Karl Nolle, MdL
Steidl Verlag Göttingen 1974/2000, 01.01.2000
DOKUMENTATION: Über Freunde und Förderer von Kurt Biedenkopf
Bert Engelmann, Schwarzbuch Kohl und " GROSSES Bundesverdienstkreuz"
Aktuelle Literatur-Empfehlung
* Quellen:
Bert Engelmann, Schwarzbuch Kohl, Wie alles begann, Steidl Verlag Göttingen 1994/2000 und vom gleichen Autor, "GROSSES Bundesverdienstkreuz", Steidl 1974/2000,
Berliner Zeitung, 8.11.1999, Seite 5, "Gesundes, gutes Material" Kinder als Zwangsarbeiter für die Buna-Werke, Kurt Biedenkopfs Vater war technischer Leiter
(am Schluß dieser Dokumentation)
Auszüge aus:
Schwarzbuch Kohl
(Über Freunde und Förderer von Kurt Biedenkopf)
(Seitenzahlen aus dem Taschenbuch)
...der Mainzer CDU-Fraktion war von Anfang an groß, und andererseits steigerte der reiche Industrielle das Ansehen des jüngsten Abgeordneten, indem er diesen mitnahm auf eine Afrikareise, wie sie sich damals, Anfang der sechziger Jahre, ein noch unbekannter Provinzpolitiker kaum zu erträumen wagte. Frau Hannelore durfte derweilen mit der Gattin des Industriellen Ferien im schweizerischen Zermatt machen, wo den Damen ein luxuriöses Chalet zur Verfügung stand. Die Traumreise, auf die Kohl damals von seinem noblen Gönner mitgenommen wurde, ging ins Königreich Marokko, dessen Honorarkonsul für Rheinland-Pfalz sein väterlicher Freund geworden war, und sie wurde für Helmut Kohl zu einem Erlebnis wie aus Tausendundeiner Nacht. Übrigens, es sei hier nur am Rand vermerkt, weil es das harte Urteil vieler anderer, politischer Freunde wie Gegner, über den jungen Politiker Kohl bestätigt: Auch der ihm so wohlwollende Industrielle rügte, gerade im Anschluß an diese Marokkoreise, die miserablen Umgangsformen seines Schützlings. Wie schon gelegentlich zuvor und noch oftmals später, als Kohl schon längst Ministerpräsident in Mainz geworden war, bedauerte der Herr Konsul, wenngleich nur im engeren Familien- und Freundeskreis, das »ungehobelte Benehmen« Kohls und sein »schrecklich rücksichts- und taktloses Auftreten«. Der engste Freund des Herrn Konsuls, dem er davon erzählte, lachte indessen nur und sagte - wie er später dem Autor selbst erzählte -: »Laß man, Fritz, wenn er werden soll, was wir uns ausgedacht haben, kann er gar nicht rücksichtslos genug sein!«
Übrigens, der bislang verschwiegene Name des Kohl-Entdeckers und langjährigen -Gönners war Dr. Fritz Ries, damaliger Chef und Großaktionär des »Pegulan«-Konzerns mit Hauptsitz in Frankenthal. Dessen alter Freund, einstiger Kommilitone und »Leibfuchs« bei der Heidelberger schlagenden Verbindung »Suevia« und späterer stellvertretender Vorsitzender des »Pegulan«-Aufsichtsrats aber hieß Dr. Hanns Martin Schleyer, war bereits der Vertrauensmann des Daimler-Großaktionärs Friedrich Flick in der Untertürkheimer Konzernzentrale und bald auch stellvertretender Vorsitzender von »Gesamtmetall« sowie Vizepräsident der Arbeitgebervereinigung.
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Er sollte noch höher aufsteigen, ehe er im Herbst 1977 von Terroristen entführt und ermordet wurde, doch in unserem Zusammenhang ist, zunächst nur von Bedeutung, daß es Dr. Ries und Dr. Schleyer waren, die den Jungpolitiker Helmut Kohl »vormerkten« für zukünftige Jahre, wenn eine »Bundesregierung nach Maß« und nach dem Herzen der großen Konzerne aufzustellen sein würde.
Wir werden auf Dr. Fritz Ries und Dr. Banns Martin Schleyer noch einmal zurückkommen, doch hier sei über Ries nur noch angemerkt, daß es für den »Pegulan<~-Konzern und dessen Produkte, vor allem Fußbodenbeläge aus Kunststoff, 1975 eine Absatzkrise gab. Nur durch eine Landesbürgschaft in Millionenhöhe konnten die Banken bewogen werden, dem Unternehmen noch einmal über die Runden zu helfen. Das Fachblatt »Wirtschaftswoche« meldete dazu am 5. März 1976:
»Tatsächlich müssen die Finanzkalamitäten bei Ries und den Pegulan-Werken noch gravierender sein, als in der WiWo vom 23. Januar 1976 dargestellt. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Johann Wilhelm Gaddum mußte dem SPD-Abgeordneten Rainer Rund auf eine Anfrage zur Pegulan-Krise denn auch eingestehen: >Landesbürgschaften werden nur dann gewährt, wenn die Sicherheiten im Sinne der Beleihungsgrundsätze der Kreditinstitute nicht ausreichen.< Im Klartext heißt das: Pegulan hätte ohne die Bürgschaft des Landes keinen Kredit mehr bekommen. Ob indes diese Landeshilfe allein wegen der gefährdeten Arbeitsplätze zugesagt wurde oder ob der CDU-Kanzlerkandidat und Rheinland-Pfalz-Chef Kahl zusätzlich ein gutes Wort für Ries einlegte, bleibt offen.«
Offen bleibt auch, ob der sowohl von der seriösen »Wirtschaftswoche« als auch vom exklusiven »Manager-Magazin« verbreitete angebliche Ries-Ausspruch über Kohl -»Auch wenn ich ihn nachts um drei anrufe, muß er springen!« - korrekt wiedergegeben worden ist. Immerhin bezeichneter Ries Tochter Monika und deren Ehemann, Rechtsanwalt Herbert Krall, dieses Zitat als »durchaus der Riesschen Auffassung€; von Kohl entsprechend«.
Mit Gewißheit läßt sich nur sagen, daß das damals von Helmut Kohl geführte Land Rheinland-Pfalz den Konzern des Dr.
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Ries durch Übernahme von Bürgschaften in Millionenhöhe lange vor dem Zusammenbruch bewahrt hat. Dabei hat möglicherweise der Umstand eine Rolle gespielt, daß dein Ries-Konzern schon zuvor bedeutende Landesmittel zuteil geworden waren, deren Gesamthöhe von Fachleuten auf zig Millionen DM veranschlagt wurde.
Ebenfalls durch Kohl zuteil geworden war Dr. Fritz Ries im Februar 1972 der Stern zum Großen Bundesverdienstkreuz, eine ungewöhnliche Ehrung für einen Mann, dessen »unternehmerische Leistung und Engagement für die Gesellschaft«, wie es in der Verleihungsurkunde hieß, wahrlich nicht unumstritten waren. Denn Fritz Ries, Kohls »Weichensteller«, von ihm auch manchmal als »der gute Mensch von Frankenthal« bezeichnet, hatte eine recht dunkle unternehmerische Vergangenheit: Der am 4. Februar 1907 in Saarbrücken geborene Fritz Ries, Sohn des Inhabers einer Möbelhandlung, hatte nach dem Abitur ein Jurastudium begonnen, erst in Köln, dann in Heidelberg, wo er - wie schon kurz erwähnt - den acht Jahre jüngeren Korpsstudenten Hanns Martin Schleyer als »Leibfuchs« unter seine Fittiche nahm.
Schleyer, es sei hier nur am Rande angemerkt, war als Sohn eines Landgerichtsdirektors in Offenburg/Baden 1915 geboren worden und bereits als Schüler 1931 der Hitlerjugend beigetreten, 1933 in die SS aufgenommen worden (Mitgliedsnummer 227014) und galt mit 19 Jahren schon als »Alter Kämpfer«, der von 1934 an die Universität Heidelberg in eine »Forschungs- und Erziehungsanstalt nationalsozialistischer Prägung« zu verwandeln sich bemühte. Er leitete dort, später auch in Innsbruck, dann in Prag, das sogenannte »Studentenwerk«, aus dessen SS-Mannschaftshäusern der Sicherheitsdienst (SD) der Nazis seinen Nachwuchs rekrutierte. Von 1939 an stand der SS-Führer Dr. Schleyer im neuen »Protektorat Böhmen und Mähren« an der Spitze der gesamten SS-»Hochschularbeit«; ihm unterstanden rund 160 Angestellte, und sein Jahresetat betrug rund zehn Millionen Reichsmark.
