Karl Nolle, MdL

Originaltext der aktuellen Strafanzeige gegen Biedenkopf, 18.06.2001

Biedenkopf - Untreue und ca. 4 - 6 Mill. DM Schaden für Sachsen?

SPD-Abgeordneter Nolle zeigt Ministerpräsident Biedenkopf und Ex-Innenminister Eggert wegen des Verdachts auf Untreue zu Lasten Sachsens an.
 
Karl Nolle, MdL
Wirtschaftssprecher der SPD Fraktion
Mitglied des Wirtschaftsausschusses
Stellvertr. Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses
des Sächsischen Landtages
Bürgerbüro, Bärensteiner Str. 30, 01277 Dresden
Tel. 0173-9219870
www. karl-nolle.de





18. Juni 2001

Presseerklärung

SPD-Abgeordneter Nolle zeigt Ministerpräsident Biedenkopf und Ex-Innenminister Eggert wegen des Verdachts auf Untreue zu Lasten Sachsens an.

Nolle: „ ca. 4 bis 6 Millionen DM Schaden für den Freistaat Sachsen!“

Gegenstand: Untreue durch kostenlose Bewachung des Privathauses am Chiemsee

Karl Nolle, SPD-Abgeordneter im Sächsischen Landtag und stellvertretendes Mitglied im Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages, erstattete heute Strafanzeige gegen Kurt Biedenkopf und Heinz Eggert mit dem Vorwurf, die Ausgaben des Freistaates für Polizisten veruntreut zu haben, die nach bestätigten Presseberichten das Privathaus des Ministerpräsidenten am Chiemsee bewacht haben sollen.

Die Strafanzeige übergab Nolle heute der Dresdner Staatsanwaltschaft . Zur gleichzeitigen Information übergab Nolle die Unterlagen dem Präsidenten des Rechnungshofes und den Mitgliedern des Haushalts- und Finanzausschusses des Sächsischen Landtages um die sachgerechte Verwendung der Haushaltsmittel des Freistaates zu prüfen und politisch sicherzustellen zu lassen.

Nolle erklärte dazu:

„Der entzauberte König scheint zu glauben, dass bei der Vielzahl von kleineren und größeren Missständen an seinem Hofe Opposition und Öffentlichkeit den Überblick verlieren. Das ist nicht so. Bei dem Tempo der neuen Enthüllungen kommt man nur nicht mehr mit der rechtlichen und politischen Würdigung hinterher. Kaum hat man die eine Nachricht verdaut, schon sind wieder neue Sachverhalte bekannt geworden, die einem die Sprache verschlagen.

So liegt es hier: Die privatnützige Bewachung des Biedenkopf-Hauses am Chiemsee ist ein Vorgang, den ich noch vor wenigen Wochen nicht für möglich gehalten hätte.

Die Bewachung des Privathauses durch die sächsische Polizei ist, wie in der Anzeige ausgeführt wird, ganz offensichtlich nicht zulässig. Schon allein deshalb, weil nicht überall da Sachsen ist, wo sich der Ministerpräsident gelegentlich aufhält.“


Schaden: 4 bis 6 Millionen DM

Nolle weiter:

„Es sollen andere den exakten Schaden berechnen, der entstanden ist. Zum Beispiel der Finanzminister, der vom sächsischen Steuerzahler dafür bezahlt wird. Der Rechnungshof wird das dann kontrollieren, so wie er auch mit der Berechnung der Forderungen für die Schevenstraße nicht zufrieden war. Überschlägig bin ich auf Grundlage einer „Verordnung über die Kosten für privatnützige Polizeieinsätze“ auf 4 bis 6 Millionen DM gekommen, die der Ministerpräsident hätte zahlen müssen, wenn ihm die Dienste der Polizisten ordnungsgemäß in Rechnung gestellt worden wären. Die Polizisten, die der Freistaat für private Zwecke des Ministerpräsidenten bezahlt hat, hätten in Sachsen genug Arbeit gehabt, um z.B. Wohnungseinbrüche aufzuklären und zu verhindern.

Ich reiche eine Kopie der Strafanzeige an meine Kollegen im Haushalts- und Finanzausschuss weiter. Sie sollen in Ruhe ein paar Tage prüfen, was ich zusammengetragen habe.

