaus, der eisenschaffenden und chemischen Großindustrie hat nach folgenden Grundsätzen zu erfolgen:
1. Die Wirtschaft muß wieder ihrem natürlichen Zweck, nämlich der Bedarfsdeckung, zugeführt werden. Die privatkapitalistischen Konzern- und Machtbildungen im Bergbau und in der Großindustrie werden auf dem Wege der Entflechtung aufgelöst, weil sie ihren Einfluß und ihre Machtstellung zum Nachteile des Staates und der Gesellschaft mißbraucht haben.
2. Die Kohlewirtschaft ist grundsätzlich von der Eisenwirtschaft zu trennen, soweit nicht entscheidende wirtschaftliche Gesichtspunkte dem entgegenstehen. Wirtschaftliche Gebilde des Bergbaus mit einer Jahreskapazität von mehr als 5 000 0001 sind durch Zerlegung auf diese Durchschnittskapazität zurückzuführen, falls nicht besondere wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Ausnahme rechtfertigen.
3. Die neu entstehenden Einheiten müssen, auch dem Ausland gegenüber, wettbewerbsfähig bleiben.
4. In der eisenschaffenden Großindustrie sind die bestehenden Mammutgebilde zu beseitigen.Beteiligungen, die nicht organisch und betriebswirtschaftlich mit den eisenschaffenden Industrien in Zusammenhang stehen, sind abzustoßen. Alle zum Konzern zusammengeschlossenen, nicht organisch mit der eisenschaffenden Industrie verbundenen Teile sind abzutrennen - alle mit ihr organisch zusammenhängenden, den Wirtschaftszweck fördernden Anlagen dürfen nicht für sich allem verselbständigt werden. Die Entflechtung hat unter Berücksichtigung verbundwirtschaftlicher Gesichtspunkte vertikal, nicht horizontal, zu erfolgen.
Es ist Rücksicht zu nehmen
a) auf volkswirtschaftliche Belange,
b) auf die Belange der in den Werken Beschäftigten,
c) auf die große Zahl der an diesen Unternehmungen beteiligten Personen, insbesondere Kleinaktionäre.
5. In der chemischen Industrie ist insbesondere die IG-Farbenindustrie AG in eine Reihe von Einzelunternehmungen zu zerlegen. Die s. Z. zu der IG-Farbenindustrie zusammengeschlossenen Werke sind möglichst wieder selbständig zu machen, unter Lösung von denjenigen neuen Beteiligungen, die sie inzwischen erworben haben und die nicht notwendigerweise zu dem Arbeitsgebiet der chemischen Großindustrien gehören. Die drei reinen Chemiebetriebe Uerdingen, Elberfeld und Leverkusen sind in einem Unternehmen vereinigt zu belassen.
Die Landesregierung wird ersucht, im Sinne dieser Grundsätze bei der Militärregierung vorstellig zu werden, soweit deren Zustimmung erforderlich ist.
2. Betrifft: Änderung der Besitz- und Machtverhältnisse in der Wirtschaft
Die CDU-Fraktion des Landtages stellt folgenden Antrag:
Der Landtag wolle beschließen:
Bei den Schlüsselindustrien des Landes (Bergbau, eisenschaffende und chemische Großindustrie) und bei sonstigen Großunternehmen mit monopolartigem Charakter ist das machtverteilende Prinzip wie folgt zur Anwendung zu bringen:
I. Der Bergbau wird auf dem Wege der Vergesellschaftung in die Form der Gemeinwirtschaftüberführt. Wenn sich in besonderen Fällen der Staatsbetrieb als zweckmäßig erweisen sollte, kann auch diese Form gewählt werden. Dabei soll aber die Führung des Betriebes nicht einer staatlichen Regie, sondern Organen übertragen werden, die das Unternehmen bei voller wirtschaftlicher Selbstverantwortlichkeit und Initiative zu führen haben. Erfahrene Männer des Bergbaus müssen entscheidend eingeschaltet bleiben.
Die eisen- und stahlerzeugende sowie chemische Großindustrie und die Großindustrien mit monopolartigem Charakter werden gleichfalls auf gemeinwirtschaftlicher Grundlage neu geordnet.