Von 1939 an war SS-Hauptsturmführer Dr. Schleyer einem Mann direkt unterstellt, der als Chef des »Reichssicherheitshauptamtes« an der Spitze des SD, der Gestapo und der gesamten Polizei stand: SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich. Im
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September 1941 wurde Heydrich unter Beibehaltung seiner Machtstellung im Reich auch noch Stellvertreter des Reichsprotektors von Böhmen und Mähren und damit der eigentliche Herrscher in der Tschechoslowakei, Dr. Schleyer seine rechte Hand und Kontrolleur der tschechoslowakischen Industrie bis zum letzten Tag der deutschen Besatzung. Erst am B. Mai 1945 schlug er sich mit den letzten SS-Verbänden unter Mitnahme von Geiseln, tschechischen Frauen und Kindern, zu den schon kurz vor Prag stehenden Amerikanern durch und wurde von diesen interniert und einige Jahre lang gefangengehalten.
Doch zurück zu Fritz Ries, der sich beim Heidelberger Korps »Suevia« bei Mensuren jene »Schmisse« genannten Fechtnarben holte, die für eine Karriere damals sehr förderlich waren. Unmittelbar vor dem Verbot der korpsstudentischen Mensuren forderte Ries noch einen Kommilitonen, der seine Ehre verletzt hatte, auf Pistolen, wobei ihm sein »Leibfuchs« Schleyer - wie dieser sich erinnerte und dem Autor lachend erzählte - die Waffe zum Kampfplatz trug.
Schon kurz darauf beendete Fritz Ries sein Studium als Dr. jur. und begann sogleich - im Herbst 1934 - seine Unternehmerkarriere, nachdem er im Jahr zuvor der Nazipartei beigetreten war und die Tochter des wohlhabenden Rheydter Zahnarztes Dr. Heinemann geheiratet hatte. Mit schwiegerväterlichem Geld entfaltete er - wie er selbst in einem Schreiben an eine hohe Nazi-Parteistelle ohne falsche Bescheidenheit anführte »eine außerordentliche unternehmerische Aktivität«. Er hatte eine Leipziger Gummiwarenfabrik, Flügel & Polter, erworben und diesen 120-Mann-Betrieb in wenigen Jahren zu einem mittleren Konzern ausgebaut - fast ausschließlich mit Hilfe sogenannter »Arisierungen«.
Durch die judenfeindliche Politik der Nazis waren die früheren Eigentümer gezwungen, ihre Unternehmen weit unter dem tatsächlichen Wert und zu demütigenden Bedingungen an »Arier« wie Dr. Ries zu verkaufen. Anzumerken ist, daß Dr. Ries innerhalb kürzester Zeit zum branchenbeherrschenden Präservativ-Hersteller des »Großdeutschen Reiches« aufrückte und für seine rüde, auch im »angeschlossenen« Österreich
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praktizierte »Arisierungs«politik starke Rückendeckung durch die Nazi-Partei erhielt.
Vom Herbst 1939 an, also gleich nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, wurde der Ries-Konzern »auf den Kriegsbedarf der Wehrmacht umgestellt und stark erweitert«. Die Beschäftigtenzahl hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt verzehnfacht, der Umsatz war auf mehr als das Zwanzigfache gestiegen, und bald erreichten die Umsätze und Gewinne geradezu schwindelnde Höhen. Denn von 1941 an konnte Dr. Ries seinen Gummikonzern auf die eroberten polnischen Gebiete ausdehnen, immer neue Betriebe »übernehmen«, dabei unterstützt von einem eigens für solche Aufgaben engagierten SS-Standartenführer im Sicherheitsdienst (SD), Herbert Packebusch.
Packebusch, nach dem die Staatsanwaltschaft Kiel wegen dringenden Verdachts des Mordes in zahlreichen Fällen noch Jahrzehnte nach Kriegsende vergeblich fahndete, half Dr. Ries auch bei der Beschaffung von Arbeitskräften. So arbeiteten allein in einem der Ries-Betriebe im eroberten Polen, den »Oberschlesischen Gummiwerken« in Trzebinia (Westgalizien), laut einer »Gefolgschaftsübersicht« vom 30. Juni 1942, insgesamt 2 653 jüdische Zwangsarbeiter, davon 2160 Frauen und Mädchen. Vornehmlich mit deren Hilfe, sprich: aufgrund rücksichtsloser Ausbeutung, stieg der Umsatz in Trzebinia von 101861 RM im Dezember 1941 auf 1300 619 RM im April 1942, also binnen vier Monaten auf mehr als das Zwölffache!
Die erhalten gebliebenen Berichte des deutschen Aufsichtspersonals geben Einblick in die im Ries-Werk Trzebinia damals herrschenden schrecklichen Zustände, zeigen die rigorose Ausbeutung und die täglichen Mißhandlungen der für Dr. Ries schuftenden Frauen und Mädchen.
So erging folgende Anordnung: »Wir haben den Arbeitskräften . . . erklärt, daß die Arbeitsleistung in den nächsten Tagen wesentlich gesteigert werden muß, da wir sonst annehmen, daß die Arbeit sabotiert wird«; was nach Lage der Dinge eine klare Morddrohung war, denn nachlassende Leistung oder gar Sabotage wurde mit sofortiger »Umsiedlung« in das knapp 20 Kilometer entfernte KZ Auschwitz geahndet, wo »Arbeitsunfähige« sofort vergast wurden.
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Da die deutschen Behörden aber bereits damit begannen, alle Juden der Gegend, ohne Rücksicht auf ihren Wert als Arbeitskräfte der »Oberschlesischen Gummiwerke« des Dr. Ries, nach Auschwitz zu schaffen, beschloß dieser »Vollblutunternehmer«, aus der Not eine Tugend zu machen, zumindest für sich selbst. Weil am Ende sicherlich auch diese letzten Fachkräfte »umgesiedelt« werden würden - zwecks späterer Ermordung, wie alle Beteiligten wußten -, galt es Vorsorge für seinen Konzern zu treffen. Da hatte nun ein trefflicher Ries-Mitarbeiter die Idee, die nach Auschwitz »umgesiedelten« und dort auf ihren Tod wartenden Juden nicht unproduktiv im KZ herumsitzen zu lassen, sondern ihre Wartezeit mit nutzbringender Arbeit für den Ries-Konzern auszufüllen.
Und so geschah es: Im Lager Auschwitz wurde eine »Großnebenstelle« errichtet. »Es stehen in Kürze etwa 3 000 bis 5 000 weibliche Arbeitskräfte zur Verfügung«, heißt ~-,s in der Meldung vom 10. Juli 1942. Die erforderlichen Näh- und sonstigen Maschinen aus dem Besitz schon ermordeter jüdischer Handwerker kaufte der Ries-Konzern der SS billig ab, und fortan brauchte sich Dr. Ries, der in einer schönen, eigens für ihn »beschlagnahmten« Villa in Trzebinia wohnte, um die »Arbeitsmoral« seiner Belegschaft nicht mehr zu sorgen. Darum kümmerte sich die SS, und die »Oberschlesischen Gummiwerke« lieferten nur das zu verarbeitende Material und holten die fertige Ware im KZ ab, um sie mit sattem Gewinn an die Wehrmacht und andere Abnehmer zu verkaufen.
Wie in Ostoberschlesien und Galizien, so hatte Dr. Ries noch einige weitere Produktionsstätten im annektierten Polen in Konzernbesitz gebracht, unter anderen einen Großbetrieb in Lodz, das die Deutschen in »Litzmannstadt« umgetauft hatten.
Natürlich arbeiteten auch die »Gummiwerke Wartheland«, wie Dr. Ries seine Lodzer Erwerbung nannte, erst mit jüdischen, dann mit polnischen Zwangsarbeitern; nur die Aufseher und das Wachpersonal erhielten reguläre Bezahlung.
Nebenbei bemerkt, auch die deutschen »Gefolgschaftsmitglieder« wurden bespitzelt und »vertraulich« gemeldet, etwa wenn sie den katholischen Gottesdienst besucht hatten. Und
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schließlich ging die Brutalität im Ries-Konzern so weit, daß die polnischen Arbeitskräfte, zumeist junge Frauen und Mädchen, nicht nur nach beendeter Schicht in einem Barackenlager unter Aufsicht gestellt, sondern auch während der Arbeitszeit im Saal eingeschlossen und nach Schluß der Arbeit durchsucht wurden. Verantwortlich für diese und andere »energische« Maßnahmen war ein von Dr. Ries im zweiten Halbjahr 1944 eingestellter neuer Direktor, der am 30. Oktober 1944 auch schriftlich anordnete, daß jeder »Mitarbeiter«, der mehr als einmal an seinem Arbeitsplatz unentschuldigt fehlte, zur »außerbetrieblichen Bestrafung« - durch die Gestapo - zu bringen sei.
