Karl Nolle, MdL
LVZ, 12.05.2001
"Diva" Berghofer tritt in Dresden nicht als OBM an
Absage nach monatelangem Rätselraten
DRESDEN. Ein Jahr lang durfte Dresden Rätselraten. Seit gestern ist das Spiel vorbei: Wolfgang Berghofer tritt nicht zur OBM-Wahl am 10. Juni in der Landeshauptstadt an. Dies verkündete das letzte SED-Stadtoberhaupt Dresdens gestern auf einer konspirativ einberufenen Pressekonferenz. Der 57-jährige Unternehmensberater, der heute in Berlin lebt und arbeitet, begründete seine Absage damit, dass ihn die PDS im Wahlkampf hätte unterstützen wollen. Dies hätte nicht zusammengepasst, sagte Berghofer. „Ich bin kein linker Kandidat."
Seit Monaten war die Debatte um den Dresdner Kommunalwahlkampf von dem virtuellen Kandidaten Berghofer überschattet worden. Er dominierte die Schlagzeilen und bekam ein bundesweites Medienecho, ohne dass er sich je konkret für oder gegen eine Kandidatur entschieden hatte. Schließlich drängte die Zeit: Am Montag hätte er spätestens die Bewerbung im Rathaus einreichen müssen. Dresden wäre die erste ostdeutsche Großstadt gewesen, in der seit der deutschen Einheit wieder ein früherer SED-Oberbürgermeister und verurteilter Wahlfälscher auf seinen alten Chefposten zurückgekehrt wäre.
Zu Beginn seines Presseauftritts herrschte noch ein wenig Hollywood: Berghofer stieg um 12 Uhr die Treppen des Veranstaltungssaales im 15. Stock des World Trade Centers hinauf, trat auf den Rundumbalkon des Hochhauses, posierte vor der Stadtkulisse, lächelte in die Objektive - wie einer, der es wissen will. „Politik ist ein Schaugeschäft", sagt Berghofes Seit März habe er alle Vorbereitungen für den Wahlkampf getroffen. Werbestrategie. Drehbuch, Finanzplan, Wahlkampfteam, Bestandsanalysen und ein inhaltliches Programm. Berghofer: „Alles war vorbereitet. Es hätte losgehen können. Und ich hätte es gerne gemacht." Schon zuvor hatte er einen Internetauftritt verkündet, seine Biografie mit dem Titel .,Meine Dresdner Jahre" angekündigt und Werbeplakate aufhängen lassen.
Den Ausschlag gegen die Kandidatur habe Ende April die Entscheidung der PDS gegeben, ihn zu unterstützen, wenn er antritt. Ein Mann seiner Biografie, der auf dem Schild der PDS ins Rathaus einzieht, wäre ein falsches Signal für Dresden gewesen, räumte Berghofer ein. Er sah sogar Gefahren für den Solidarpakt II. "Im Westen wäre es so angekommen: Erst pumpt man Milliarden in den Osten und dann wählen die die roten Socken." Ein Mandat der PDS hätte zugleich seine Wahlchancen verringert. Und im Falle eines Erfolges hätte es der Parteilose im Dresdner Rathaus nicht leicht gehabt, gegen eine CDU/FDP-Mehrheit zu regieren. Aus diesen Gründen habe er sich immer darum bemüht, ein unabhängiger Bewerber zu sein, der von einer breiten Bürgerschaft getragen wird. Seine Chancen dafür standen laut einigen Umfragen ziemlich gut.
Die PDS konterte indes die Vorwürfe. .“Berghofer war nicht unser Kandidat. Es gab keinen. Unterstützungsbeschluss", wies Christine Ostrowski, die graue Eminenz der Dresdner PDS, seine Darstellung zurück. Zunächst habe man sein Wahlprogramm abwarten und dann entscheiden wollen. "Berghofer benimmt sich wie ein Diva. Man kann sich nicht auf ihn verlassen". schimpfte Frau Ostrowski. „Am Ende hat wohl nur die Feigheit gesiegt." In der Landeshauptstadt wird es nun auf einen Zweikampf zwischen Amtsinhaber Herbert Wagner (CDU) und dem Liberalen Ingolf Roßberg hinauslaufen. Berghofer indes will sich weiter in Sachsen umtreiben - unternehmerisch und politisch. „Bald ist ja wieder Landtagswahl", orakelte er rätselhaft.
(Sven Heitkamp)