Karl Nolle, MdL
DNN, 28.05.2001
Biedenkopf zahlt Miete nach, Betrag bleibt noch offen
Sagurna: Rechnungshof-Forderung zu hoch
Dresden. Wenn Regierungschefs von hochoffizieller Seite gerügt werden, liegt das stets nahe am Eklat. So auch im Falle von Kurt Biedenkopf (CDU): Kaum hatte der sächsische Rech-nungshof das umstrittene Finanzge-bahren des Ministerpräsidenten im Gästehaus öffentlich moniert, blies die-ser, zur kontrollierten Attacke. Zwar sei er wegen der Gesamtlage „ziemlich bedrückt", meinte Biedenkopf gestern am Rande des Topf- und Krügemark-tes in Kohren-Sahlis, doch all das, „was in dem Haus geschieht", sei seit zehn Jahren bekannt. Vor allem aber seien die Zahlen des Rechnungshofs „völlig aus der Luft gegriffen" – von Einsicht kaum eine Spur.
Dabei hatten Sachsens Finanzkontrolleure sowohl die Miethöhe für die Wohnung von Biedenkopf als auch den Privateinsatz von Dienstpersonal in der Villa am Freitag rüde kritisiert. Rechnungshofpräsident Hans Günther Koehn sprach von einer Vermischung von Dienst- und Privatbereich, der „keinesfalls akzeptiert werden" könne. Allein für den hotelähnlichen Rundumservice im Gästehaus betrage die offene Rechnung 100 000 Mark pro Jahr; seit 1994 wären das bis zu 700 000 Mark. Hinzu kämen Mietnachzahlungen von mindestens 32 000 Mark.
Entsprechend vorsichtig reagierte Regierungssprecher Michael Sagurna. Biedenkopf, meinte er am Wochenende laut Presseberichten, werde sehr wohl einen Teil des Geldes für Miete und Personal nachzahlen. Gleichzeitig stehe aber fest, dass der vom Rechnungshof genannte Betrag zu hoch sei. Die exakte Zahl werde bis Ende der Woche von Staatskanzlei und Finanzministerium errechnet.
Offen ist dabei, in welcher Höhe auch andere Bewohner des Gästehauses von Nachzahlungen betroffen sind. Denn klar ist: Allein im Jahr 2000 fielen im Gästehaus Gesamtkosten in Höhe von bis zu 173 000 Mark für Privateinsätze des Personals an, darunter jene 100 000 Mark für Biedenkopf. Zur „Regierungs-WG" in der Villa gehörten unter anderem Ex-Innenminister Heinz Eggert, Ex-Finanzminister Georg Milbradt (beide CDU) sowie mehrere Staatssekretäre.
Unterdessen denkt die Opposition offen über die Zeit nach Biedenkopf nach. Er wünsche sich Neuwahlen in Sachsen, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle einem Radiosender, am Ende sei auch eine Koalition aus SPD und PDS denkbar - eine klare Drohgebärde Richtung CDU.
Für den angeschlagenen Regierungschef ist das ein Horror. Öffentlich freilich reagiert er weiter mit einer Mischung aus Zerknirschung und Trotz. Er werde es „nicht zulassen", sagte Biedenkopf gestern auf einer Wahlkampfveranstaltung in Oschatz, „dass der Name meiner Familie beschmutzt wird". Mut machten ihm aber viele Briefe von Bürgern. Danach gebe es nur eine Lösung: Weitermachen.
(Jürgen Kochinkel/Ekkehard Schulreich/Hagen Rösner)