Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 30.11.1999

Schlechte Karten für Gatten, Tanten, Vetter

In Bayern normal, in Sachsen verboten: Verwandte als Mitarbeiter von Abgeordneten
 
Als Klaus Leroff 1990 zum ersten Mal in den Sächsischen Landtag gewählt wurde, war für den Rheinländer vieles neu: das Parlament, der Wahlkreis Sächsische Schweiz, die Leute. Wie sollte man da einen zuverlässigen Mitarbeiter fürs Abgeordnetenbüro bekommen? Leroff hörte sich um, schaltete eine Anzeige - und hatte Erfolg. Aus den sechs oder sieben Bewerbungen wählte er jene Frau aus, die noch heute für ihn arbeitet. "Vertrauen ist das Wichtigste", sagt der CDU-Abgeordnete. Die Mitarbeiter bearbeiten die Post, nehmen Anrufe entgegen, bereiten mitunter sogar Reden vor. In der vergangenen Wahlperiode beschäftigte jeder sächsische Abgeordnete mindestens einen persönlichen Mitarbeiter. Das spricht für deren Unentbehrlichkeit, hat aber auch noch einen anderen Grund: Das Gehalt zahlt nicht der Abgeordnete, sondern der Landtag. 3 754 Mark brutto plus Arbeitgeber-Anteil an den Sozialbeiträgen stehen dafür jeden Monat bereit. Zwar wird je nach Beschäftigungsart - Sekretärin, Sachbearbeiter, wissenschaftlicher Mitarbeiter - eine Abstufung nach unten empfohlen, zwingend ist dies jedoch nicht. Auch eine Aufteilung dieses Betrages auf mehrere Leute ist möglich; der PDS-Abgeordnete Heiko Hilker bezahlt davon vier Helfer, vom Studenten bis zum Vorruheständler. Dagegen gibt es bei der Auswahl der Mitarbeiter zwei wichtige Prämissen. Sie dürfen nicht für die Stasi gearbeitet haben und nicht mit dem Abgeordneten verwandt sein. Als ein CDU-Abgeordneter jüngst einen Neffen beschäftigen wollte, winkte die Landtagsverwaltung prompt ab. Nach den Ausführungsbestimmungen zum Abgeordnetengesetz sind Verwandte bis zum dritten Grad ausgeschlossen, also von Ehegatten über Kinder und Enkel, Onkel und Tanten, Neffen und Nichten bis hin zu Geschwistern der Ehegatten. Klaus Leroff findet das auch in Ordnung: "Das ist schließlich keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme." Im Freistaat Bayern sieht man das ganz anders. Dort beschäftigen gleich 45 Abgeordnete (bis auf eine Ausnahme alle von der CSU) Ehepartner oder andere Familienmitglieder als Bürokraft. Bisher wurde das stillschweigend geduldet. Doch seit Pläne bekannt wurden, dass die Monatspauschale von reichlich 5 500 auf über 8 100 Mark steigen soll, sehen sich diese Abgeordneten heftiger Kritik ausgesetzt. Von "Vetternwirtschaft" ist die Rede und einer neuen Form von "Amigo-Beziehungen". - An bayerischen Verhältnissen wollen sich die Sachsen auch künftig kein Beispiel nehmen. Was nicht ausschließt, dass hier und da manchen Bekannten ein Gefallen getan wird. Der neue SPD-Abgeordnete Karl Nolle machte einen Wahlkampfhelfer zum persönlichen Mitarbeiter, sein Fraktionskollege Hanjo Lucassen stellte den aus dem Landtag ausgeschiedenen SPD-Generalsekretär Joachim Schulmeyer an. Bei der PDS beschäftigt Uwe Adamczyk einen Kreisvorsitzenden seiner Partei, was nicht mal ein Einzelfall ist. Verboten ist das freilich nicht; genauso wenig wie das, was Parlamentsneuling Katja Kipping macht: Sie soll ihren Lebensgefährten zum Mitarbeiter befördert haben.
(von Steffen Klameth)

Kommentar von Karl Nolle:
Was Steffen Klameth an der Einstellung eines ehemaligen, arbeitslosen Wahlhelfers für mein Bürgerbüro kritikwürdig findet, ist für mich nicht nachvollziehbar.