Dann aber können besonders die Kollegen von der CDU zeigen, ob sie als Vertreter des ganzen Volkes im Ausschuss sitzen oder nur als untertänige Diener der CDU-Führung.

Besonders diejenigen CDU-Abgeordneten, die sich bei den Montagsdemonstrationen 89 so verdienstvoll für Wahrheit, Klarheit und Toleranz eingesetzt haben, finden hoffentlich Gelegenheit über das von ihnen inzwischen erreichte Maß politischer Moral nachzudenken.

Wenn sie nämlich das ganze Volk vertreten wollen und nicht nur CDU-Interessen, dann müssen sie dafür sorgen, dass Biedenkopf zumindest keinen weiteren Schaden mehr anrichtet.“


Biedenkopf am Ende

Nolle erklärt zum Bekanntwerden der neuen Vorwürfe:

„Wie wenig Ministerpräsident Biedenkopf noch Herr der Lage ist, zeigt sich daran, wie der Einsatz der Polizisten überhaupt in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Denn hätte nicht Biedenkopf selbst versucht, die Unterbringung der Beamten im seinem Privathaus auch noch als eine Art von Wohltat dem Freistaat nachträglich in Rechnung zu stellen, dann wäre niemand auf die verrückte Idee gekommen, sächsische Polizisten hätten jahrelang das Privathaus des Ministerpräsidenten in Bayern bewacht.

Biedenkopf hat sich in seine Affären so sehr verstrickt, dass sich das Netz immer enger zieht. Inzwischen scheint auch eine strafrechtliche Ahndung der Hof- und Haushaltung auf Kosten des sächsischen Steuerzahlers unumgänglich.“


Staatsanwalt-Ermittlungen in Sachen Schevenstraße begrüßt

Nolle begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die Staatsanwaltschaft nunmehr Ermittlungen gegen unbekannte Mitarbeiter der Staatskanzlei und der Finanzverwaltung wegen der Vorgänge um die Wohnverhältnisse in der Schevenstraße 1 aufgenommen haben.

Dabei sollte nach Auffassung Nolles nicht übersehen werden, dass die sachliche und politische Verantwortung für die nunmehr auch von der Staatsanwaltschaft nach längerer Prüfung in der Nähe strafbaren Verhaltens gesehenen Vorwürfe bei real existierenden Personen liegt, nämlich beim Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und den jeweiligen Chefs der Staatskanzlei, Vaatz, Meier, de Maizière und Brüggen sowie bei den Finanzministern Milbradt, de Maizière und ihren Staatssekretären Reggers, Carl und Voß.


gez. Karl Nolle, MdL


Anlage: Strafanzeige wegen des Verdachtes der Untreue



Zitat der Woche:

» Denn die Opposition ist ja nicht um ihrer selbst willen da, und die Menschen, die dort arbeiten, arbeiten dort nicht nur deshalb, weil sie Geld verdienen wollen, sondern sie erfüllen eine für das ganze Land unverzichtbare Funktion.

In Großbritannien nennt man die Opposition »her-majesty-opposition«, weil man deutlich machen will, daß sie eine Institution ist, die notwendig ist, um die Regierung davon abzuhalten, unkontrolliert zu handeln – auch die Regierungsmehrheit im Parlament «.

Kurt Biedenkopf, 3.2.2000, 11:05, im Deutschlandfunk



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Karl Nolle, MdL
Wirtschaftssprecher der SPD Fraktion
Mitglied des Wirtschaftsausschusses
Stellvertr. Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses
des Sächsischen Landtages
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Tel. 0173-9219870





An die
Staatsanwaltschaft Dresden
Gutenbergstraße 5

01307 Dresden




Dresden, den 18.06.2001


Strafanzeige gegen

- Herrn Ministerpräsidenten Prof. Dr. Kurt Biedenkopf und
- Herrn Staatsminister des Innern a.D. Heinz Eggert

wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil des Freistaates Sachsen


Sehr geehrte Damen und Herren,

mit nachstehenden tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen erstatte ich Strafanzeige gegen o.g. Personen, aber auch gegen alle weiteren, mir unbekannten Personen, die sich aufgrund des genannten Vorganges (Bewachung des privaten Ferienhauses des Ministerpräsidenten durch Polizeibeamte des Freistaates Sachsen) strafbar gemacht haben können.


