Karl Nolle, MdL
Freie Presse, 06.12.2001
Angeschlagener König
Biedenkopf hat vorm Abdanken schwere Zeiten durchzustehen
DRESDEN. Wäre er zehn oder zwanzig Jahre jünger, wäre er frisch gewählt und hätte er sich durch einen leichtsinnigen Minister-Rauswurf nicht selbst eine personelle Alternative geschaffen: Kurt Biedenkopf könnte die Angriffsserie, der er seit Februar dieses Jahres ausgesetzt ist, spielend durchstehen - so wie Roland Koch, der dickhäutige Hesse. Aber Sachsens Ministerpräsident ist kein Hoffnungsträger mehr, sondern steuert auf das Ende seiner Karriere zu, und da nehmen es politische und journalistische Kritiker mit der Milde nicht so genau.
Biedenkopf wirkt angeschlagen in diesen Tagen, so sehr er sich bemüht, wie gewohnt Selbstbewusstsein nach außen zu tragen. Der Dauerbeschuss der letzten Monate hat ihm zugesetzt, der Umzug aus der wenig intimen, aber von dienstbaren Geistern umhegten Gästehaus-Atmosphäre in der Schevenstraße Kraft und Nerven gekostet. Von der Demütigung, die ihm unterschätzte Kontrahenten zufügten, ganz zu schweigen.
Biedenkopf zehrt noch von der Sympathie in der Bevölkerung, von den Verdiensten, die ihm die dankbaren Sachsen nicht vergessen. In der CDU geht man gnadenloser mit ihm um. Den kalten Wind spürte er schon beim Bundesparteitag in Dresden. Auch in der eigenen Landtagsfraktion keimt Respektlosigkeit auf. Der unberechenbare Leipziger Volker Schimpff gab gestern mit seiner Frage, ob Biedenkopf ein Vertrauensvotum im Landtag provozieren wolle, ein Beispiel.
Sachsens König hat vor seinem Abdanken noch schwere Zeiten zu bewältigen. Die CDU-Fraktion wird ihren Wahlsieger nicht fallen lassen. Aber ihre Bereitschaft, ihn zu stützen, wird mehr und mehr strapaziert.
(Hubert Kemper)