Zu dieser Zeit war die »Verlagerung« - das heißt: der Abtransport nach Westen von allem, was nicht niet- und nagelfest war bereits in vollem Gange, und der neue Direktor erwarb sich bei der Rettung des Ries-Besitzes vor der anrückenden Roten Armee »durch Umsicht, Schneidigkeit und Härte«, wie Dr. Ries ihm bescheinigte, große Verdienste.
Der Name dieses neuen Direktors, der ein »Alter Kämpfer« der Nazipartei und zuletzt Leiter einer Dienststelle im schon geräumten Krakau gewesen war, soll hier nicht verschwiegen werden: Es handelte sich um Artur Missbach, einen späteren CDU-Bundestagsabgeordneten, der als solcher vor allem dadurch von sich reden machte, daß er Ende der sechziger Jahre auf amtlichem Papier des Bundestags Werbebriefe für die Investment-Schwindelfirma IOS verschickte. Mit dem Bundesadler im Briefkopf pries MdB Missbach damals die IOS-Zertifikate als »die derzeit beste und sicherste Anlage mit der höchsten Rendite« an, und gleichzeitig verkaufte er - unter dem Decknamen »Sebastian Bach« - für mindestens drei Millionen Dollar IOS-Anteile an deutsche Sparer, die den - wegen Steuerhinterziehung landesflüchtigen - »Sebastian Bach« dann ebenso verfluchten wie ihre wertlos gewordenen Papiere.
Doch zurück zu Dr. Ries, dem mit seinem Direktor Missbach sehr zufriedenen Konzernchef, der im Winter 1944/45 seine riesige Beute aus Polen mit Lastwagen-Konvois und Güterzügen weit nach Westen »verlagerte«; und was die Bargeldbestände des Konzerns betraf, so erinnerte sich Ries-Tochter Monika - der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart im
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Prozeß um das Buch »Großes Bundesverdienstkreuz« als Zeugin benannt - deutlich daran, wie sich ihr Vater im Familienkreis am abendlichen Kaminfeuer häufig mit Stolz dazu bekannt hat, anno 1945 »Riesensummen persönlich und kofferweise nach Westen geschafft« zu haben.
Fünf Jahre später indessen, am 28. November 1950, schilderte Dr. Ries seine Lage gegen und nach Kriegsende folgendermaßen: »1944 gründete ich die Gummiwerke Hoya GmbH. Mit dieser Gründung wollte ich lediglich einen Teil der Maschinen aus den mir gefährdet erscheinenden östlichen Gebieten retten. Tatsächlich waren bei Kriegsende in Hoya neue Maschinen für etwa 1,5 Millionen RM gelagert . . . Weiterhin standen mir bei Beendigung des Krieges einige hunderttausend Meter Stoff zur Verfügung . . .
« Um einen Teil des kofferweise geretteten, aber immer wertloser werdenden Bargelds anzulegen, erwarb Dr. Ries kurz nach Kriegsende auf der am weitesten westlich gelegenen deutschen Nordseeinsel Borkum »Köhlers Strandhotel«, das größte Haus am Platze. Es stellte nach heutigen Maßstäben ein Multimillionenobjekt dar. Was aber der Besitz von »einigen hunderttausend Metern Stoff« in den Notjahren 1945/48 bedeutete, läßt sich heute überhaupt nicht mehr ermessen. Schon mit drei Metern Anzug- oder Mantelstoff konnte man bis zur Währungsreform vom Juni 1948 durch Tausch oder Verkauf auf dem Schwarzen Markt die Ernährung einer fünfköpfigen Familie für mindestens zwei Monate sicherstellen. Mit »einigen hunderttausend Metern Stoff« hätte man die Lebensmittelversorgung einer Großstadt während sechs Dekaden ,gewährleisten können, als die amtlichen Rationen, wie 1947 in Wuppertal, bei nur noch 650 Kalorien pro Tag lagen! Jedenfalls darf man sagen, daß Dr. Ries die Nazi-Diktatur und den Zweiten Weltkrieg nicht nur heil, sondern geradezu glänzend überstanden hatte, ebenso die Wirren, das Elend und den Hunger der ersten Nachkriegsjahre. In Polen waren ihm
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Abermillionen an Kriegsbeute zuteil geworden, nicht nur wertvolle, zum Teil fabrikneue Maschinen, waggonweise Textilien, Autoreifen, Gummistiefel, -schuhe und Mäntel, sondern auch kofferweise Bargeld, dazu Unmengen von Kunstgegenständen, Teppichen und Juwelen sowie - wie die erhalten gebliebenen Dokumente beweisen - die Wertsachen seiner Arbeitssklaven, der Schmuck und das Zahngold der geschundenen Männer, Frauen und Kinder.
Um so erstaunlicher ist es, daß Dr. Ries, obwohl aus Saarbrücken und später in Leipzig beheimatet, zeitweise in Trzebinia bei Auschwitz und zuletzt auf Borkum wohnhaft, mit Konzernsitz in Leipzig, dann in Hoya an der Weser und schließlich in Frankenthal, von den dortigen rheinpfälzischen Behörden dennoch als »Heimatvertriebener« anerkannt wurde. Ja, man bescheinigte ihm, dem großen Beutemacher, sogar einen »Vertreibungsschaden«! Am 10. Oktober 1953 - sein Schützling Helmut Kohl war bereits ein Lokalmatador der CDU mit guten Beziehungen bestätigte ihm das Ausgleichsamt bei der Stadtverwaltung Frankenthal - Aktenzeichen 16/M/ke -, daß »der Antragsteller Dr. Fritz Ries hier die Feststellung der folgenden Vertreibungsschäden beantragt hat:
1. Geschäftsanteil an der Oberschlesischen
Gummiwerke GmbH, Trzebinia, über
Nennbetrag (Kapitalforderung) 445 000 RM
z. Geschäftsanteil an der »Gummiwerke
Wartheland AG«, Litzmannstadt, über 500 000 RM
3. Verlust eines Einfamilienhauses mit
10 Zimmern in Trzebinia Kreis Krenau
(Oberschlesien) - Grundvermögen –
Weiter wird bestätigt, daß die Angaben des Antragstellers in dem Feststellungsantrag hinreichend dargetan sind.«
Mit anderen Worten: Einem Saarländer, der mit Wohn- und Konzernsitz in Leipzig das eroberte Polen ausgeplündert, Sklavenarbeiter aufs grausamste ausgebeutet und sich deren Besitz widerrechtlich angeeignet hatte, wurde amtlich bescheinigt, daß nicht seine Opfer, sondern er selbst zu entschädigen sei und daß seine dreisten Behauptungen als Beweis ausreichten! Und so wie in diesem Fall ging es dutzendfach weiter:
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An jeder Finanzquelle, die die öffentliche Hand damals einem schuldlos verarmten und unterstützungsbedürftigen Heimatvertriebenen sprudeln ließ, wenn er einerseits im Osten Millionenverluste erlitten hatte, andererseits an seinem Aufnahmeort neue Arbeitsplätze zu schaffen bereit war, labte sich Dr. Ries mit Hilfe seiner politischen Freunde von der CDU in reichem Maße.
Glücklicherweise - für ihn - hatte man Dr. Fritz Ries als bloßen »Mitläufer« der Nazi-Partei eingestuft, und damit galt der millionenschwere Kriegsgewinnler und als V-Mann der Gestapo auserwählte, »absolut zuverlässige Nationalsozialist« Dr. Ries in Rheinland-Pfalz (und damit in der ganzen Bundesrepublik) als politisch völlig unbelasteter Ehrenmann.
Wann immer sich bei den Lastenausgleichs- und anderen Ämtern Zweifel regten, etwa was die behauptete :Höhe der »Vertreibungsschäden« des Dr. Ries betraf, wurden sie - so nachzulesen in den Akten des damaligen Ries-Generalbevollmächtigten für die Regelung seiner »Ansprüche«, Dr. Grote-Mismahl- durch starken politischen Druck von oben beseitigt.
Wer diesen Druck ausübte, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen, und es wäre unfair, diese Machenschaften allein dem 1953 gerade erst zum Mitglied des Geschäftsführenden Landesvorstands der regierenden CDU aufgerückten Ries Günstling Helmut Kohl anzulasten, von dem allerdings feststeht, daß er in den folgenden Jahren, als er zum einflußreichsten Politiker des fest in der Hand seiner Partei befindlichen Bundeslands Rheinland-Pfalz aufstieg, seinem langjährigen Förderer Dr. Ries wiederholt sehr behilflich gewesen ist.
So stellt sich die Frage, ob Helmut Kohl über die düstere Vergangenheit seines großzügigen Förderers und dessen dreiste Lügen hinsichtlich seiner angeblichen »Vertreibungsschäden« genau Bescheid gewußt hat. Ries-Tochter Monika. Krall, anwaltlich als Zeugin gehört, war sich nicht absolut sicher, ob ihr »Vater auch in Gegenwart von Dr. Kohl sich seiner so profitablen Unternehmertätigkeit in Polen gerühmt hat., und wenn ja, ob dann nur so allgemein oder mit genauen Einzelheiten«.