I.

Aufgrund von Zeitungsberichten (Sächsische Zeitung vom 31. Mai 2001: Interview mit Herrn Eggert; Süddeutsche Zeitung vom 2. Juni 2001) ergibt sich der Verdacht, der Ministerpräsident habe veranlasst, dass sein privates Ferienhaus am Chiemsee durchgehend, das heißt insbesondere auch während der zumeist gegebenen Abwesenheit des Ministerpräsidenten, von Polizeibeamten des Freistaates Sachsen bewacht wird. Die Beamten bewohnten die Einliegerwohnung des Hauses des Ministerpräsidenten, was dieser zeitweilig im Rahmen der Verhandlungen mit dem Freistaat Sachsen über Nachzahlungen für rechtsgrundlos in Anspruch genommene Leistungen einwandte .

Anlass der Bewachung war nach Angaben von Herrn Eggert ein entsprechender Wunsch des Ministerpräsidenten in einem Gespräch mit Herrn Eggert. Daraufhin wurde ein Sicherheitsgutachten erstellt, auf dessen Grundlage die Entsendung der Beamten erfolgte.

II.

Sofern diese Berichte zutreffen, ist mit einer jedenfalls den Anfangsverdacht begründenden Wahrscheinlichkeit der Tatbestand der Untreue (§ 266 Alt. 2 StGB) erfüllt. Danach wird bestraft, wer die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt.

1.

Den Beschuldigten als Ministerpräsident oder als Staatsminister oblag kraft Gesetzes, nämlich der Sächsischen Verfassung, und kraft des dadurch begründeten Treueverhältnisses die Pflicht, die Vermögensinteressen des Freistaates Sachsen wahrzunehmen. Dabei handelte es sich, wie von der Rechtsprechung für die Verwirklichung der Untreue gefordert, auch um eine das Verhältnis der Beschuldigten als Treunehmer zum Freistaat Sachsen als Treugeber prägende Hauptpflicht und keine nur beiläufig bestehende Pflicht. Wer, wenn nicht die Beschuldigten, sollte dazu berufen sein, die Mittel des Freistaates so zu verwenden, wie es Recht und Gesetz vorsehen? Diese Aufgaben werden auch unter Einräumung von Ermessen, Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit wahrgenommen.

2.

Diese Pflicht haben die Beschuldigten verletzt, weil der Einsatz der sächsischen Polizeibeamten eklatant rechtswidrig war. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich nach derzeitigem Erkenntnisstand daraus, dass

- die zugrunde liegende Sicherheitsbeurteilung nicht zutraf (dazu a),
- der Einsatz sächsischer Beamter auf bayerischem Territorium nicht als polizeiliche Tätigkeit zulässig war (dazu b) und
- die Bewachung des privaten Hauses des Ministerpräsidenten dem Schutz privater Rechte diente, der grundsätzlich nicht Aufgabe der Polizei ist (dazu c).

a)

Bereits aus der öffentlich gemachten Äußerung des früheren Innenministers Eggert ergibt sich, dass die Sicherheitsbeurteilung, die dem Einsatz der Polizeibeamten zugrunde lag, manipuliert war und letztlich nur der Erfüllung des Wunsches des Ministerpräsidenten diente, sein Haus von Polizisten bewacht und bewohnt zu sehen. Eggert wird, ohne die entsprechende Äußerung dementiert zu haben, von der Sächsischen Zeitung wie folgt zitiert:

SZ: Als Innenminister haben Sie 1992 die Verhandlungen mit Biedenkopf über die Bewachung am Chiemsee geführt. Was geschah damals?

Eggert: Ich erinnere mich an ein Gespräch, in dem Biedenkopf mir seine große Sorge mitteilte, wenn sein Ferienhaus das ganze Jahr über unbewacht bliebe, während er in Dresden arbeitet. Er hat sich dazu verpflichtet, unentgeltlich Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wenn die Polizei im Gegenzug 365 Tage im Jahr das Haus bewacht.

