Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 11.10.2000

Parteien im Rathaus pokern um Dezernenten

Unionsfraktion noch nicht einig / PDS will Posten einklagen
 
DRESDEN. Im Dresdner Rathaus läuft der Poker um die künftigen Dezernate. Nach der Wahl des neuen Oberbürgermeisters im nächsten Juli muss der Stadtrat sechs Dezernenten neu wählen. Das wäre eine Chance, die Verwaltung zu straffen. Wenn man sich die Besetzung der Dezernate im Dresdener Rathaus anguckt, erinnert noch manches an den Runden Tisch. Von sieben Bürgermeistern gehören drei der CDU an, drei der SPD und einer den Grünen.
Das wird sich ändern. Nach der Kommunalwahl 1999 haben sich die Kräfteverhältnisse der Parteien verändert. Die CDU, mit 32 Sitzen führende Kraft im Stadtrat, beansprucht mehr Bürgermeister. Die PDS mit 18 Sitzen stärkste Oppositionspartei, fordert auch einen Dezernenten. SPD und Grüne geraten unter Druck. Die SPD hat drei Dezernate besetzt, aber nur noch neun Ratsmitglieder. Die Grünen, die den Umweltbürgermeister stellen, haben sechs Sitze.
"Wir wollen ein Koalitionsmodell mit Beteiligung der FDP", sagt Unions-Stadtrat Andreas Grapatin. "Das spiegelt das Kräfteverhältnis im Rat wieder und macht schnelle Entscheidungen möglich." Und ließe die PDS draußen. Doch in der CDU herrscht noch keine endgültige Einigkeit über die künftige Verwaltungsstruktur. Die Ratsfraktion will aus Sparsamkeitsgründen sechs Dezernenten, obwohl nach der Gemeindeordnung sieben erlaubt sind. Oberbürgermeister Herbert Wagner (CDU) will sieben Bürgermeister haben. "Es geht darum, wie die Aufgaben bewältigt werden können," sagt Stadtsprecher Ulrich Höver. "Einsparungen erzielt man nicht allein durch einen Dezernentenposten weniger."
Über Personen, die für die Ämter in Frage kommen, redet noch niemand offen. CDU-Stadtrat Hermann Henke, dem aus SPD-Kreisen Ambitionen auf das Dezernat für Stadtentwicklung nachgesagt wurden, winkte ab. "Ich bin dann 61 Jahre und hätte nichts dagegen, wenn es ein Jüngerer macht", sagte er der SZ. Auch FDP-Stadtrat Jan Mücke, als Bürgermeister für Wirtschaft und Umwelt gehandelt, hielt sich bedeckt: "Alles Spekulation." Leises Grollen aber hört man aus der Union, dass OB Wagner angeblich den SPD-Sozialbürgermeister Klaus Deubel behalten wolle. "Zu Namen sagt der OB nichts", sagte Höver dazu nur.
Die Opposition beobachtet die Entwicklung besorgt. Wie bei der Frage der OB-Kandidatur sind sich PDS, SPD und Grüne aber nicht einig. Die PDS fordert eine Beteiligung im Dezernentenkollegium. "Bei sieben Bürgermeistern stünden uns rechnerisch zwei zu", sagt Ratsherr Michael Schrader. Er beruft sich auf Paragraph 56 der Gemeindeordnung, wonach die Dezernate entsprechend der Stärke der Parteien im Stadtrat besetzt werden sollen. "Das Dezernat Stadtentwicklung wäre ein Ressort für die PDS", sagt Schrader. Auch ein Umweltdezernent etwa könne nicht mehr von den Grünen kommen, "wenn es nach Recht und Gesetz geht." Schrader droht mit Konsequenzen, wenn seine Partei nicht beteiligt werde. "Wenn man uns ohne schwerwiegende Gründe raushalten will, werden wir klagen." Wahrscheinlich ohne Erfolg. Die Bestimmung in der Gemeindeordnung ist eine Kann-Bestimmung", sagt die Sprecherin des Regierungspräsidiums, Petra Gutow. "Es besteht kein Rechtsanspruch, damit ist sie nicht einklagbar. Vorrang hat die Wahl der Dezernenten im Stadtrat."
Die SPD wird ihre drei Dezernentenposten nicht halten können. SPD-OB-Kandidat Karl Nolle aber bezeichnet Parteimänner auf Dezernentenstühlen ohnehin als überholt. "Wir sollten Spezialisten von außen holen, Experten, die unabhängig sind von Parteien." Kompetenz könne nicht mit der Frage nach CDU oder SPD beantwortet werden.
(von Markus Lesch)