Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 22.08.2001

Bodenständig, aber nicht hinterwäldlerisch

Steffen Flath über seine Chancen und Absichten als CDU-Parteivorsitzender - Familienpolitik soll wieder Herzstück werden
 
DRESDEN. Sachsens CDU tritt am Mittwoch in die heiße Phase der Wahl eines neuen Landesvorsitzenden. In Zwickau stellen sich bei der ersten von drei Regionalkonferenzen die beiden Kandidaten Georg Milbradt und Steffen Flath in jeweils halbstündigen Reden vor, bevor die Parteibasis Gelegenheit zu Fragen hat. Die will, wie vom Dresdner Kreisverband angeboten, sogar in Reisebus-Stärke dabei sein. Im Vorfeld der Wahl am 15. September hat sich der Riss zwischen dem Lager von Ministerpräsident Biedenkopf und Ex-Finanzminister Milbradt scheinbar vertieft. Die beiden Bewerber bemühen sich auffällig um Sachlichkeit. So vermeidet auch Landwirtschaftsminister Steffen Flath im Gespräch mit Hubert Kemper jede persönliche Schärfe.

Freie Presse: Glaubt man den Meldungen über Umfragen, so scheint das Rennen bereits für Georg Milbradt gelaufen zu sein.

Steffen Flath: Nicht Umfragen, erst recht nicht solche, die im eigenen Lager durchgeführt werden, entscheiden, sondern die Delegierten. Die können genau zwischen objektiver oder interessengesteuerter Information unterscheiden.

Freie Presse: Kritiker bemängeln Ihre zögerliche Kandidatur und fehlende kämpferische Ausstrahlung.

Flath: Ist das offene Bekenntnis, einen solchen Schritt reiflich überdacht zu haben, ein Zeichen für Schwäche? - Ich denke, der Partei kann eine ruhige Führung durchaus dienlich sein. Wer mich kennt, weiß, dass mein Harmoniestreben Grenzen kennt. Meinen Kampfgeist wird man noch früh genug kennenlernen.

Freie Presse: Ihr Kontrahent will das Profil der Partei schärfen. Haben Sie als Generalsekretär Defizite hinterlassen?

Flath: Eine Partei kann nicht stark genug sein. Sie muss Meinungen, Stimmungen, Sorgen von unten nach oben tragen und Entscheidungen vor Ort transparent machen. Darum habe ich mich vier Jahre als Generalsekretär bemüht. Unser Wahlprogramm ’99 ist nicht in der Staatskanzlei, sondern in der Partei entstanden.

Freie Presse: Milbradt zeichnet ein sehr düsteres Bild der sächsischen Union. Ist eine schonungslose Analyse nicht der richtige Neubeginn?

Flath: Der Einschätzung, die sächsische Union befinde sich in einem desolaten Zustand und nur ein alles überragender Kurt Biedenkopf habe diesen Zustand übertüncht, kann ich nicht zustimmen. Wenn in vielen Gemeinden ein Bürgermeister der CDU zum dritten Mal in Folge mit großer Mehrheit gewählt worden ist, so ist das seiner und nicht Biedenkopfs Leistung zuzuschreiben.

Freie Presse: Dennoch ist der Eindruck stark, mit Milbradt habe ein von Biedenkopf unabhängiger Kurs die besten Erfolgschancen.

Flath: Ich habe die Sachsen immer so verstanden, dass sie eine Fortsetzung der erfolgreichen Politik wünschen. Ich bin davon überzeugt, dass wir 2004 die größten Erfolgsaussichten haben, wenn wir, Partei und Fraktion, die Nachfolgeregelung im Einklang mit Biedenkopf regeln. Ich teile die Meinung nicht, der Übergang ginge ohne den Ministerpräsidenten.

Freie Presse: Was passiert, wenn Milbradt gewählt wird?

Flath: Ich gehe davon aus, dass ich eine Mehrheit für meinen Weg gewinnen werde.

Freie Presse: ... der auch zur Biedenkopf-Nachfolge führen soll?

Flath: Es muss kein Nachteil für mich sein, dass ich dieses Ziel nicht zwingend anstrebe. Aber ein starker Landesvorsitzender sollte das Verfahren fest in der Hand halten.

Freie Presse: Stört es Sie, dass Sie im Vergleich zu dem erfahrenen Ex-Minister als provinziell beschrieben werden?

Flath: Erzgebirger sind bodenständig, aber nicht hinterwäldlerisch. Ich habe meine politischen Erfahrungen in der kommunalen Verwaltung, im Landkreis, in der Partei, im Ministerium gesammelt. Auch da fehlte es, wie zuletzt in der BSE-Krise, nicht an bundespolitischer Bewährung.

Freie Presse: Schützenhilfe, die an Ihre DDR-Herkunft erinnerte, ging zunächst nach hinten los. Ist elf Jahre nach der Wende die Zeit reif für einen Sachsen an der Spitze?

Flath: Als alleiniges Kriterium bei der Personalauswahl wäre das zu dürftig. Aber die Stimmungslage geht in diese Richtung. Daran ist Kurt Biedenkopf nicht ganz unschuldig. Ihm ist es gelungen, den Sachsen wieder Selbstbewusstsein zu geben.

Freie Presse: Milbradt hat sich als harter Sparer profiliert, auch in der Familienpolitik. Jetzt besänftigt die CDU ihre Klientel wieder.

Flath: Und das ist gut so, weil die rückwirkende Kürzung des Landeserziehungsgeldes ein Kardinalfehler war, der die Union weit zurückgeworfen hat. Ich möchte, dass Familienpolitik wieder ein Herzstück der CDU-Politik wird.

Freie Presse: Und darüber hinaus?

Flath: ... stehe ich für eine vernünftige Regionalpolitik und werde dies heute auch bewusst in Zwickau, also in einer unserer Großstädte sagen. Wer die Förderung in den Zentren befürwortet hat, muss nun ebenso für den Ausgleich von Infrastruktur-Defiziten im ländlichen Raum eintreten.

Freie Presse: Vor dem heutigen Rededuell in Zwickau hat Postenschacher die Stimmung eingetrübt. Wollten Sie Milbradt mit einem Minister-Comeback von der Kandidatur abhalten?

Flath: Nein, für so töpelhaft sollte man mich wirklich nicht halten. Natürlich haben wir in den letzten Monaten über vieles gesprochen, aber nie um Posten gewürfelt. Nicht immer hat man in der Hand, was vermeintliche Helfer zum Besten geben. Das gilt für beide Seiten.
(Von Hubert Kemper)