SZ: Kennen Sie Beispiele von Politikern, bei denen das Ferienhaus rund um die Uhr bewacht wird?

Eggert: Nein. Aber es wurde ein Sicherheits-Gutachten des Landeskriminalamtes erstellt, wonach ganzjährige Bewachung notwendig wurde.

Hieraus ergibt sich bei lebensnahem Verständnis der Äußerung, dass die Beteiligten nicht ernstlich annahmen, die Bewachung des Hauses durch Sicherheitsbeamte sei erforderlich.

b)

Der Einsatz war zudem auch deswegen rechtswidrig, weil er nicht durch die Vorschriften des Sächsischen Polizeigesetzes gedeckt war.

Zum einen deshalb, weil dieses Gesetz für in Bayern zu erfüllende Polizeiaufgaben nicht gilt. Ein Fall, in dem Sächsische Beamte auch außerhalb des Freistaates tätig werden dürfen (vgl. § 78 Abs. 1 S. 1 SächsPolG), lag nicht vor. Vielmehr hätte die Bayerische Polizei die Sicherung der Immobilie übernehmen müssen, wenn es polizeilich geboten gewesen wäre. Diesen Schritt ist man offensichtlich nicht gegangen. Es liegt die (für die strafrechtliche Beurteilung unerhebliche) Annahme nahe, dass Bayerische Beamte die Sicherheitslage auch nicht so eingestuft hätten, wie es dem Wunsch des Sächsischen Ministerpräsidenten entsprach.

c)

Zum anderen trägt das Sächsische Polizeigesetz auch deswegen den Einsatz nicht, weil die Polizei zum Schutz privater Rechte nur bei konkreter Gefährdung und in Ausnahmefällen tätig wird, die hier nicht vorliegen (§ 2 Abs. 2 SächsPolG). Die Beamten schützten das Eigentum des Ministerpräsidenten, nicht das des Freistaates. Leib und Leben des Ministerpräsidenten schützten sie allenfalls zu den wenigen Zeiten, in denen dieser, nicht selten begleitet von weiteren Personenschützern

(vgl. Bericht des Sächsischen Rechnungshofes vom 25. Mai 2001, S. 15: „Die An- und Abreise [des Personals für Dienstleistungen an den Chiemsee] erfolgte mit dem Dienst-KfZ der Sicherheitsbeamten.“),

sein Ferienhaus bewohnte. Wenn ernsthaft die Befürchtung bestand, in Abwesenheit des Ministerpräsidenten könnten Unbefugte das Haus betreten und dadurch Leib oder Leben des Ministerpräsidenten bei dessen Rückkehr gefährden, wäre ein Untersuchen des Hauses auf Spuren des Eindringens, ggf. auch auf Eindringlinge und deren Hinterlassenschaften angemessen gewesen. Die Vorstellung, den potentiellen Aufenthaltsort des Ministerpräsidenten zur Abwendung von Gefahren an Leib oder Leben zu bewachen, ist abwegig. Also diente der Einsatz der Beamten dem Schutz privater Rechte, nämlich des Eigentums, wie der Sprecher des Innenministeriums auch einräumen musste

(Süddeutsche Zeitung, 2.Juni 2001: “Auf die Frage, worauf dort denn aufgepasst werde, antwortet Thomas Uslaub, Sprecher des Innenministeriums: „Auf das Haus, also auf das Anwesen.“).

Das ist nicht Aufgabe der Sächsischen Polizei gewesen.

Aus diesem Grunde waren für einen solch zweckwidrigen Einsatz der Polizeikräfte auch keine Mittel durch den Sächsischen Haushaltsgesetzgeber bewilligt. Wenn im Staatshaushalt Mittel für Polizeiaufgaben bereitgestellt werden, dann dürfen diese auch nur dafür verwendet werden, nicht aber für die Bewachung eines privaten Eigenheims, mag dieses auch dem Ministerpräsidenten oder einem anderen Amtsträger gehören.

3.

Eine konkrete Tathandlung liegt auf Seiten des Ministerpräsidenten im Äußern des Wunsches nach Bewachung und deren Entgegennahme, auf Seiten des Innenministers in der Anordnung einer entsprechenden Sicherheitseinschätzung und deren Umsetzung.