Die durch gesetzliche Maßnahmen herbeizuführende Gemeinwirtschaft für den Bergbau und die anderen oben aufgeführten Industrien werden dadurch gekennzeichnet, daß die bisherige Vorherrschaft des Privatkapitals aufgehoben und daß ein machtverteilendes Prinzip auf der Grundlage einer Beteiligung von Land, Gemeinden, Gemeindeverbänden, Arbeitnehmern und Genossenschaften herbeigeführt wird. Diese Beteiligungen haben so zu erfolgen, daß die Vertreter des nichtprivaten Kapitals in jedem Falle die Mehrheit des Stimmrechtes besitzen.
II. Zur Verwirklichung dieser Grundsätze sollen die folgenden Maßnahmen getroffen werden:
1. Die Vertreter des nicht-privaten Kapitals sind in der Weise am Aktienkapital dieser Gesellschaften zu beteiligen, daß sie zusammen - jedoch keiner von ihnen allein - die absolute Mehrheit der Stimmen in den Häuptversammlungen dieser Gesellschaften haben.
2. Kein Aktionär der privaten Hand und kein Beauftragter darf über mehr als 10%, kein Aktionär des nicht-privaten Kapitals über mehr als 15% der Stimmen in der Hauptversammlung direkt oder indirekt verfügen.
Hiervon kann abgewichen werden bei Betrieben, die sich bereits im Besitz der öffentlichen Hand befinden oder deren Überführung in die öffentliche Hand sich als zweckmäßig erweist.
3. Die zur Beteiligung der Vertreter des nicht-privaten Kapitals erforderlichen Änderungen der Besitz- und Machtverhältnisse sind wie folgt vorzunehmen:
a) Zunächst ist der bisherige private Besitz heranzuziehen, der entschädigungslos frei wird auf Grund einer Verurteilung als Kriegsverbrecher oder auf Grund der Entziehung aus politischen Gründen im Rahmen der gesetzmäßigen Maßnahmen.
b) Es ist der bisherige private Besitz zu verwenden, der im Rahmen des'kommenden Lastenausgleiches und der damit verbundenen direkten oder indirekten Vermögensabgabe frei wird. Im Rahmen der zu erwartenden Maßnahmen kann eine vorschußweise Heranziehung dieses Besitzes erfolgen.
c) Reicht der unter a) und b) genannte freiwerdende Besitz nicht aus, so sind den Vertretern des nicht-privaten Kapitals Aktien mit vielfachem Stimmrecht in dem erforderlichen Umfang zuzuteilen.
4. Rechtmäßig erworbenes Eigentum, mit dem politischer Mißbrauch nicht getrieben wurde, ist im übrigen bei der Durchführung dieser Neuordnung im Rahmen der allgemeinen Gesetze zu achten.
Die Landesregierung wird ersucht, im Sinne dieser Grundsätze bei der Militärregierung vorstellig zu werden, soweit deren Zustimmung erforderlich ist.
3. Betrifft: Neuordnung der Verhältnisse zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern
Die CDU-Fraktion des Landtages stellt folgenden Antrag:
Der Landtag wolle beschließen:
Die Neuordnung des Verhältnisses zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern hat unter Zugrundelegung folgender Grundsätze zu erfolgen:
1. In den Betrieben, in denen wegen ihrer Größe das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Unternehmer nicht mehr auf einer persönlichen Grundlage beruht, ist ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer an den grundlegenden Fragen der wirtschaftlichen Planung und sozialen Gestaltung sicherzustellen.
2. Zu diesem Zweck ist den Arbeitnehmern des Betriebes in den Aufsichtsorganen, z. B.im Aufsichtsrat des Unternehmens, die ihnen zustehende Vertretung einzuräumen. Das Gesellschaftsrecht bedarf einer entsprechenden Reform unter gleichzeitiger Stärkung der Stellung des Aufsichtsrates gegenüber der Verwaltung.
3. Bei Großbetrieben mit mehrköpfigem Vorstand soll ein langjähriger Betriebsangehöriger in den Vorstand des Unternehmens als ordentliches Vorstandsmitglied berufen werden. Die Berufung soll auf Vorschlag der Betriebsangehörigen erfolgen, die dem Aufsichtsrat mindestens drei Vorschläge zu unterbreiten haben.
