Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 12.05.2001

Neue Vorwürfe gegen Biedenkopf

Sachsens Regierungschef nahm offenbar Einfluss auf Miete
 
DRESDEN. In der Affäre um den Wohnsitz des sächsischen Ministerpräsidenten sind neue Vorwürfe gegen Kurt Biedenkopf (CDU) erhoben worden. Biedenkopf soll - entgegen bisheriger Darstellung - doch genau über Einzelheiten des Mietvertrags für seine Dienstwohnung informiert gewesen sein. Nach einem Bericht der Sächsischen Zeitung hat der Regierungschef höchstwahrscheinlich auf die Höhe der Betriebskosten und eine Minderung der zu Grunde liegenden Quadratmeterzahl Einfluss genommen.

Noch am Dienstag hatte Biedenkopf ausdrücklich erklärt, dass er die betreffenden Entscheidungen immer anderen „überlassen und auch keinen Einfluss genommen" habe. Regierungssprecher Michael Sagurna räumte jetzt ein, es sei nicht auszuschließen, dass Biedenkopf in dieser Sache telefoniert habe. Für Fehler bei der Gestaltung seines Mietvertrags hatte Biedenkopf vor allem den früheren Finanzminister Georg Milbradt verantwortlich gemacht. Milbradt habe ihm 1997 schriftlich erklärt, dass alle seine Dienstwohnung betreffenden Fragen geklärt seien. Biedenkopf zahlt für seine Wohnung im Gästehaus der sächsischen Landesregierung lediglich zwölf Mark Warmmiete pro Quadratmeter. Damit sollen auch die Leistungen des sechsköpfigen Personals (unter anderen ein Koch und Haushaltshilfen) abgegolten sein. Die entsprechenden Verträge seien 1997 vom Finanzministerium unter Führung Milbradts geregelt worden, hatte Biedenkopf erklärt. Der frühere Finanzminister hat dieser Darstellung entschieden widersprochen. Sein Haus habe sich allein um die Liegenschaften gekümmert, nicht aber um die Serviceleistungen. Dies ließe sich auch durch entsprechende Schreiben aus jener Zeit belegen, sagte er vor der CDU-Fraktion.

Milbradts Darstellung wird nun offenbar durch einen Brief eines früheren Staatssekretärs gestützt, der auszugsweise bekannt geworden ist. Regierungssprecher Sagurna hat dagegen erneut dem Finanzministerium die Verantwortung zugewiesen. Es habe seinerzeit offenbar „dramatische Kommunikationsprobleme" innerhalb des Ministeriums gegeben, sagte er. Mit der Affäre um Biedenkopfs Wohnsitz wird sich der sächsische Landtag am kommenden Mittwoch in einer Sondersitzung befassen.
(Jens Schneider)