Eine damalige Ries-Angestellte, die sich ihrerseits genau daran erinnert, gab indessen zu Protokoll, daß »Herr Konsul
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Dr. Ries dem Herrn Dr. Kohl stolz von seinen >kriegswichtigen< Betrieben in Polen und von den >glücklicherweise< in großer Anzahl zur Verfügung stehenden jüdischen und polnischen Zwangsarbeitern erzählt hat«. Sie wußte sogar noch das ungefähre Datum: »Es war im Frühjahr 1967 - der Herr Konsul Dr. Ries bekam das Große Bundesverdienstkreuz, das Herr Dr. Kohl, damals CDU-Landesvorsitzender, ihm verschafft hatte. Dr. Ries erzählte ihm dann, er hätte schon damals in Polen das Kriegsverdienstkreuz verliehen bekommen . . . « Diese Zeugin, die in Frankenthal beschäftigt ist, wollte begreiflicherweise nicht namentlich genannt werden.
Indessen spielt die Frage, ob Helmut Kohl schon damals, im Frühjahr 1967, die ganze scheußliche Wahrheit über die Vergangenheit seines langjährigen Förderers kannte, keine große Rolle. Denn schon fünf Jahre später heftete Kohl, seit 1969 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, dem Dr. Ries auch noch den Stern zum Großen Bundesverdienstkreuz an die Brust, und zu diesem Zeitpunkt war Helmut Kohl, wie sich beweisen läßt, voll unterrichtet über den Werdegang dieses Mannes, der ihn als jungen Politiker »entdeckt«, nach Kräften gefördert und die Karriere erst ermöglicht hatte: Kohl wußte Bescheid über die skrupellosen »Arisierungen« des »Kondom-Königs« Ries, dessen Beziehungen zur Gestapo und über dessen Raubzüge in Polen. Er war darüber im Bilde, daß sich Ries bei und in Auschwitz bereichert und Tausende von Arbeitssklavinnen für sich hatte schuften lassen. Desgleichen wußte er, daß die Entschädigungen für angebliche »Vertreibungsschäden« seines Gönners erschwindelt waren. Trotzdem zeichnete er ihn mit dem zweithöchsten Orden aus, den die Bundesrepublik zu vergeben hatte, pries öffentlich »das staunenswerte Lebenswerk« und »die vorbildlichen unternehmerischen Leistungen« des Dr. Ries und war ihm weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit gefällig.
Helmut Kohl war jedoch zu dieser Zeit längst nicht mehr der einzige Spitzenpolitiker der Unionsparteien, von dem Dr. Ries stolz behaupten zu können meinte: »Wenn ich den nachts um drei anrufe, muß er springen!«
Dazu muß man wissen, daß sich Konsul Dr. Ries, dessen »Pegulan«-Konzern damals noch florierte, einen - wie er fand
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»standesgemäßen« Landsitz nebst Jagdrevier, Golfplatz und Schloß zugelegt hatte: das als »Perle der Steiermark« gerühmte Schloßgut Pichlarn, eine der schönsten Besitzungen Österreichs. Dort verkehrten als Gäste des Schloßherrn Dr. Ries nach den Veröffentlichungen der Lokalpresse in den frühen siebziger Jahren - etliche führende Persönlichkeiten der bundesdeutschen Wirtschaft und Politik, von denen wir hier ein knappes Dutzend als repräsentative Auswahl nennen und zu jedem Namen ein paar Erläuterungen geben wollen:
»Herr Generalbevollmächtigter Tesmann (es handelte sich um Rudolf Tesmann, geboren 1910 in Stettin, eilen früheren hohen SS-Führer - letzter bekannter Dienstgrad [1943]: SS-Obersturmbannführer -, vom März 1944 bis Kriegsende Verbindungsmann zu Reichsleiter Martin Bormann; Tesmann wurde 1945 von den Engländern interniert und von seinem Mitgefangenen, dem Kaufhauskönig Helmut Horten, nach beider Entlassung 1948 in den Horten Konzern, zuletzt als Generalbevollmächtigter, übernommen. Tesmann war außerdem damals Präsidiumsmitglied des >Wirtschaftsrats der CDU<);
Herr Dr. Hanns Martin Schleyer, Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG, mit Frau (den wir bereits kennengelernt haben und von dem noch im Zusammenhang mit der weiteren politischen Karriere Helmut Kohls die Rede sein wird);
Herr Dr. Alfred Dregger mit Frau (damals Vorsitzender der hessischen CDU, seit 1982 Fraktionsvorsitzender der CDU/ CSU im Bundestag und inoffiziell Führer des rechten, sogenannten »Stahlhelm«-Flügels der Union);
Herr Bundestagsabgeordneter Siegfried Zoglmann (geboren 1913 in Böhmen, seit 1928 Mitglied der - in der CSR illegalen Hitlerjugend (HJ), 1934 HJ-Führer in der Reichsjugendführung in Berlin, 1939 Oberster HJ-Führer im >Protektorat< Böhmen und Mähren und Abteilungsleiter des >Reichsprotektors<. 1940 erbat und erhielt Zoglmann vom >Reichsführer SS< Heinrich Himmler persönlich die Erlaubnis, als SS-Führer in die >Leibstandarte SS Adolf Hitler< einzutreten. Nach 1945 Werbefachmann im Rheinland, 1950 Mitglied des NRW-Landesvorstands der F.D.P., bis 1958 Landtagsabgeordneter, von 1957 bis zu seinem Ausscheiden aus Altersgründen Mitglied des
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Bundestags, zunächst F.D.P.-, seit 1972 CSU-Abgeordneter. Mit Hilfe Zoglmanns und anderer F.D.P.-Überläufer sollte damals Willy Brandt gestürzt werden; die Verhandlungen hierüber wurden auf dem Ries-Schloß Pichlarn geführt);
Herr Dr. Eberhard Taubert (geboren 1907 in Kassel, Jurist, seit 1931 Mitglied der NSDAP, seit 1932 enger Mitarbeiter des Nazi-Propagandachefs und damaligen >Gauleiters< von Groß-Berlin, Dr. Josef Goebbels, in dessen Reichsministerium >für Volksaufklärung und Propaganda< Taubert 1933 eintrat, zunächst als Referatsleiter, zuständig für >Aktivpropaganda gegen die Juden<. Von 1942 an Chef des >Generalreferats Ostraum<, daneben seit 1938 auch Richter am 1. Senat des berüchtigten >Volksgerichtshofs< und beteiligt an Todesurteilen gegen Widerstandskämpfer. Außerdem lieferte Ministerialrat Dr. Taubert Text und Idee zu dem 1940 uraufgeführten Hetzfilm »Der ewige Jude«, worin die in KZs und Gettos eingepferchten Juden mit Ratten und anderem »lebensunwertem« Ungeziefer verglichen wurden. 1945 tauchte der als Kriegsverbrecher gesuchte Dr. Taubert mit Hilfe westlicher Geheimdienste zunächst unter, um 1950 jedoch in Bonn wieder auf, leitete die (alte Kriegs-Propaganda gegen die DDR, dann für Verteidigungsminister Franz Josef Strauß den Aufbau der psychologischen Kriegführung bei der Bundeswehr. Scharfe Proteste des Zentralrats der Juden führten dazu, daß Strauß sich von Dr. Taubert offiziell trennen mußte, und dieser trat dann als Leiter de r Rechtsabteilung und des Persönlichen Büros von Konsul Dr. Fritz Ries beim »Pegulan«-Konzern in Frankenthal ein. In enger Abstimmung mit Ries und Strauß sowie mit finanzieller Hilfe aus Bonn und von etlichen Industriellen leitete Dr. Taubert die Hetzkampagnen gegen Willy Brandt und den Aufbau ultrarechter und neonazistischer Gruppen und Presseorgane.)
Und schließlich zählte zu den Gästen des Dr. Ries auf Schloß Pichlarn auch
Herr Bundesminister a. D. Franz Josef Strauß, Vorsitzender der bayerischen CSU, mit Frau, damals noch nicht Ministerpräsident in München, und er fand in der Berichterstattung der österreichischen Presse über die Gäste auf Schloß Pichlarn damals die meiste Beachtung.
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Was die steiermärkischen Zeitungen indessen nicht wußten: Der CSU-Chef Strauß und Konsul Dr. Ries waren damals längst Duzfreunde, und überdies hatte Dr. Ries die Ehefrau seines Spezis, Frau Marianne Strauß geborene Zwicknagl, zu seiner Teilhaberin gewonnen, dies übrigens, ohne daß es Frau Strauß einen Pfennig gekostet hätte!