4. Dem von der Belegschaft gewählten Vorsitzenden des Betriebsrates ist Gelegenheit zur Mitwirkung in allen Fragen zu geben, welche die sozialen Interessen der Betriebsangehörigen berühren. Darüber hinaus hat die Betriebsleitung in jedem Fall dem Betriebsrat einmal monatlich Bericht über die Lage des Unternehmens zu erstatten, und den Betriebsangehörigen ist ein Anspruch auf Auskunftserteilung in diesen. Besprechungen zuzubilligen.
5. Durch geeignete Maßnahmen soll den Arbeitnehmern eine Beteiligung am Ertrage gesichert werden. Die Formen dieser Beteiligung können verschiedenartig sein und unterliegen besonderer Vereinbarung.
Die Landesregierung wird ersucht, im Sinne dieser Grundsätze bei der Militärregierung vorstellig zu werden, soweit deren Zustimmung erforderlich ist.
4. Betrifft: Planung und Lenkung der Wirtschaft
Die CDU-Fraktion des Landtages stellt folgenden Antrag:
Der Landtag wolle beschließen:
Die Planung und Lenkung der Wirtschaft hat nach folgenden Grundsätzen zu erfolgen:
1. Die Planung und Lenkung der Wirtschaft bedarf dringend der gesetzlichen Regelung. Die Erörterung der damit in Zusammenhang stehenden Fragen in der Öffentlichkeit ist so weit fortgeschritten, daß ein gewisser Abschluß möglich erscheint.
2. Die Planungs- und Lenkungsaufgaben sollen von Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft wahrgenommen werden. In diesen Selbstverwaltungskörperschaften müssen Unternehmer, Arbeiter und Verbraucher gleichberechtigt vertreten sein. Es wird hierzu auf die entsprechenden Vorschläge verwiesen, die die CDU bereits im November 1945 gemacht hat, als sie den amtlichen Stellen den Plan der paritätischen Zusammensetzung der Kammern (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Landwirtschaftskammer) und der Bildung regionaler Wirtschaftskammern vorlegte.
3. Diese Selbstverwaltungskörperschaften unterliegen letzten Endes parlamentarischer Kontrolle.
4. Planung und Lenkung der Wirtschaft sind nicht Selbstzweck, sondern dienen nur dem allgemeinen Wirtschaftszweck, nämlich der Bedarfsdeckung des Volkes. Planung und Lenkung müssen deshalb auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden.
Die Landesregierung wird ersucht, im Sinne dieser Grundsätze bei der Militärregierung vorstellig zu werden, soweit deren Zustimmung erforderlich ist.
5. Betrifft: Offenlegung der Besitzverhältnisse im Bergbau, in eisenschaffender und chemischer Großindustrie
Die CDU-Fraktion des Landtages stellt folgenden Antrag:
Der Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird ersucht, sofort Ermittlungen anzustellen über die Besitzverhältnisse im Bergbau und in der eisenschaffenden sowie chemischen Großindustrie und das Ergebnis dem Landtag vorzulegen.
6. Die CDU-Fraktion des Landtages stellt folgenden Antrag:
Der Landtag wolle beschließen:
Die Landesregierung wird ersucht, der Militärregierung folgende Stellungnahme des Landtages zur Kenntnis zu bringen:
1. Die Entflechtung der Großindustrien, die Neuordnung der Besitz- und Machtverhältnisse sowie die Neuordnung des Verhältnisses zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern können nur vom deutschen Volke selbst auf demokratischem Wege vorgenommen werden.
2. Die in Ziffer l genannten Maßnahmen sollten deshalb der Entscheidung der Deutschen selbst vorbehalten bleiben.
3. Zu diesem Zwecke sollte den Landtagen, abweichend von dem bisherigen Zustande, umgehend das Recht übertragen werden, die notwendigen Maßnahmen auf dem Wege der Gesetzgebung durchzuführen.
4. Der Landtag bittet die britische Militärregierung deshalb, von endgültigen Maßnahmen auf den in Ziffer 1 genannten Gebieten abzusehen, bis die Zuständigkeit des Landtages auf diese Gebiete ausgedehnt ist.
5. Die Einsetzung von geeigneten deutschen Treuhändern zur vorübergehenden Verwaltung erscheint angebracht, wird aber nicht als endgültige Maßnahme betrachtet.