4.
Durch die Zweckentfremdung ist dem Freistaat ein Vermögensnachteil entstanden, weil sämtliche Ausgaben für zwei Polizeibeamte nicht zweckgerecht aufgewendet wurden und der Zweck der polizeilichen Aufgabenerfüllung durch diese Beamten nicht erreicht wurde. Es handelt sich hierbei um einen Fall der sog. Haushaltsuntreue (vgl. BGHSt 43, 293, 297f.).

Es ist nicht erforderlich, den Nachteil bereits jetzt exakt zu beziffern. Ich weise jedoch darauf hin, dass die Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über Benutzungs-gebühren und Auslagen für wirtschaftliche Leistungen der Polizei des Freistaates Sachsen (PolGebVO) vom 8. April 1997, SächsGVBl. S. 388, geändert durch Verordnung vom 15. Oktober 1998, SächsGVBl. S. 602, in Anlage 1 Pauschsätze vorsieht, die den privaten Nutzern polizeilicher Einsätze in Rechnung gestellt werden. Danach sind pro Mannstunde eines Beamten im Mittleren Dienst 55 DM anzusetzen. Das ergibt bei 24 Mannstunden täglich, 365 Tagen und zehnjähriger Bewachung einen Schaden von 4.818.000,00 DM, bei Zugrundelegung des Pauschsatzes für Beamte des Gehobenen Dienstes (74 DM) einen Schaden von 6.482.400 DM. Diese Überlegungen sollen keine exakte Schadensberechnung darstellen, sondern die Größenordnung des möglichen Schadens umschreiben.

Im Bericht des Sächsischen Rechnungshofes vom 25. Mai 2001 ist die dauerhafte Bewachung des privaten Wohnhauses des Ministerpräsidenten nicht behandelt. Offenbar lag dem Sächsischen Rechnungshof der erst später in der Presse bekannt gewordene Sachverhalt nicht vor. Die Ausführungen des Rechnungshofes auf S. 34 seines Berichtes sind so zu verstehen, dass der Rechnungshof offenbar davon ausging, die Einliegerwohnung im Haus des Ministerpräsidenten werde vom Sicherheitspersonal nur genutzt, wenn der Ministerpräsident anwesend ist.

5.

Von vorsätzlichem Handeln der Beteiligten ist jedenfalls für die Frage der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auszugehen. Es liegt außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass die Beteiligten ihr Verhalten ernstlich für rechtmäßig gehalten haben. Es handelt sich nicht um Pflichtwidrigkeiten im Bereich von Grauzonen oder bloßen Nachlässigkeiten. Der Verstoß gegen die einschlägigen Regelungen ist so eklatant, dass eine Rechtmäßigkeit offensichtlich nicht in Betracht kommt. Das ergibt sich auch aus der bereits zitierten Einlassung des früheren Innenministers Eggert. Danach waren den Beteiligten alle tatsächlichen Umstände bekannt, die den Einsatz der Polizisten als schwerwiegenden Missbrauch öffentlicher Mittel erscheinen ließen. Es liegt fern, dass die Beteiligten nicht auch die Pflichtwidrigkeit ihres Handelns erkannt haben.

6.

Inwieweit aufgrund nachmaliger Befassung auch der Verdacht gegen den jetzigen Innenminister besteht, überlasse ich der pflichtgemäßen Prüfung der Staatsanwaltschaft. Ebenso stelle ich anheim, die Verantwortung der haushaltsrechtlich verantwortlichen Personen zu überprüfen, an der Spitze den früheren Staatsminister der Finanzen.

7.

Es liegt nahe, dass die Polizeibeamten neben ihrer bewachenden Tätigkeit auch sonstige Dienstleistungen erbracht haben, wie z.B. Gartenarbeit. Inwieweit der Ministerpräsident in seinen Steuererklärungen dazu zutreffende Angaben gemacht hat, entzieht sich meiner Kenntnis.



Karl Nolle, Mitglied des Sächsischen Landtages,
stellvertretendes Mitglied im Haushalts- und Finanzausschuss



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31.05.2001
Sächsische Zeitung

Von Miete war nie die Rede
Eggert hält Rücktritt weiterhin für möglich



DRESDEN. Interview mit Heinz Eggert

SZ: Als Innenminister haben Sie 1992 die Verhandlungen mit Biedenkopf über die Bewachung am Chiemsee geführt. Was geschah damals?

