Karl Nolle, MdL
Dresdner Morgenpost, 29.05.2001
Biedenkopf verschleierte Maß seiner Einflussnahme
Das kann noch ein Fall für den Staatsanwalt werden
DRESDEN - Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) hat offenbar versucht, den Paunsdorf-Ausschuss an der Nase herumzuführen. Der Zeuge Michael Muster beleuchtete gestern, wie Biedenkopf 1993 nachdrücklich auf den Abschluss von Mietverträgen für das Behördenzentrum in Leipzig-Paunsdorf drängte, das dessen Freund Heinz Barth plante.
Fünfeinhalb Stunden dauerte die Einvernahme des Ministerialdirigenten. Aber schon nach zehn Minuten wurde klar, weshalb er zunächst einen Maulkorb verpasst bekommen hatte. Denn nach Erweiterung der Aussagegenehmigung berichtete er nun, wie sich Biedenkopfs Büro und der Regierungs-Chef persönlich in die Verhandlungen einschalteten.
Dessen Referent Wolf-Eberhard Kuhl (inzwischen Staatssekretär) habe ihn im Juni 1993 gebeten, die Vertragsverhandlungen in die Hand zu nehmen, weil das Leipziger Liegenschaftsamt zu unflexibel sei. „Dies sei auch im Sinne des Ministerpräsidenten", habe der Mann gesagt.
Nachdem einige Verträge unter Dach und Fach waren, habe sich Biedenkopf im September mehrfach beschwert, dass Abschlüsse für weitere Behörden noch fehlten. Am 1. Oktober habe ihn der Ministerpräsident deshalb sogar zu einem Einstundengespräch einbestellt.
Im Eilverfahren binnen acht Tagen seien danach weitere Verträge perfekt gemacht worden und sogar die Abnahme von zusätzlichen 18 000 Quadratmetern zugesichert - dies übrigens gegen Musters Willen.
Biedenkopf selbst hatte das vor drei Monaten noch ganz anders dargestellt: Seit Mitte Juli 1993 habe er keine Notwendigkeit mehr gesehen, sich in die Verhandlungen einzuschalten. Ausnahmen habe es nur gegeben, wenn sich sein Freund Barth beschwerte. Jetzt wissen wir, wie weit die Ausnahmen gingen.
Das kann noch ein Fall für den Staatsanwalt werden. Der PDS-Abgeordnete Andre Hahn forderte jedenfalls die Behörde auf, Ermittlungen wegen uneidlicher Falschaussage zu prüfen.
Zum Schluss seiner Aussage schilderte Muster die Besonderheiten des Projekts Paunsdorf: „das große Interesse des Ministerpräsidenten daran", „ein Investor, der sich seiner Stellung bewusst war" und der Umfang des Projekts (Monatsmiete 1,3 Millionen Mark). Muster verweigerte die geforderte Vereidigung.
(Stefan Rössel)