Frau Strauß war in die am 23. Februar 1971 gegründete Ries-Gesellschaft »Dyna-Plastik« in Bergisch-Gladbach eingetreten, laut Handelsregister zunächst mit einer Kommanditeinlage von 304.500 DM, was damals einer Beteiligung von etwa 14 Prozent entsprach. 1973 wurde das »Dyna-Plastik«-Kapital erhöht, wobei der Anteil von Frau Strauß auf 406.000 DM oder 16 Prozent Kapitalanteil stieg. Frau Strauß hatte jedoch weder die erste Einlage noch die spätere Erhöhung einzuzahlen brauchen; diese sollten sich vielmehr »aus den Gewinnen auffüllen« - im Klartext: Dr. Ries hatte der Frau seines so einflußreichen Duzfreundes ein kleines Geschenk gemacht, eine erst 14-, dann 16prozentige Beteiligung an einer gutgehenden Konzern-Tochtergesellschaft, wohl in der richtigen Annahme, daß kleine Geschenke die Freundschaft erhalten, weshalb weitere ähnliche Beteiligungen der Frau Marianne Strauß an blühenden Unternehmen der Ries-Gruppe folgten.
Die enge Freundschaft des CSU-Bosses, dessen Bewunderung für die unternehmerischen Leistungen des Dr. Ries und die Beteiligung von Frau Marianne Strauß am Ries-Konzern, dessen finanzielle Grundlagen ja, wie wir bereits wissen, mindestens teilweise in Auschwitz, im Getto von Lodz (Litzmannstadt) sowie in weiteren Leidensstätten der versklavten Juden gelegt worden waren, erklären vielleicht das von der »Frankfurter Rundschau« 1969 zitierte Strauß-Wort (von dem er erst etwa zwei Jahre vor seinem Tod abgerückt ist): »Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen erbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen!«
Helmut Kohl beobachtete das »Techtelmechtel« seines Freundes Dr. Ries mit dem CSU-Boß Strauß von Mainz aus mit sehr gemischten Gefühlen: Nicht zuletzt dank der Starthilfe und langjährigen Förderung durch Dr. Ries hatte er es dort inzwischen zum Ministerpräsidenten gebracht, Ende Mai
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daß die Leute nun wüßten, daß er mal SS-Führer gewesen sei; aber er wolle ja nicht Bundeskanzler werden...
Schleyers Bemerkung, Strauß wäre als Kanzler »zu angreifbar«, hatte sich also auf dessen Nazi Vergangenheit bezogen, und zwar etwa in der Bedeutung: Als Ministerpräsident in Bayern kann ein Mann wie Strauß noch durchgehen, aber nicht als Bundeskanzler in Bonn.
Zur weiteren Klarstellung: Franz Josef Strauß leugnete zeitlebens seine Nazi Vergangenheit; er hatte für alles ganz harmlose Erklärungen: Gewiß, er habe dem NSKK angehört, aber dieses NS-Kraftfahrkorps sei unpolitisch gewesen, er selbst nur Mitglied wegen seiner Leidenschaft fürs Motorradfahren; als Student habe er einer »Pflichtorganisation«, dem NS Deutschen Studentenbund (NSDStB) als einfaches Mitglied angehört; schließlich sei er gegen Kriegsende »Offizier für wehrgeistige Führung« gewesen, habe den Soldaten Geschichtsunterricht erteilt, aber als er dann NSFO, NS-Führungsoffizier, hatte werden sollen, da habe er abgelehnt und sich dem heimlichen Widerstand angeschlossen.
Tatsächlich ist urkundlich erwiesen, daß es mit alledem eine ganz andere Bewandtnis gehabt hat, und Dr. Schleyer wußte aus eigener Erfahrung, daß der NSDStB alles andere war als eine harmlose »Pflichtorganisation«, nämlich die auf nur 5 000 Mitglieder im ganzen Großdeutschen Reich strikt begrenzte - Kaderschule für den SD, den gefürchteten Sicherheitsdienst der SS, dem ja auch Dr. Schleyer selbst angehört hatte.
Wenn aber Hanns Martin Schleyer und die ihre nahestehenden Kreise damals, 1976, von Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidat nichts hielten, wen mochten er und seine Freunde dann im Auge haben?
Der Autor stellte ihm diese Frage, und überraschenderweise erwiderte Dr. Schleyer ohne Zögern:
»Wir setzen auf das Tandem Kohl/Biedenkopf.«
Professor Kurt Biedenkopf, der 1973 zur allgemeinen Überraschung Generalsekretär des CDU-Bundesvorstands geworden war, galt als »Vordenker« der Union. Im übrigen war er für die bundesdeutsche Öffentlichkeit im Wahljahr 1976 noch ein
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unbeschriebenes Blatt. Wer sich über den Professor, der bislang kein Bundestagsmandat gehabt hatte, näher informieren wollte, fand im »Wer ist wer?« folgenden, auf eigenen Angaben des Professors beruhenden Eintrag:
»BIEDENKOPF, Kurt H., Dr. jur. (habil.), LL. M., Professor, geboren am 28. Januar 1930 in Ludwigshafen/Rh. (Vater: Wilhelm Biedenkopf), verheiratet mit Sabine geh. Wäntig, 4 Kinder. - 1963-71 Lehrtätigkeit an der Universität Frankfurt/Main (Privatdozent) und Bochum (Ordinarius seit 1964; von 1967-69 Rektor). 1968ff. Vorsitzender der Mitbestimmungskommission der Bundesregierung. 1971ff. Vorstandsmitglied der C. Rudolf Poensgen-Stiftung; 1972ff. Vorsitzender des Landeskuratoriums des Stifterverbands für die deutsch e Wissenschaft (Neugründung); seit 1973 Generalsekretär des CDU-Bundesvorstands. - Buchveröffentlichungen: Aktuelle Grundsatzfragen des Kartellrechts, 1957 (mit Callmann und Deringer); Vertragliche, Wettbewerbsbeschränkungen und Wirtschaft, 1958; Unternehmer und Gewerkschaften im Recht der USA, 1961; Grenzen der Tarifautonomie, 1964; Thesen der Energiepolitik, 1967; Mitbestimmung, Beitrag zur ordnungspolitischen Diskussion, 1972; Fortschritt in Freiheit, Umrisse einer politischen Strategie, 1974.«
Diese Angaben waren nicht sehr aufschlußreich. Zunächst ließen sie vermuten, daß es sich bei Professor Biedenkopf um einen stillen Gelehrten handelte, der im In- und Ausland fleißig studiert hatte, um dann eine steile Universitätskarriere einzuschlagen. In rascher Folge war er Privatdozent, Ordinarius und sogar Rektor der Bochumer Ruhruniversität geworden, daneben mit zahlreichen Buchveröffentlichungen hervorgetreten und in Stifterverbänden aktiv gewesen. Aber dann hatte ihn plötzlich die Politik in Beschlag genommen, und er war, sozusagen aus dem Stand, CDU-Generalsekretär geworden . . .
Noch ein weiterer Umstand gab dem Leser der Kurzbiographie Rätsel auf, denn es fehlte darin selbst der kleinste Hinweis auf Herkunft, Schulzeit, Beruf des Vaters und dergleichen. Man konnte vermuten, daß da vielleicht ein schlichtes Proletarierkind aus Bescheidenheit oder falscher Scham seinen raschen Aufstieg ein wenig zu verschleiern trachtete.
Indessen war. Professor Dr. Kurt H. Biedenkopf' beileibe kein sozialer Aufsteiger, vielmehr der Sohn des Dipl. Ing. Wilhelm
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Biedenkopf aus Chemnitz, Jahrgang 1900, der bis zu seiner Pensionierung ordentliches Vorstandsmitglied einer Perle unter den zur Flick-Gruppe gehörenden Unternehmen. nämlich der »Dynamit-Nobel AG« in Troisdorf, gewesen war, zuvor technischer Direktor, vielfacher Aufsichts- und Beirat, während des Zweiten Weltkriegs auch ein - vom »Führer« besonders belobigter und belohnter - »Wehrwirtschaftsführer«. Ganz zufälligerweise war Vater Wilhelm Biedenkopf zuletzt auch Mitglied des Beirats jenes Unternehmens in Bergisch-Gladbach, das wesentlich zu den Gewinnen des » Pegulan«-Konzerns beigetragen hatte und an dem Frau Marianne Strauß, die Gattin des CSU-Chefs, von Konsul Dr. Ries hochherzigerweise mit zuletzt etwa 16 Prozent beteiligt worden war.
Ein weiterer Zufall: Sohn Kurt, der spätere CDU-Generalsekretär, war während eines beruflich bedingten Aufenthalts seines Vaters, als die BASF dessen Dienste in Anspruch genommen hatte, anno 1930 in Ludwigshafen/Rh. zur Welt gekommen, genau wie Helmut Kohl, und mit diesem hatte er auch gemeinsam die Volksschule besucht.
