Karl Nolle, MdL

DNN, 08.03.1995

Hannoveraner ist es „zu langweilig" in der Heimat

 
Langeweile und Alltagsroutine sind seine Sache nicht. Deshalb wundert es auch keinen, daß der Hannoveraner Karl Nolle zum ersten mal in Dresden Geburtstag feiert, fünfzig Jahre alt wird er heute.

Zunächst verbanden den nieder¬sächsischen Unternehmer nur freundschaftliche und touristische Bande mit der Elbestadt. Nach der Wende sprühten Nolles Dresdner Freunde vor neuen Ideen und rissen den Westdeut¬schen mit. So entstand das Stadtmagazin Sax, das Nolle in seinem Betrieb in Hannover druckte. Eine Übergangslösung, die keinen so recht überzeugte. 1991 suchte man nach einem drucktechnischen Standbein in Dresden. Nach längeren Verhandlungen mit der Treuhand übernahm Nolle schließlich als Geschäftsführer den früheren Graphischen Großbetrieb Völkerfreundschaft. (den Teilbetrieb in der Bärensteiner Straße)

Seitdem hat sich viel getan. In Nolles Offsetdruckerei stehen Laserdrucker, Scanner und Computer. Aber im Keller des Druckhauses laufen die Maschinen noch in einem anderen Rhythmus. Hier stehen vier drucktechnische Dinosaurier: Lichtdruckmaschinen, um die hundert Jahre alt. Überzeugt von der Qualität des Verfahrens rettete Nolle 1993 Anlagen, Arbeitsplätze und die unschätzbare Erfahrung der Mitarbeiter der ehemaligen Lichtdruckwerkstatt Dresden, die vor ihrem Aus stand. „Ich wußte, es gibt keinen außer mir, der das bezahlt," begründet Nolle seine Investition von einer Million Mark. Hier werden in einem Verfahren, das der Fotografie ähnelt, die Vorlagen ohne Auflösung in Farbpunkte genau übertragen. So entstehen Reproduktionen und Kunstwerke. Als „lebendiges Mu¬seum" steht die Werkstatt jedem offen. Zukunft und Vergangenheit bilden für Nolle keine Gegensätze, und so wird an der Verbesserung des historischen Druckverfahrens weiter geforscht. Ein Bestandteil dieses Konzeptes ist auch die hochmoderne Entsorgungsanlage, die die Schwermetalle, die beim Druck entstehen, umweltgerecht aufbereitet.

„Bis zum Sommer werde ich umsiedeln. Dann habe ich nicht nur ein Dresdner Autokennzeichen sondern auch einen Dresdner Paß. Dann werde ich vom Niedersachsen zum Sachsen," so sehen Nolles persönliche Pläne aus. Er hat den Hannoveraner Betrieb verkauft und freut sich auf die neuen Herausforderungen: „In Hannover ist es langweilig geworden, da ist kein Kick mehr." Dafür wird von dem quirligen Unternehmer in Dresden noch oft zu hören sein, sei es als Verfechter der alten Lichtdrucktechnik oder mit Aktionen wie dem Plakatwettbewerb anläßlich des Jahrestages des Bombenangriffs auf die Stadt.

von Meike Feldmann