Karl Nolle, MdL
Lausitzer Rundschau, 11.09.2000
Blickpunkt: - Bluten Jobs in Bayern die Lausitz aus?
Arbeitsämter in Cottbus und Bautzen erproben Pilotprojekt "Jobbörse"
BAUTZEN/COTTBUS. Südlich des Weißwurstäquators - der bekanntlich Bayern von allem "preußischen" trennt - beginnt das gelobte Land: das Arbeitsamt Ingolstadt vermeldet zum Stichtag 4,2 Prozent Arbeitslosigkeit, Freising bei München kann stolz 2,0 Prozent verkünden - Vollbeschäftigung! Arbeitgeber rennen den Arbeitsämtern die Türen ein: Bitte, bitte Arbeitskräfte! Und die sollen auch aus unserer Region kommen. Kritischen Stimmen sprechen vom Ausbluten der Lausitz.
Die Arbeitsvermittler könnten mit den Schultern zucken. Statt dessen haben sich die Ingolstädter mit den Kollegen in Cottbus verbündet, die Freisinger suchen in Bautzen ihr Glück. In Ostsachen mit den größeren Städten Hoyerswerda und Weißwasser gibt es derzeit 66200 Arbeitssuchende, im Arbeitsamtsbezirk Cottbus 57677.
Interesse bei Arbeitslosen
Sowohl in Cottbus wie auch in Bautzen boten die Arbeitsämter im August bzw. im Juli Jobbörsen an, um Arbeitslosen das satte Angebot an freien Stellen im Bayerischen vorzustellen (die RUNDSCHAU berichtete). In Bautzen kamen 1200 Interessierte, in Cottbus 300. Acht Ostsachen haben inzwischen in Freising einen festen Arbeitsvertrag, 40 befinden sich in einem achtwöchigen Trainingsprogramm, werden Woche für Woche in die kleine Wirtschafts-Wunder-Stadt gebracht.
Am Mittwoch werden 45 oder auch 47 Arbeitssuchende - "die Zahl verändert sich fast täglich", so Friedhelm Hesterberg vom Arbeitsamt Cottbus, einen Bus besteigen und nach Ingolstadt fahren. Tags darauf gibt es im Arbeitsamt ein Treffen mit Arbeitgebern, wo die konkreten Angebote vorgestellt werden. Wie der Vize-Arbeitsamtsdirektor aus Ingolstadt, Andreas Vaerst, sagte, werden diese nach den Berufen ausgesucht, die die Lausitzer haben. "Wir wollen die Butter zu den Fischen bringen, es werden hauptsächlich Chefs von Handwerksbetrieben und Mittelständler sein, die mit den Jobsuchenden ins Gespräch kommen."
Das Ingolstädter Audi-Werk wird höchstwahrscheinlich nicht beim Gespräch vertreten sein. Es sucht mindestens 600 Facharbeiter, die in Bayern nicht zu finden sind. In der Lausitz aber auch nicht unbedingt. Denn die Audi-Manager haben hohe Hürden aufgestellt. Nach dem Slogan "Nur Facharbeiter bauen Audis", muss der Bewerber entweder den Facharbeiterbrief im Metall- oder Elektrofach vorweisen, und möglichst nicht älter als 40 Jahre sein. Die Facharbeit spielt sich dann am Montageband ab. Auch bei guter Bezahlung, sozialen Leistungen wie im "echten wahren Sozialismus", ein harter Job, sagt Andreas Vaerst.
Das Werben um Arbeitskräfte in Ostsachsen für Bayern findet nicht überall Beifall. So sprach jüngst der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion des Sächsischen Landtags, Karl Nolle, vom "Ausbluten der Region". Außerdem wird dafür noch Steuergeld eingesetzt.
Das Arbeitsamt Bautzen, und auch das Cottbuser, zahlen jedem "Abwanderer", der einen festen Anstellungsvertrag bei einer bayerischen Firma vorweisen kann, 5000 Mark. Grit Arndt, Sprecherin des Arbeitsamtes Bautzen, will nicht die Gefahr des Missbrauches in Einzelfällen ausschließen. Das Geld ist für die mit einem Umzug entstehenden Kosten gedacht.
Auf Jahre keine Chance
Friedhelm Hesterberg, Abschnittsleiter Arbeitsvermittlung in Cottbus, kann auch ein gewisses Unbehagen bei der Aktion nicht verleugnen, führt aber als Gegenargument ein Beispiel an: "Ich hatte jüngst einen jungen Mann bei mir, einen Facharbeiter, dem ich keine Jobs anbieten konnte und auch in absehbarer Zeit nicht. Soll ich ihm sagen, warten Sie ab, obwohl ich weiß, dass es wahrscheinlich auch in den kommenden fünf Jahren in der Lausitz keine Jobs in seiner Branche geben wird? In Ingolstadt wird sein Beruf gesucht."
Ob die Jobbörsen für Arbeitsplätze in Bayern in Bautzen und Cottbus wiederholt werden, steht derzeit nicht fest. Beide Arbeitsämter wollen das Ergebnis der ersten Runde - Pilotprojekt genannt - abwarten. "Wir halten aber", so Grit Arndt und Friedhelm Hesterberg, "mit Sicherheit an der Partnerschaft fest."
(von Manfred Kraszon)