Karl Nolle, MdL
FAKTuell, 19.10.2001
Nolle - in bester Verfassung
Kommentar von Christopher Ray
Ohrfeigen für die Staatsregierung verteilte das sächsische Verfassungsgericht.
Geklagt hatte "Biedenkopfs dickstes Problem" Karl Nolle. Der Mann, der trotz aller Widerstände, auch aus der eigenen Partei, Sachsens SPD erstmals ein Gesicht gegeben hat.
Nolle, den man wegen seines fast jungenhaft unbekümmerten Kampfes für die Demokratie, ohne Rücksicht auf sich und andere, oft und gerne mundtot machen möchte Nolle, der trotz aller Kränkungen und opportunistischen Verrenkungen seiner eigenen Partei massiv sein Verständnis von Opposition zum Standard macht - selbst dann nicht leise wird, wenn sein früherer Geschäftspartner, Kanzler Gerhard Schröder der Presse erklärt:
"Ich habe Nolle gesagt er soll die Klappe halten."
Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, der sich von Nolle verfolgt fühlt, seit der angefangen hat hinter die Kulissen von König Kurts Hofstaat zu schauen, hat mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts eine weitere Schlappe einstecken müssen. Und das nimmt er bei Nolle immer persönlich, wie seine Reaktionen erst in den letzten Tagen wieder gezeigt haben.
Diesmal hat Karl Nolle sich darüber geärgert, dass Biedenkopfs Staatsregierung berechtigte Anfragen mit Luftblasen beantwortet hat. Den Kern der Fragen umging, und die demokratischen Rechte der Landtagsabgeordneten mit Füssen getreten hat.
Das Gericht hat gestern entschieden, dass in der Kleinen Anfrage Nolles zum Dienstwagen des Ministerpräsidenten (3/3654) die Staatskanzlei in drei von fünf Fällen nicht umfassend geantwortet und den Abgeordneten somit in seinen Rechten beschnitten habe.
Und jetzt steht sogar seine eigene Partei hinter Nolle.
Der Chef der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Jurk, schmückt sich mit Nolles Ausdauer und Erfolg - Zitat:
„Karl Nolle hat die Staatskanzlei ertappt, als sie wieder einmal etwas verschleiern wollte“, so Jurk. Das sei die Kernbotschaft des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes.
Der gleiche Jurk, der noch zum Jahreswechsel seinen freiwilligen Canossa-Gang zu Biedenkopf unternahm, weil er sich für das Verhalten von Nolle entschuldigen wollte, sagt heute - Zitat:
„Durch das heutige Urteil wurde das Auskunftsrecht der Parlamentarier gegenüber der Staatsregierung gestärkt.“ Insofern habe das Verfassungsgericht heute eindeutig festgestellt, dass Abgeordnete keine „Bittsteller“ seien, sondern als Kontrollorgan der Regierung das Recht auf umfassende und wahrheitsgemäße Beantwortung ihrer Fragen haben.
Und was sagt Nolle: "Wir alle haben ein Recht auf umfassende Aufklärung, was für oder gegen die Menschen in Sachsen getan wird. Das scheint durch Herrn Biedenkopfs Führungsstil in Vergessenheit geraten zu sein. So gesehen bin ich nichts weiter als die Stimme, die laut und deutlich die demokratischen Regeln zitiert, an die Rechte und Pflichten erinnert und dafür einsteht, dass wir sie zurückerhalten."
Vielleicht haben Sachsens Parlamentarier bei dem durch Nolles kritischen Nachfragen veranlassten Umzug des Ministerpräsidenten unter dem dadurch aufgewirbelten Staub das lange ignorierte demokratische Regelwerk wieder entdeckt. So gesehen kann man sich nur wünschen, dass Nolle weiterhin heftig Staub aufwirbelt...
...mal sehen, was sich da sonst noch finden lässt.
(Christopher Ray)