Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 28.11.2001
Biedenkopf gerät wegen Barth-Brief unter Druck
Hat Biedenkopf gelogen? Vorwurf: Barth-Brief widerspricht Angaben des Premiers vor Untersuchungsausschuss
DRESDEN. Neue Dokumente über die umstrittene Anmietung des Behördenkomplexes Leipzig-Paunsdorf durch den Freistaat erhöhen den Druck auf Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU).
Nach Auffassung von PDS und SPD überführt vor allem ein jetzt bekannt gewordener Brief des Investors Heinz Barth den Regierungschef als Lügner. Barth macht darin Angaben zu den Mietkonditionen für das Paunsdorfer Objekt, die fast wörtlich in einem späteren Schreiben Biedenkopfs an den zuständigen Finanzminister auftauchen. Vorm Landtagsuntersuchungsausschuss hatte Biedenkopf bestritten, Druck ausgeübt zu haben, damit Barths Forderungen Erfolg haben. Die PDS will Biedenkopf erneut vor den Ausschuss laden. Die Staatskanzlei wies die Vorwürfe zurück. (SZ)
Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) gerät wegen eines jetzt aufgetauchten Briefes vom Investor des Behördenzentrums Leipzig-Paunsdorf (SZ-Ausgabe 27.11.01) immer mehr unter Druck.
Die Vertreter von SPD und PDS im Paunsdorf-Untersuchungsausschuss sehen durch das Schreiben vom 29. Juni 1993 wichtige Aussagen Biedenkopfs vor dem Parlamentsgremium widerlegt. Biedenkopf hatte dort bei seiner Vernehmung angegeben, er habe die umstrittenen Mietkonditionen für das Paunsdorfer Objekt, in dem der Freistaat inzwischen mehrere Behörden angesiedelt hat, nicht von dem mit ihm eng befreundeten Geschäftsmann Heinz Barth übernommen. Der Barth-Brief enthält jedoch fast wörtlich alle entsprechenden Angaben, die Biedenkopf nur zwei Tage später auch in einem Schreiben verwendet, mit dem er seinen damaligen Finanzminister Georg Milbradt zu einer schnellen Entscheidung über die Anmietung des Barth-Objekts auffordert. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle hält Biedenkopf damit der Lüge vor dem Untersuchungsausschuss für überführt. Der PDS-Obmann André Hahn kündigte die erneute Vorladung Biedenkopfs an.
Regierungssprecher Michael Sagurna wies die Vorwürfe zurück. Aus dem Vergleich beider Briefe könne nicht der Vorwurf erhoben werden, der Ministerpräsident habe gelogen oder seine Kompetenzen überschritten. "Im Gegenteil, die Schriftstücke beweisen, dass der Premier die Entscheidung zu Paunsdorf dem Finanzministerium überlassen hat." Keine Erklärung hatte er, warum der Barth-Brief nicht zu den Unterlagen gehörte, die die Staatskanzlei dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt hat. "Wir sind auch überrascht, dass er uns nicht mehr vorliegt." Hahn drohte dagegen Minister Thomas de Maiziére (CDU), der für die Übergabe verantwortlich war, juristische Konsequenzen an. Zudem prüft er einen Antrag auf Beschlagnahme fehlender Akten.
(Gunnar Saft)
WORTPROTOKOLL BIEDENKOPF-AUSSAGEN VOM 26.2.2001
Auf Nachfragen des PDS-Abgeordneten André Hahn zu schriftlichen Kontakten mit Investor Heinz Barth: „Es war nicht die Frage gestellt worden, was ich in der ganzen Zeit seit 1992 mit Herrn Barth besprochen habe, sondern was im Vorfeld dieses 1.7.93 erfolgt ist. Und da gab es in der Tat keine schriftlichen Stellungnahmen.“ (Seite 66)
Frage des SPD-Abgeordneten Karl Nolle, wer den Vermerk über konkrete Quadratmeterangaben für die Vermietung des Bürohauses Paunsdorf konzipiert hat, die im Brief Biedenkopfs vom 1.7.93 an den damaligen Finanzminister Milbradt enthalten sind: „Ich nehme an dass ich auf die Informationen des zuständigen Hauses zurückgegriffen hab, aber ich weiß nicht, was Sie unter 'konzipiert' verstehen? Ich habe die jedenfalls diktiert.“ (Seite 114)
Rückfrage Nolles, ob eventuell der zuständige Abteilungsleiter im Finanzministerium, Michael Muster, zugearbeitet hat: „Nein, das kann nicht sein. Also das glaube ich jedenfalls nicht. Das ist nicht meine Erinnerung. Meine Erinnerung ist dass ich die entsprechenden Informationen bekommen hab, weil ich sie haben wollte, und dass ich das dann zusammengestellt habe." (Seite 115)
Rückfrage Nolles, ob Biedenkopf die im Brief enthaltenen Informationen vom Investor Heinz Barth erhalten hat: „Nein, das ist ausgeschlossen." (Seite 115)
(SZ)