Karl Nolle, MdL
Freie Presse Online, 28.11.2001
Paunsdorf sorgt für neuen Wirbel
Biedenkopf wieder Ausschusszeuge?
Dresden (ddp-lsc). Im Zusammenhang mit der umstrittenen Behördenansiedlung in Leipzig-Paunsdorf muss sich Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) möglicherweise erneut vor dem Landtags-Untersuchungsausschuss verantworten. Die PDS-Fraktion bezeichnete es am Dienstag als «unumgänglich», den Regierungschef zum zweiten Mal zu laden. Bei der Zeugenvernehmung soll geklärt werden, ob sich Biedenkopf für die von Investor Heinz Barth geforderten Mietkonditionen für das von jenem errichtete Behördenzentrum einsetzte.
Die Staatskanzlei wies das am Dienstag nachdrücklich zurück. Hintergrund für die Oppositionskritik ist ein Brief Barths an den mit ihm befreundeten Ministerpräsidenten vom Juni 1993, der die Grundlage für ein zwei Tage später verfasstes Schreiben Biedenkopfs an das Finanzministerium bildet. Darin drängt der Regierungschef angesichts auslaufender Abschreibungsfristen für den Investor auf eine «alsbaldige Entscheidung» über die Mietkonditionen.
Nach Einschätzung des parlamentarischen PDS-Geschäftsführers Andre Hahn hat der Ministerpräsident dem Land «schweren finanziellen Schaden» im Volumen von rund 30 Millionen Mark zugefügt. So habe Biedenkopf einen Ankaufspreis von 15 Jahresmieten angeregt, obwohl Barth auch 13 angeboten habe. Zudem verweist Biedenkopf in dem Vermerk auf die Meinung des Investors, wonach die Quadratmeter-Miete von 23,57 Mark «an der untersten Grenze des Machbaren» sei.
Regierungssprecher Michael Sagurna stellte klar, dass Biedenkopf in den entscheidenden Fragen zu Miethöhe und Vertragskonditionen «keine Weisungen» erteilt, sondern lediglich die zuvor offenbar mündlich formulierte Meinung des Investors weitergeleitet habe. Der Brief sei der beste «Beweis» dafür, dass der Ministerpräsident sich nicht in maßgebliche Details eingemischt habe. Im Übrigen seien die Vertragsverhandlungen bereits vor dem Briefwechsel weitgehend abgeschlossen gewesen.
Zugleich richtete der Regierungssprecher heftige Vorwürfe an das SPD-Mitglied im Paunsdorf-Ausschuss Karl Nolle. Der Abgeordnete habe den Barth-Brief, der aus neuen Akten des Landtags-Gremiums stamme, offensichtlich an Journalisten weitergegeben. Ferner legte Sagurna Nolle eine öffentliche Beweiswürdigung des Briefs zur Last, «bevor es der Ausschuss getan hat». Das Gremium sei nun in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt.
Nolle wertet die aufgetauchten Schreiben jedoch als «Amigo-Briefe». Auch die nicht im Landtag vertretene FDP sprach von «zügelloser Vetternwirtschaft». Die PDS forderte die Staatskanzlei auf, alle Akten zu Paunsdorf dem Ausschuss vorzulegen und drohte mit einem «Antrag auf Beschlagnahme».
(ddp)