Dann aber hatten sich ihre Wege getrennt: Der aus unbemittelter Beamtenfamilie stammende Helmut Kohl mußte sich, wie wir bereits wissen, recht mühsam nach oben hangeln, und dabei spielte sein Förderer Dr. Ries eine wichtige Rolle; Kurt Biedenkopf hingegen hatte in den USA politische Wissenschaften, in München und Frankfurt Jura und Volkswirtschaft studiert, zum Doktor der Rechte und zum Maser of Law promoviert, sich mit einer Arbeit über »Die Grenzen der Tarifautonomie« habilitiert (und damit zugleich die Aufmerksamkeit der Konzernherren und des Arbeitgeberverbands erregt) und war 1967 jüngster Rektor der Bundesrepublik in Bochum geworden. In den folgenden Jahren hatte er sich gesellschafts- und wirtschaftspolitisch zu profilieren begonnen. »In seinem Bekenntnis zu einer funktionsfähigen Marktwirtschaft mit Wettbewerb und Privateigentum«, schrieb damals »Der Spiegel« über ihn, »läßt er sich von niemandem überbieten.«
Weithin bekannt geworden war der Professor aber erst 1968, als ihn Bundeskanzler Kiesinger mit der Leitung einer Kommission beauftragte, die für die Bundesregierung die Frage der
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betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer untersuchen sollte. Diese »Biedenkopf-Kommission«, wie sie dann genannt wurde, rang sich zwar zu einer Würdigung der gut funktionierenden paritätischen Mitbestimmung in der Montanindustrie durch, entschied sich aber gegen die Ausdehnung dieses Modells auf die gesamte Wirtschaft, wie es Gewerkschaften, SPD und CDU-Sozialausschüsse gefordert, die Unternehmer jedoch als »ruinös für die Wirtschaft« abgelehnt hatten. »Seither gilt Biedenkopf«, so damals »Der Spiegel«, »den Gewerkschaften, aber auch den parteieigenen CDU-Sozialausschüssen als überzeugter Unternehmerfreund, der jede Demokratisierung der Wirtschaft zu bekämpfen suche.« Umgekehrt fand nun einer der größten bundesdeutschen Konzerne, die Henkel Gruppe, daß dieser so unternehmerfreundliche Professor genau der richtige Mann für sein Topmanagement sei. Anfang 1971 konnte Biedenkopf seine akademische Laufbahn vorerst beenden und Geschäftsführer der Henkel GmbH werden. Von diesem Kommandoposten des nicht nur im Waschmittelbereich führenden Chemie-Riesen, dessen Eigentümer als Großaktionäre des DEGUSSA-Konzerns und der NUKEM-Reaktorbau-Holding beträchtlichen Einfluß auf die Wirtschaft und die Politik der Bundesrepublik ausüben, ließ sich Professor Biedenkopf zweieinhalb Jahre später weglocken und übernahm den Posten des Generalsekretärs der in die Opposition verbannten CDU.
Die NUKEM GmbH in Hanau gehört zu 35 Prozent der DEGUSSA, deren Großaktionär die Familie Henkel (»Persil« usw.) ist. Die NUKEM GmbH ist ihrerseits mit 40 Prozent des Kapitals an der ALKEM GmbH, Hanau, beteiligt. Der Geschäftsführer dieser Brennelementefabrik, Dr. Alexander Warrikoff, seit 1963 CDU-Bundestagsabgeordneter, sowie vier weitere ALKEM-Manager wurden im Sommer 1986 von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, »wesentliche technische Änderungen im Produktionsablauf ohne atomrechtliche Genehmigungsverfahren vorgenommen und damit die Sicherheit der Anlage verringert zu haben«. Für Warrikoff fanden sich dann andere Verwendungsmöglichkeiten:
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Wirtschaftsverbandes Kernbrennstoff-Kreislauf, Vorsitzender des Verwaltungsrates der NVD - Nukleare Versicherungsdienst GmbH, Bundesvorstandsmitglied des CDU-Wirtschaftsrates)
Niemand, vermutlich nicht einmal Kurt Biedenkopf selbst, wird mit Bestimmtheit sagen können, wer oder was den Professor dazu bewogen hat, sich von der sicheren Kommandobrücke
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des Henkel-Konzerns in die Wogen der Politik zu stürzen. Verbürgt ist jedoch, daß Konsul Dr. Fritz Ries dem Wunsch seiner Gäste auf Schloß Pichlarn und insbesondere dein seines alten Freundes Hanns Martin Schleyer, doch einen »Intelligenzbolzen« zu finden, der bereit und imstande wäre, Helmut Kohls deutliche Mängel auszugleichen, sowie beide auf ihre gemeinsame Rolle »einzustimmen«, mit Eifer und Geschick nachgekommen ist.
Vom Herbst 1972 an organisierte Dr. Ries auf seiner steiermärkischen Besitzung sogenannte »Pichlarner Topmanager Gipfeltreffen«, die sich bald großer Beliebtheit erfreuten. Denn die zur Ries-Besitzung gehörende Prominentenherberge »Schloßhotel Pichlarn« eignete sich vorzüglich dazu, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden.
Nützlich waren die Bekanntschaften, die man dort machen konnte, denn zu den Pichlarner Gästen gehörten Politiker, Industriekapitäne, Bankiers, Prälaten und Militärs; nützlich waren auch die Vorträge, die man dort hören konnte, und die anschließenden Diskussionen, und nützlich war schließlich auch die Möglichkeit, die Pichlarn bot, sich im Fitness-Zentrum, in der Schwimmhalle, beim Golfspiel, zu Pferde oder im Jagdrevier vom Streß des Alltags zu erholen und die überflüssigen Pfunde wegzutrimmen. Angenehm waren die schöne Umgebung, die gepflegte Gastronomie und nicht zuletzt die reizende Betreuung, teils durch attraktive Hostessen, teils durch die nicht minder liebenswürdigen Töchter des Hauses.
Kein Wunder also, daß auch Professor Kurt Biedenkopf gern der Einladung folgte, an solchen »Pichlarner Topmanager-Gipfeltreffen« teilzunehmen, und da er - wie man der steiermärkischen »Süd-Ost-Tagespost« damals entnehmen konnte - der mit Abstand »prominenteste ausländische Teilnehmer und Vortragende« dieser Veranstaltungen war, ist es leicht begreiflich, daß ihm die ganz besondere Fürsorge des Schloßherrn Dr. Ries und seiner bei diesen Treffen stets anwesenden Tochter Ingrid Kuhbier galt. Beide ließen es sich nicht nehmen, Professor Biedenkopf nicht nur als bloßen Dozenten, prominenten Teilnehmer der »Gipfeltreffen« und Hotelgast zu behandeln, sondern vielmehr als einen engen Freund der Familie.
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In der Folgezeit - Kurt Biedenkopf war nun schon Generalsekretär der CDU geworden - vertieften sich diese Beziehungen noch. Man besuchte sich häufiger, man telefonierte viel miteinander, und für die Zeit nach der Bundestagswahl 1976 wurden in Pichlarn, Frankenthal und Bonn gewisse Überraschungen erwartet, die des rührigen Konsuls Ansehen und Einflußmöglichkeiten weiter vermehren würden.
Es dauerte jedoch bis 1980, die Wahlen des Herbstes 1976 brachten der von Helmut Kohl als Kanzlerkandidat, von Kurt Biedenkopf als CDU-Generalsekretär geführten Union nicht den erhofften Wahlsieg, und sowohl Konsul Dr. Ries als auch Hanns Martin Schleyer weilten schon nicht mehr unter den Lebenden, bis die Beziehungen Biedenkopfs zur Ries-Tochter Ingrid, nunmehr geschiedener Kuhbier, auch standesamtlich beurkundet wurden. Professor Biedenkopf, inzwischen ebenfalls geschieden von seiner Ehefrau Sabine, die ihm vier Kinder geboren hatte, heiratete also die mit ihm schon so lange befreundete Ries Tochter (und Mitgesellschafterin von Frau Marianne Strauß bei der »Dyna-Plastik« und anderen »Pegulan«-Konzerntöchtern). In damaligen Ausgaben des Prominenten-Lexikons »Wer ist wer?« verschwieg Kurt Biedenkopf allerdings (und verschweigt noch immer), daß seine zweite Ehefrau ebenfalls geschieden und eine Tochter des verstorbenen Konsuls Dr. Ries ist. Dort lautete der auf eigenen Angaben beruhende Eintrag: » . . . verheiratet in z. Ehe mit Ingrid geborener Kuhbier... «, wo es doch richtig heißen müßte: » . . . mit Ingrid geh. Ries gesch. Kuhbier... « Ob er sich nun seiner neuen familiären Beziehungen zu dem toten Industriellen schämte, der einen bedeutenden Teil seines Vermögens der Ausbeutung von Zwangsarbeitern in und um Auschwitz und Lodz zu verdanken hatte, oder ob es ihm für einen prominenten Christdemokraten unschicklich erschien, allzu viele Scheidungen bekannt werden zu lassen, bleibt Kurt Biedenkopfs Geheimnis.