Eggert: Ich erinnere mich an ein Gespräch, in dem Biedenkopf mir seine große Sorge mitteilte, wenn sein Ferienhaus das ganze Jahr über unbewacht bliebe, während er in Dresden arbeitet. Er hat sich dazu verpflichtet, unentgeltlich Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wenn die Polizei im Gegenzug 365 Tage im Jahr das Haus bewacht.

SZ: Kennen Sie Beispiele von Politikern, bei denen das Ferienhaus rund um die Uhr bewacht wird?

Eggert: Nein. Aber es wurde ein Sicherheits-Gutachten des Landeskriminalamtes erstellt, wonach ganzjährige Bewachung notwendig wurde.

SZ: War jemals davon die Rede, dass der Freistaat Miete für die Einliegerwohnung bezahlen muss?

Eggert: Nein.

SZ: Was sagen Sie zur Berechnung des Finanzministers?

Eggert: Es ist ein verwirrendes Zahlenwerk, das ich noch nicht durchschauen kann. Deshalb ist es für mich wichtig, welche Haltung der Rechnungshof dazu einnimmt und ob beide die Zahlen gleichermaßen vertreten können. Man darf Biedenkopf auch nicht für die Schlampereien der Staatskanzlei zahlen lassen.

SZ: Sie haben gesagt, Biedenkopf muss zurücktreten, wenn sich die Vorwürfe bestätigen?

Eggert: Dieser Meinung bin ich immer noch. Aber ich will mich erst endgültig dazu äußern, wenn sich auch der Haushalts- und Finanzauschuss des Landtages abschließend eine Meinung gebildet hat. Von Bedeutung ist, ob Biedenkopf wissentlich und billigend Staatsleistungen in Anspruch genommen hat, die ihm und seiner Frau nicht zustehen.
(Das Gespräch führte Christian Striefler)



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02.06.2001
Süddeutsche Zeitung

Mehr Eigentor als kluger Schachzug



Mietforderung führt zur Frage, warum Biedenkopfs Haus am Chiemsee rund um die Uhr bewacht wird Wochenlang ist in Dresden um die Höhe der Nachzahlungen gerungen worden, die Ministerpräsident Kurt Biedenkopf für die private Nutzung staatlicher Serviceleistungen entrichten soll. Als sein Finanzminister Thomas de Maizière am vergangenen Mittwoch konkrete Zahlen präsentierte, überraschte eine Forderung des Regierungschefs selbst die eigene Partei. Biedenkopf wollte zwar maximal 120000 Mark nachzahlen, verlangte aber, dass auch eine Gegenrechnung aufgemacht wird. Rund 110000 Mark wollte er seinerseits vom Land haben. Schließlich lasse er seit dem 1. Januar 1991 in einer Einliegerwohnung in seinem Haus Westerbuchberg in Übersee am Chiemsee den „Personenschutz“ wohnen, der dort eine „hoheitliche Aufgabe“ erfülle. So lautete die Erklärung des Finanzministeriums.

„Das Ding geht nach hinten los“

Die Regierung hatte die Forderung kaum bekannt gemacht, da regte sich heftiger Unmut im eigenen Lager. So warnte der frühere Innenminister und heutige stellvertretende Parteivorsitzende der CDU Sachsens, Heinz Eggert, bei der Vorstellung der Biedenkopf-Wünsche im CDU-Arbeitskreis Finanzen: „Das Ding geht nach hinten los!“ Nicht nur Eggert spürte, dass Biedenkopf – wie schon mehrfach zuvor in dieser Affäre – durch einen vermeintlich klugen Schachzug selbst neue Zweifel auslöste. Denn nun richtet sich das Interesse einer kritisch gewordenen Öffentlichkeit auf das Wachpersonal am Chiemsee – und auf die Frage nach dessen wirklichen Aufgaben.

