Karl Nolle, MdL
Lausitzer Rundschau, 24.10.2001
Wieder ruppige Sitten auf dem landespolitischen Parkett
Einen Monat nach Milbradts Wahl zum CDU-Chef ist die Ruhe vorüber
Nach der spektakulären Wahl des entlassenen Finanzministers Georg Milbradt zum sächsischen CDU-Chef herrschte im Freistaat gespannte Ruhe. Die politischen Gegner von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) freuten sich eher still über das Votum der Christdemokraten, bei der CDU war Selbstfindung angesagt. Damit ist es rund einen Monat später vorbei: Auf dem landespolitischen Parkett sind wieder ruppige Sitten gestattet.
Wohl bestes Beispiel: Der "Mikrofonbeißer" Karl Nolle. Der für einige Zeit verstummte SPD-Abgeordnete, der vor einem halben Jahr die so genannte Mietaffäre ins Rollen gebracht hatte, sägt wieder an Biedenkopfs Thron. In der vergangenen Woche erzielte der Druckereibesitzer zumindest einen juristischen Erfolg. Das Landesverfassungsgericht bescheinigte ihm, dass die Regierung Fragen zur Dienstwagennutzung Biedenkopfs teils unzureichend beantwortet hatte.
Geringeres öffentliches Interesse, dafür aber gewohnt harsche Formulierungen begleiten die von Nolle vermutete "Raffzahn-Affäre". Der SPD-Mann will erfahren haben, dass nicht unbedingt bedürftige Unions-Politiker in Dresden Eigentumswohnungen mit Förderung der Sächsischen Aufbaubank erworben haben sollen.
Für "Querdenker" Nolle Ausflüsse einer "Skandalregierung" und "vordemokratischen Gesellschaft". Auch im Dauerzwist um die das Landessäckel möglicherweise schmälernde Behördenansiedlung im Leipziger Paunsdorf-Center legte Nolle nach. Er will die von ihm oft gescholtene Ingrid Biedenkopf als Zeugin vor einen Landtagsausschuss zitieren. Das will jetzt auch die PDS. Biedenkopf selbst quittierte dies seinerzeit mit der drastischen Bemerkung, die Sozialdemokraten seien mit Nolle "auf den Hund gekommen".
Dort, um im Bild zu bleiben, könnten sie möglicherweise auf zerstrittene CDU-Kollegen treffen. Für unschönen Wirbel sorgten nämlich Äußerungen der stellvertretenden CDU-Fraktionschefin Rita Henke. Sie fühlte sich vom gescheiterten Bewerber um den Parteivorsitz, CDU-Agrarminister Steffen Flath, bespitzelt. Ein in seinem Auftrag auf einer Regionalkonferenz der Partei gedrehtes Video dokumentiert offenbart einen gegen das Kabinettsmitglied gerichteten Zwischenruf der Delitzscher Abgeordneten. Der Minister stellte sie zur Rede, Frau Henke klagte über einen Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte.
Die Niederlage beim Volksentscheid zum Sachsen-Finanzverband sowie das Ringen hinter den Kulissen etwa um die Fortführung des Kulturraumgesetzes machen die Lage für die Regierung nicht eben besser. Einer schweigt zu all dem, auch in der Bieko-Nachfolgedebatte: der neue Chef der Sachsen-Union, Georg Milbradt. Offenbar sondiert der von Biedenkopf aus dem Kabinett Entlassene im Stillen die Lage und wagt sich am Samstag doch in die Öffentlichkeit. Zusammen mit der CDU-Bundesspitze will er in Coswig auf einer Parteikonferenz Flagge zeigen.
(von Thilo Alexe)