Nach Auskunft des Testamentsvollstreckers des 1977 verstorbenen Konsuls Dr. Fritz Ries sind heute weder Frau Ingrid Biedenkopf geborene Ries oder deren Geschwister noch die Erben der tödlich verunglückten Frau Marianne Strauß am »Pegulan«Konzern oder dessen Tochterfirmen beteiligt; die »Pegulan
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AG« gehört heute mehrheitlich der bundesdeutschen Holdinggesellschaft der British American Tobacco Co (LAT). Besagter Testamentsvollstrecker ist übrigens der Münchener Fachanwalt für Steuerrecht, langjährige CSU-Bundestagsabgeordnete (seit 1969, ohne eigenen Wahlkreis, aber mit stets sicherem Listenplatz) und heutige GEMA Chef Professor Dr. Reinhold Kreile (zeitweilig Mitglied des CSU-Parteivorstands und -Präsidiums), der bis zum Verkauf des bundesdeutschen Flick-Imperiums auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Konzern-Holdinggesellschaft, der »Friedrich Flick Industrieverwaltung Kommanditgesellschaft auf Aktien« in Düsseldorf, war.
Und damit schließt sich nun der Kreis. Denn es war der Personalchef der Daimler-Benz AG (damaliger Hauptaktionär: Flick), zugleich BDI- und BDA-Präsident, Dr. Hanns Martin Schleyer, der seinen alten Freund und Bundesbruder, Konsul Dr. Fritz Ries, 1972, nach den vergeblichen Versuchen, Willy Brandt durch ein konstruktives Mißtrauensvotum zu stürzen, in die Pläne einweihte, wie der zweite Versuch einer »Wende« gestartet werden sollte:
Der glücklose Barzel mußte Kanzlerkandidatur und CDU-Parteivorsitz aufgeben, bekam zum Trost viel Geld, größtenteils von Flick, dazu das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik (später auch noch einen Ministersessel und sogar das Amt des Bundestagspräsidenten - bis die Flick-Zahlungen ruchbar wurden und er zurücktreten mußte); statt Rainer Barzel sollte Helmut Kohl antreten, aber nicht allein, sondern auf dem »Tandem« mit Biedenkopf. Dabei war dem »Schwarzen Riesen« Kohl, von dessen Planungs- und Lenkfähigkeiten auch die Herren des Großen Geldes nicht so recht überzeugt waren, die Rolle des sich abstrampelnden und dabei immer fröhlich lächelnden Lieferanten der Antriebskraft zugedacht, hingegen dem unternehmerfreundlichen und konzernverbundenen »Intelligenzbolzen« Biedenkopf die Rolle des Strategen und Steuermanns.
Das »Tandem«-Team verfehlte aber 1976 das Wahlziel und zerstritt sich auf der Oppositionsbank bei gegenseitigen Schuldzuweisungen. Als Helmut Kohl 1982 im dritten Anlauf und wiederum durch ein - nun knapp gewonnenes konstruktives Miß
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Auflage des Buches Bundesverdienstkreuz,
auf das der größte Teil der hier wiedergegebenen
Tatsachen beruhen, bis 1986 über 500.000 Exemplare
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In einem Zivilprozess vor der 17. Kammer des Landgerichts Stuttgart, die Dr. Fritz Ries gegen den Autor des Buches Großes Bundesverdienstkreuz, Bernt Engelmann, gegen 42 Tatsachenbehauptungen führte gewann Ries in 2 Fällen bei denen nach Ansicht des Gerichtes der Wahrheitsbeweis nicht erbracht werden konnte. Von diesen beiden Ausnahmen abgesehen, entschied das Gericht in allen übrigen vierzig Punkten, die Arisierungsmethoden und die brutale Behandlung der Sklavenarbeiter betreffend, daß der Wahrheitsbeweis erbracht wurde und Dr. Ries´ Klage abzuweisen sei.
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Aus dem Vorwort/Nachwort des Buches „Bundesverdienstkreuz“
Judenverfolgung und Massenmord brachten einigen skrupellosen Geschäftemachern Millionenprofite, Gelder die für nicht wenige Unternehmer in den fünfziger Jahren das Fundament ihres wirtschaftlichen Aufstiegs bildeten. An dieses heikle Kapitel deutscher - und in den Jahrzehnten nach dem Krieg: bundesdeutscher - Geschichte rührt Bernt Engelmanns Polit-Thriller Großes Bundesverdienstkreuz. Engelmann folgt einer Spur, die von Auschwitz über Rheinland-Pfalz direkt in die Machtzentralen der Bundesrepublik führt. Ein Sklaventreiber von einst, Konsul Dr. Fritz Ries, war der politische Ziehvater von Helmut Kohl - der den "Arisierungskönig" mit dem Großen Bundesverdienstkreuz auszeichnete. Doch Kohl ist nicht der einzige Spitzenpolitiker aus dem Umfeld des großen Beutemachers von einst. . .
Einige der in diesem Buch behandelten Personen haben zwischen 1974 und heute wiederholt Schlagzeilen gemacht, zum Beispiel der zum BDA- und BDI-Präsidenten aufgestiegene, dann von Terroristen entführte und ermordete Ries-Intimus Dr. Hanns Martin Schleyer. Umgekehrt kommen einige Prominente, für die der "Arisierungskönig" Ries zur Schlüsselfigur Ihres Aufstiegs wurde, im Buch noch gar nicht vor, zum Beispiel Bundeskanzler Helmut Kohl, der seinen "Entdecker" und langjährigen Förderer Dr. Fritz Ries mit dem Großen Bundesverdienstkreuz, später noch mit dem Stern dazu, auszeichnete. Denn von den Beziehungen zwischen Ries und Kohl erfuhr ich erst im Verlaufe eines Prozesses. Der Zufall wollte es, daß mir, gerade als ich mich für diesen Dr. Ries stärker zu interessieren begann, eine Pressemitteilung des Pegulan-Konzerns zuging. Sie bat um Würdigung der unternehmerischen Leistung des Konzernchefs Dr. Ries anläßlich seines
65 Geburtstages.
Die Pressemitteilung enthielt auch einen kurzgefaßten Lebenslauf des Dr. Ries, und diesem war zu entnehmen, daß der Ausgangspunkt (und bis 1946 auch das Zentrum) der unternehmerischen Tätigkeit des nunmehr in Frankenthal in der Pfalz tätigen Industriellen die Leipziger Gummiwarenfabrik Flügel & Polter gewesen war. Auf gut Glück fragte ich einen mir bekannten Historiker der DDR, ob es über dieses Leipziger Werk und dessen früheren Inhaber dort noch irgendwelche Unterlagen gebe und ob ich diese vielleicht einsehen könnte. Die Antwort ließ einige Wochen auf sich warten, war dann aber sehr positiv: Die ehedem als Flügel & Polter firmierende Gummiwarenfabrik existiere noch, nunmehr als volkseigener Betrieb (VEB). 1n dessen Kellern lagere, unberührt seit Jahrzehnten, der gesamte Bestand an Geschäftspapieren, Firmenkorrespondenz, Personal-, Steuer- und sonstigen Akten seit der Gründung des Unternehmens, und ich könnte diese Unterlagen jederzeit einsehen oder durch einen Beauftragten einsehen lassen. Von besonderem Interesse waren nämlich nur die Akten des ehemaligen Chefbüros, die zwei Dutzend Leitz-Ordner füllten. Diese Unterlagen ließen sich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit flüchtig durchsehen. Ich konnte alle mir möglicherweise nützlichen Briefkopien und Notizen kennzeichnen und einen pensionierten Archivar damit beauftragen, alle dazugehörigen Vorgänge aus den Unterlagen der ...
...ich zu Nachforschungen an anderen Stellen, zum Beispiel beim Westberliner Document Center, beim Münchner Institut für Zeitgeschichte so wie bei der Library of Congress in Washington, wo Millionen von Dokumenten ...
...Personalakte des Dr. Eberhard Taubert aus der Zeit, da dieser nebenbei als ehrenamtlicher Richter beim l. Senat des berüchtigten Volksgerichtshofs gewirkt hatte und Dr. Tauberts damalige Korrespondenz mit dem späteren Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, seinerzeit Verbindungsmann des Auswärtigen Amts zum Goebbels-Ministerium oder auch die Personalakten des späteren CDU-Bundestagsabgeordneten Artur Missbach, der zu meiner großen Überraschung nicht nur ein "Alter Kämpfer" der Nazi-Partei gewesen war, sondern auch Direktor der Riesschen Konzern-Holdingfirma Flügel & Polter!
