Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 15.06.2001
Der virtuelle Kandidat war da
Berghofer bei Stippvisite: Keine Schlammschlachten / Roßberg sieht sich als Sieger
DRESDEN. Überraschung gestern früh um 8 Uhr bei der öffentlichen Sitzung des Wahlausschusses: Der für die Dresdner bislang weitgehend virtuelle Kandidat war wider Erwarten doch erschienen, um das Prozedere zu verfolgen. Hätte nicht Beisitzer Johannes Licht die Unterstützer-Unterschriften kontrolliert, wäre alles noch zehn Minuten eher klar gewesen: Wolfgang Berghofer darf kandidieren und steht auf dem Wahlzettel nach Herbert Wagner (CDU) auf Platz zwei vor Ronald Galle (Büso) und Ingolf Roßberg (Bürgerinitiative) - nach dem Amtsinhaber die alphabetische Reihenfolge. Bevor der im schwarzen Geschäftsanzug gekleidete Kandidat Berghofer wieder Richtung Berlin entschwand, nahm er sich noch die Zeit, alle Verdächtigungen über Absprachen mit der CDU oder Ministerpräsident Kurt Biedenkopf als "völligen Quatsch" zu bezeichnen. Er werde sich "auf die drohenden Schlammschlachten nicht einlassen" und wolle auch "keine Konfliktpositionen zu Wagner und Roßberg besetzen". "Der Hut liegt jetzt im Ring", er sei sicher, dass er "große Teile des Nichtwählerpotentials" für sich gewinnen könne.
Den Hinweis auf die Möglichkeit, dass er lediglich dem seit elf Jahren regierenden Herbert Wagner zum neuerlichen Sieg verhelfen würde, konterte Berghofer mit der Bemerkung: "Die Dresdner brauchen ihr Kreuz nur bei mir zu machen."
Ingolf Roßberg (Bürgerinitiative) sieht in Berghofer keine Gefahr. "Ich werde im zweiten Wahlgang mehr Stimmen auf mich vereinen als Berghofer und Herbert Wagner zusammen", sagt er. Berghofer sei Teil der Vergangenheit der Stadt, Wagner seit Sonntag auch. Die Bürgerinitiative, die Roßberg nominierte, rechnet damit, dass Berghofer vor allem aus dem Lager der Nichtwähler Stimmen zieht. "Wir setzen unsere Wahlkampfstrategie unbeirrt fort", sagt Sprecher Dietrich Herrmann, "und wollen vor allem in den Stadtteilen werben, in denen wir noch nicht so erfolgreich waren."
Wie die CDU will auch die Bürgerinitiative mit reichlich Polit-Prominenz aufwarten. Der erste ist am Sonnabend Gregor Gysi, der 16 Uhr auf der Prager Straße für Roßberg spricht.
(SZ/mar/saf)