Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 04.09.2001
Müntefering - Völlig überzogen
Müntefering zieht die Daumenschrauben an
Berlin. Franz Müntefering zieht die Daumenschrauben an. Völlig überzogen droht der Generalsekretär den 19 SPD-Abweichlern, die im Bundestag gegen einen Bundeswehr-Einsatz in Mazedonien votiert haben, mit Konsequenzen.
Müntefering braucht offenkundig ein bisschen Nachhilfe in Sachen Verfassungsrecht. In Artikel 38 des Grundgesetzes steht schwarz auf weiß, dass die Abgeordneten des Bundestages Vertreter des ganzen Volkes sind, "an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen". Das Wort Fraktionszwang taucht in der Verfassung überhaupt nicht auf. Welche Namen auf dem Wahlzettel zum Bundestag auftauchen, bestimmen im Übrigen nicht die Strategen im Berliner Willy-Brandt-Haus, sondern - ganz demokratisch - die Parteibasis in den einzelnen Wahlkreisen und die Delegierten auf Landesebene. Und die werden sich ihre Entscheidung wohl kaum von Franz Müntefering vorschreiben lassen.
Egal wie man zum Mazedonien-Einsatz der Bundeswehr steht: Als Demokrat sollte man respektieren, dass einzelne Abgeordnete in einer so wichtigen Entscheidung nur ihrem Gewissen folgen und aus der sonst üblichen Fraktionsdisziplin ausscheren. Es war schließlich die. SPD-Führung, die die Brisanz des Themas erst spät erkannt hat - zu spät, um einige Abgeordnete in den eigenen Reihen noch rechtzeitig umzustimmen.
(Dieter Schütz)