...Ferner Kopien von Auskünften, die im besetzten Polen tätige Leitstellen des Sicherheitsdienstes (SD) der SS über Dr. Ries erteilt hatten und worin er als "Arisierungs-König" bezeichnet worden war. Die Dokumentenfunde, die Vergangenheit des Pegulan-Konzernchefs Dr. Fritz Ries betreffend, waren in diesem Sinne (im Brechtschen) wahrlich realistisch. Obwohl es sich bei Ries um einen scheinbar nicht sonderlich wichtigen Gschaftlhuber handelte, enthüllten seine Geschäftspapiere aus der Nazizeit sowie die Informationen neueren Datums über seine politischen Verbindungen und Aktivitäten tatsächlich den "gesellschaftlichen Kausalkonnex", im speziellen Falle: die Zusammenhänge zwischen einstiger "Arisierung" im großen Stil, Zwangsarbeiter-Ausbeutung und Profitmaximierung durch Terror sowie nunmehrigen Abgeordneten- Käufen zum Zweck eines Sturzes der Regierung Brandt und ihres Ersatzes durch ein konservatives, konzernfreundliches Bundeskabinett, womöglich unter der Kanzlerschaft eines ganz von Ries und seinen Freunden abhängigen CDU-Politikers.
Berliner Zeitung Ausgabe Nr. 261 vom 08.11.1999 Seite 05
"Gesundes, gutes Material"
Kinder als NS-Zwangsarbeiter für die Buna-Werke – Kurt Biedenkopfs Vater war technischer Leiter
BERLIN, im November. Der unbekannte Autor, dessen Unterschrift verblasst ist, hat wenig Sorgfalt auf das Abfassen seines Berichts verwandt. Tippfehler sind flüchtig mit dem Kugelschreiber korrigiert, fehlende Worte handschriftlich eingefügt. Formal korrekt ist der Briefkopf abgefasst – rechts oben stehen Ort und Datum: Schkopau, den 7.12.43; links oben die Absenderbehörde: Berufserziehungsstätte, Eignungsuntersuchungsstelle. Der Titel des Berichts: "Anschreiben zur Grobausleseliste des Transportes russischer Kinder".
"Zur Untersuchung waren 17 Mädchen und 13 Jungen in den Altersgrenzen zwischen 9 und 14 Jahren erschienen", schreibt der Verfasser. Sein Fazit "aus Sicht des Psychologen": "Es handelt sich bei den Kindern … um gesundes, gutes Material, von dem ein erheblicher Gewinn zu erzielen ist, wenn der arbeitsmäßige Ansatz mit dem richtigen Vorbedacht erfolgt."
Im Seitenkopf stehen die Namen der Empfänger des "Gutachtens". Einer von ihnen ist der Leiter der Technischen Abteilung in Buna: "Herr Dir. Dipl.-Ing. Biedenkopf, C 37"
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"Das ist mein Vater", sagt Kurt Biedenkopf.
Als Achtjähriger war der heutige sächsische Ministerpräsident 1938 mit seiner Familie aus Ludwigshafen nach Schkopau übergesiedelt. Der Vater, ein Ingenieur bei der I.G. Farben, sollte eine verantwortliche Position bei den Chemiewerken Buna übernehmen.
Es sei das erste Mal, dass er ein solches Dokument mit dem Namen seines Vaters in den Händen halte, sagt Biedenkopf vorsichtig. Man spürt, dass er nach Erklärungen sucht, nach Entschuldigungen. "Ich kann mir nicht vorstellen, warum mein Vater diesen Bericht bekommen haben soll", sagt Biedenkopf schließlich. "Er war doch technischer Leiter in Buna, hatte mit Personalfragen nichts zu tun." Vielleicht sei es nur ein Durchschlag, den sein Vater ungelesen abgeheftet habe. "Vielleicht hat er sich aber auch eingesetzt, dass diese Kinder in die Lehrwerkstatt kommen, weil sie für die harte körperliche Arbeit noch zu klein waren."
Die "Technische Abteilung" des Chemiewerks in Buna hat den Bericht des Psychologen am 10. Dezember 1943 erhalten. Das belegen der Eingangsstempel und eine Paraphe, die von Biedenkopf oder einem seiner Mitarbeiter stammt. Der Psychologe schreibt in seinem Bericht, er schließe einen Arbeitseinsatz der 9- bis 11-Jährigen vorerst aus, die Kinder seien "noch ausgesprochen zierlich und in der körperlichen Entwicklung kindlich". Auch die 12- bis 14-Jährigen wird man nur "in einer beschränkten Zahl von Tagesstunden, etwa 4–5 Stunden, beschäftigen können". Seine Empfehlung: "Von psychologischer Seite aus muss es für richtig gehalten und vorgeschlagen werden, dass man den Kindern zunächst einen geordneten Schulunterricht in russischer und deutscher Sprache und in sonstigen lebensnotwendigen Wissens- und Lerngebieten gibt." Ob das I.G.-Farben-Werk in Buna dem Vorschlag des Psychologen folgte, geht aus den überlieferten Dokumenten nicht hervor. Was aus den Kindern geworden ist, bleibt ungewiss.
Ihm sei nicht einmal bekannt gewesen, dass Kinder in Buna als Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, sagt Kurt Biedenkopf. Er habe darüber nie mit seinem Vater geredet. Und dann spricht der 69-Jährige von damals: vom Vater, der "bekennende Kommunisten" geschützt habe, von der Schufterei auf den Rübenfeldern, zu der er und seine Freunde als 12-Jährige zwangsverpflichtet worden seien, von den Bombenangriffen auf das Chemiewerk. Und von den Panzern, die vor dem Garten der Familie in Schkopau standen und in Richtung Merseburg feuerten, wo die Amerikaner waren. "Ich war 15 Jahre alt damals, der Krieg ging zu Ende. Hätte es meinen Vater nicht gegeben, der mich vor einer Dienstverpflichtung bewahrte, wäre ich heute vielleicht nicht mehr am Leben."
Es seien vor allem diese Erinnerungen, die in ihm aufstiegen, wenn er den Bericht an seinen Vater lese. Da entstehe ein ungewöhnlich komplexes Bild, das er nicht abschließend bewerten könne und wolle. "Natürlich denke ich nach, aber ich mag nicht spekulieren, ob und in welcher Weise mein Vater in Deportation und Zwangsarbeit einbezogen war", sagt Kurt Biedenkopf. "Ich müsste ihn dazu befragen. Doch das kann ich nicht, denn mein Vater lebt nicht mehr."
Der Bericht des Psychologen ist in den 70er-Jahren im Schkopauer Archiv des VEB Chemische Werke Buna gefunden und an die Stasi weitergereicht worden. Das Mielke-Ministerium sammelte damals Material, um den Anteil der Deutschen Bank, die mit der I.G. Farben während des Krieges wirtschaftlich verwoben war, an der Ausbeutung von Zwangsarbeitern zu dokumentieren. Deshalb war der Bericht aus den Buna-Werken über die "Grobauslese" des russischen Kindertransports für die Stasi ein interessantes Dokument. Ob das MfS den Namen Biedenkopf auf dem Schreiben übersehen hat, lässt sich nicht nachvollziehen. Üblicherweise war die Stasi bei westdeutschen Politikern stets auf der Suche nach "braunen Flecken" in deren Vergangenheit, um die Bundesrepublik in der internationalen Öffentlichkeit als Hort der Faschisten zu geißeln. Vielleicht aber hatte sich beim MfS in diesem Fall auch die Vernunft mit der Überlegung durchgesetzt, man könne einen Nachgeborenen nicht für die vermeintliche Schuld seiner Eltern verantwortlich machen.
Es sei "ein Glück", sagt Kurt Biedenkopf, dass immer wieder solche Dokumente wie der Bericht an seinen Vater an die Öffentlichkeit kommen. "Sie zeigen denen, die mit dem Geschehenen nichts zu tun haben wollen und alle Verantwortung den bösen Nazis zuschieben, dass eine solche Form der Aufarbeitung von Vergangenheit nicht funktioniert." Und die Unternehmen, die sich heute einem gemeinsamen Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiter verweigern, würden ausblenden, "dass sich ihre Vorgängerfirmen, deren Namen sie heute tragen, meist ohne große Gegenwehr in das Herrschaftssystem der Nazis hineinziehen ließen", sagt Kurt Biedenkopf. Vielleicht hätten die einzelnen Firmen damals Auschwitz nicht verhindern können, "sie haben es aber auch nicht versucht. Das ist die Schuld der deutschen Privatwirtschaft."
Vor einiger Zeit habe er bei einem Kongress in Dresden, der sich mit dem Schicksal jüdischer Kinderärzte im Dritten Reich befasste, diese Überlegungen zu Schuld und Verantwortung schon einmal dargelegt, sagt Biedenkopf. Jetzt aber, wo er den Bericht an seinen Vater in den Händen halte, würden die "abstrakten Überlegungen" plötzlich konkret. "Wir tragen eine Last", sagt Kurt Biedenkopf, "und wir tragen sie alle."
(Andreas Förster)