Karl Nolle, MdL
MDR Aktuell, 10.06.2001
"Super"-Wahltag in Sachsen
Machte Biedenkopf-Affäre wahlmüde?
Die Bürger in Dresden, Zwickau und Hoyerswerda müssen am 24. Juni noch einmal an die Wahlurnen. Beim ersten Wahlgang zur Oberbürgermeisterwahl erzielte am Sonntag keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit. Die Wahlbeteiligung lag den bisherigen Angaben zufolge mit durchschnittlich 50 Prozent unter der der vergangenen Kommunalwahlen. Bei der ersten Direktwahl der Amtsträger 1994 waren etwa 70 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen gegangen.
Machte Biedenkopf-Affäre wahlmüde?
In ersten Reaktionen machten Landes- und Kommunalpolitiker die anhaltende Krise in der sächsischen CDU und die Affären um Ministerpräsident Biedenkopf (CDU) für die Wahlergebnisse und die geringe Wahlbeteiligung verantwortlich. Dresdens CDU-Kreischef sagte, Biedenkopf könnte eine Komponente des schlechten Ergebnisses sein. Schließlich habe Biedenkopf seit Wochen in den negativen Schlagzeilen gestanden. SPD-Fraktionschef Jurk äußerte sich ähnlich. Die Wähler seien auf Grund der Schlagzeilen und Affären um Biedenkopf der Politik überdrüssig geworden.
2. Wahlgang in den kreisfreien Städten
Die Überraschung des Tages gab es in Dresden. Dort musste die CDU eine herbe Schlappe einstecken. Der unter anderen von SPD und PDS unterstützte Ingolf Roßberg (Wählervereinigung) erreichte vier Prozent mehr als Amtsinhaber Wagner (CDU). Mit 47 Prozent verfehlte Roßberg den Sieg nur knapp. In der Landeshauptstadt beteiligte sich nicht einmal jeder Zweite der 387.000 Wahlberechtigten an der Abstimmung.
Bei dem zweiten Wahlgang in zwei Wochen könnten die Karten jedoch völlig neu gemischt werden. Der frühere SED-Oberbürgermeister Berghofer erklärte überraschend, dass er für diesen Urnengang eine Kandidatur erwäge. Zum zweiten Wahlgang können sich neue Bewerber melden und alle bisherigen Kandidaten ebenfalls wieder antreten. Für den Sieg reicht eine einfache Mehrheit.
In Zwickau lag Dietmar Vettermann (CDU) mit 40,3 Prozent deutlich vor der SPD-Kandidatin Pia Findeiß (30,2 Prozent) und Klaus Reinhold von der PDS (29,6 Prozent). Amtsinhaber Eichhorn (CDU), der wegen parteiinterner Differenzen ausscheidet, äußerte sich enttäuscht über die geringe Wahlbeteiligung. Schwer vorstellbar, "dass wir vergessen haben", wie wichtig freie demokratische Wahlen seien. 39,8 Prozent der 86 000 Wahlberechtigten hatten ihre Stimme abgegeben. Bei der Wahl vor sieben Jahren waren es noch rund 64 Prozent gewesen.
Hoyerswerda: Brähmig verpasst Wiederwahl hauchdünn
Nur knapp verfehlte der Bürgermeister von Hoyerswerda, Brähmig (PDS), die absolute Mehrheit im ersten Anlauf. Er kam auf 48,6 Prozent und erreichte damit deutlich mehr Stimmen als die Kandidaten von SPD, CDU und FDP. In einer ersten Reaktion zeigte sich Brähmig siegessicher. "Ich hätte mir schon über 50 Prozent gewünscht, ich gehe aber davon aus, dass ich den zweiten Wahlgang eindeutig für mich entscheiden kann", sagte er. Die Wahlbeteiligung lag bei 49,4 Prozent. In Kamenz erreichte der PDS-Kandidat, Bock, im ersten Anlauf die absolute Mehrheit. Nach dem vorläufigen Endergebnis kam er auf 57 Prozent der Stimmen. Damit löst er Lothar Kunze (CDU) ab, der nicht wieder antrat.
CDU-Landräte mehrheitlich bestätigt
In den sächsischen Kommunen behauptete die CDU ihre starke Position. Nach den vorläufigen amtlichen Endergebnissen konnten sich die Kandidaten der Union bei den Landratswahlen erneut in der Mehrzahl der Kreise durchsetzen. So bleiben die CDU-Politiker Udo Hertwich im Landkreis Stollberg und Michael Czupalla in Delitzsch im Amt. Ebenfalls bestätigt wurden die CDU-Landräte im Zwickauer Land, in Döbeln und im Muldentalkreis sowie im Chemnitzer Land. Im Landkreis Bautzen sowie im Niederschlesischen Oberlausitzkreis stellt die CDU Michael Harig und Bernd Lange neue Landräte. CDU-Landeschef Hähle zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis. "In den Landkreisen haben wir fast bayerische Verhältnisse", sagte Hähle.
SPD im Leipziger Land im Aufwind
Bei der Landratwahl im Leipziger Land hat die SPD ihr bisher bestes Ergebnis erzielt und lag vor der CDU. Die parteilose Bürgermeisterin von Großpösna, Köpping, die für die Sozialdemokraten kandidiert und von Grünen und FDP unterstützt wird, erhielt 46 Prozent der Stimmen, der CDU-Bewerber Galisch 37,9 Prozent. Damit ist am 24. Juni ein zweiter Wahlgang nötig. Gewinnt Köpping ist sie die erste SPD-Landrätin in Sachsen. Ingesamt wurden am Sonntag in knapp 400 sächsischen Gemeinden und 18 Landkreisen Bürgermeister und Ländräte gewählt.
Die Ergebnisse finden Sie in unserem Wahlmagazin.
10.06.2001, 23:42