Es handelt sich dabei tatsächlich nicht, wie es in der Erklärung des Finanzministeriums hieß, um Personenschutz. Vielmehr bewacht der Objektschutz der sächsischen Polizei das ganze Jahr über, rund um die Uhr, das Anwesen der Biedenkopfs – auch wenn der Regent und seine Frau Ingrid in Dresden weilen. In der sächsischen CDU sprechen manche spottend von den „Hausmeistern am Chiemsee“.

Auf die Frage, worauf dort denn aufgepasst werde, antwortet Thomas Uslaub, Sprecher des Innenministeriums: „Auf das Haus, also auf das Anwesen.“ Über Kosten und die Zahl der eingesetzten Beamten dürfe er keine Angaben machen. Es gebe aber eine entsprechende Gefährdungsanalyse. Ein Gutachten, das diese Gefährdungsanalyse begründete, kam allerdings nach Auskunft des seinerzeitigen Innenministers Heinz Eggert erst auf Initiative von Biedenkopf selbst zustande. Der sei an der Bewachung seines Anwesens interessiert gewesen. Womit die Gefahr für das Haus begründet sein soll, ist „aus Sicherheitsgründen“ nicht zu erfahren. Eggert ließ jetzt aber keinen Zweifel daran, dass ihm selbst diese Bewachung des Sommersitzes des Regierungschefs außergewöhnlich erscheint. Seinerzeit habe Biedenkopf sich zudem „dazu verpflichtet, unentgeltlich Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wenn die Polizei im Gegenzug 365 Tage im Jahr das Haus bewacht“, erklärt Eggert. Von einer Miete für die Einliegerwohnung sei nie die Rede gewesen.

Biedenkopf will nach den Protesten nun darauf verzichten, die Forderungen geltend zu machen. Aber seine Staatskanzlei hat in seinem Auftrag bereits einen vereidigten Sachverständigen mit der Ermittlung des Mietwertes der Einliegerwohnung beauftragt.

Die Affäre um Biedenkopfs Sonderstatus findet nicht nur wegen neuer Fragen nach der Notwendigkeit des Wachpersonals kein Ende. Die Opposition und auch der unabhängige sächsische Rechnungshof (siehe Interview) halten die vom Finanzminister empfohlenen Regelungen nicht für akzeptabel. Die Opposition wittert neue Tricks. So wurde der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass sich Biedenkopfs Kaltmiete für seine Wohnung im Gästehaus der Landesregierung von bisher 8,15 Mark pro Quadratmeter auf künftig 12,23 Mark erhöhe. Dieser Betrag liegt knapp unter dem für die Villenlage angemessenen Quadratmeterpreis von 13 Mark – einem Preis, den Gutachter im Auftrag der Staatskanzlei empfohlen hatten. Tatsächlich wurde Biedenkopfs Grundmiete von 8, 15 Mark aber gar nicht erhöht. Der Anstieg der Gesamtmiete kommt vielmehr vor allem dadurch zustande, dass den Biedenkopfs anders als bisher auch die Nutzung der Gemeinschaftseinrichtungen berechnet wird. Dies hatte der Landesrechnungshof zusätzlich gefordert.

Unwirtschaftliches Gästehaus

Zur Wirtschaftlichkeit des ganzen Gästehauses in der Schevenstraße liegt mittlerweile ein Gutachten vor. In dem Komplex übernachten in Apartments derzeit auch ein Minister und ein Staatssekretär. Auch das „Büro Ingrid Biedenkopf“, das mit Hilfe von staatlich bezahlten Kräften Briefe an die Frau des Ministerpräsidenten beantwortet, ist auf dem Gelände untergebracht. Dem Gutachten zufolge bestehen offenbar Zweifel, ob es überhaupt wirtschaftlich ist, das Gästehaus auch nur für jene zwei bis drei Jahre weiter zu betreiben, die Biedenkopf noch in Sachsen bleiben will. Ein neuer Ministerpräsident werde kaum in die Schevenstraße einziehen, hat Regierungssprecher Michael Sagurna bereits erklärt.

Biedenkopf selbst hat bereits erwogen, die Schevenstraße schon jetzt aufzugeben. Diese Überlegung habe man aber fallen lassen, erklärte er Mitte Mai – mit Blick auf neue Kosten für die Sicherheit und die Einrichtung, die bei einem Umzug anfallen würden.
(Von Jens Schneider)