Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland, 17:28 Uhr, 22.08.2019

Klaus Bartl - Von der Hassfigur zur Respektsperson

 
Der LINKE-Politiker Klaus Bartl scheidet nach sechs Wahlperioden aus dem sächsischen Landtag aus

          
           Klaus Bartl                                                 Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Sachsens Landtag wird sich nach der Wahl am 1. September der Frage widmen, ob er rechtmäßig gewählt ist. Der Streit um die AfD-Liste, die erst auf 18 Plätze gekürzt und dann vor Gericht auf 30 Bewerber verlängert wurde, wird ein Fall für einen Wahlprüfungsausschuss. »Die Nummer«, sagt Klaus Bartl, der Vollblutjurist, »hätte ich zu gern mitgemacht.«

Wird er aber nicht. Zwar wirft sich Bartl gerade mit Eifer in den Wahlkampf der LINKEN in seiner Heimatstadt Chemnitz. Er selbst aber kandidiert nicht mehr, erstmals seit 1990. In seiner Partei war der 68-jährige der letzte, der die gesamte Zeit seit Konstituierung des Freistaats im Parlament miterlebt hat - sechs Wahlperioden. Nur drei CDU-Politiker, unter ihnen der Landtagspräsident Matthias Rößler, könnten ihn übertrumpfen. Das Risiko ist aber groß, dass sie ihre Wahlkreise an Konkurrenten von der AfD verlieren und auch draußen wären. Dann, sagt Bartl, »wüsste ich, dass ich alles richtig gemacht habe«.

Dass Bartl so lange durchhielt, ist vielleicht auch einem gewissen Trotz geschuldet. Anfangs verließen Politiker anderer Fraktionen regelmäßig den Saal, wenn er ans Rednerpult trat. Bartl, bis 1994 Chef der Fraktion Linke Liste / PDS, war Abteilungsleiter der SED-Bezirksleitung Karl-Marx-Stadt und ab 1969 zwei Jahre IM der Staatssicherheit gewesen. Ex-Justizminister Steffen Heitmann (CDU) beschimpfte ihn als »hartnäckigen überzeugungsstarren Unrechtstäter«.

Es dauerte lange, bis nicht mehr nur vom »Stasi-Bartl« die Rede war, gegen den sogar eine - vorm Verfassungsgericht gescheiterte - Abgeordnetenanklage erhoben wurde. Mancher hielt ihm »Wahrhaftigkeit und ehrliche Selbstkritik« im Umgang mit der eigenen Biografie zugute, wie sie der Ex-SPD-Abgeordnete Karl Nolle unlängst zum Abschied lobte - im Unterschied zu vielen sächsischen CDU-Politikern mit Blockparteivergangenheit. Andere zollten ihm Respekt für seine fachliche Arbeit als Rechtspolitiker, in Untersuchungsausschüssen oder als Vorsitzender des Rechts- und Verfassungsausschusses. Als Bartl im Juni seine letzte Landtagsrede hielt, vermerkte das Plenarprotokoll Beifall bei allen Fraktionen und der Staatsregierung. Das, sagt Bartl, »hätte es in den Neunzigern nie gegeben«.

Im Applaus zeigt sich freilich nicht nur eine andere Sicht auf Bartl, sondern auch auf seine Partei. Lange bestand in Sachsen zwischen CDU und PDS bzw. LINKE ein »Hassverhältnis« wie nirgends sonst im Osten. Das habe sich bis auf Ausnahmen »geglättet«, sagt Bartl - auch wenn es weiter undenkbar ist, dass eine CDU-geführte Regierung einem Antrag der LINKEN zustimmt. Diese habe nur die »Wirkmacht, Themen indirekt durchzusetzen«, sagt er: indem sie solchen Druck aufbaut, dass andere ihn nicht ignorieren können.

Bartl macht kein Hehl daraus, dass ihm diese Rolle passend erscheint für seine Partei. Ihr »zugewiesener Platz« im gegenwärtigen System sei der der Opposition. Regieren hält er zwar nicht für Frevel, wenn es hilft, gesellschaftliche »Verkrustungen aufzubrechen«. Dass es in Sachsen dafür aber seit 1990 nicht gereicht hat, »darunter habe ich nie gelitten«. In »bürgerlichen Parlamenten« sei die LINKE zuerst Adressat für die Artikulation von Missständen und Protest.

Dass ihr die Rolle zunehmend abgesprochen wird und sich Protest von Rechts artikuliert, sorgt ihn. Die LINKE müsse wieder mehr »Kümmererpartei« werden wie im Kampf um die Rechte von Kleingärtnern oder Ost-Rentnern. Ohne »Kärrnerarbeit« für die Lösung akuter Lebensprobleme werde sie an Relevanz verlieren, fürchtet Bartl. Er selbst will seinen Teil beitragen und beschränkt sich, anders als geplant, nicht auf die Anwaltstätigkeit, die all die Jahre weiterlief. Vielmehr hat diese Woche eine neue Parlamentslaufbahn für ihn begonnen: als Stadtrat in Chemnitz.

Von Hendrik Lasch