Karl Nolle, MdL

DNN, 29.07.1999

Der Königsmord - der Hit im Polit-Sommertheater

Vor den Neuwahlen im Herbst gärt es bei CDU und SPD
 
DRESDEN. Den Genossen von der PDS müßte es fast langweilig werden: Keine Krisen, kein Sommertheater, jedenfalls kein sichtbares. Anders die Konkurrenz bei den großen Parteien: Die SPD entging knapp einem Großreinemachen an der Spitze, bei der CDU jagt ein Skandälchen das nächste: erst Stadtrat Pleiner, dann Fraktionschef Grötsch, nun Parteichef Reinfried.
Unfähigkeit, unsaubere Nominierung von Kandidaten, schlechte Außendarstellung, so lauten die jüngsten Vorwürfe gegen die CDU-Spitze (die DNN berichteten). Ankläger ist Joachim Brockpähler, CDU-Mitglied seit 1982 und bis zu seinem Rücktritt am vergangenen Donnerstagabend - aus Protest, wie er sagt - Chef des CDU-Arbeitskreises "Gesprächsforum Christliche Grundwerte".
Parteichef Reinfried und Kreisgeschäftsführer Haßler, ebenfalls unter Beschuß, weilen im Urlaub, als Polit-Feuerwehrmann muß Pressesprecher Burkhard Hartung ran. Für "völligen Humbug" hält er die jüngsten Vorwürfe zu verpflichtenden Parteispenden von Kandidaten: Was die CDU gemacht habe, sei ein ganz normales Auswahlverfahren gewesen, keiner habe zahlen müssen, um aufgestellt zu werden.
Die Vorwürfe lassen sich nicht ganz so einfach wegwischen, weil der, der da laut "J`accuse" ruft, nicht nur innerparteilich etwas riskiert: Reinfried ist nicht nur CDU-Chef, sondern auch Staatssekretär im Umweltministerium und damit Chef des Mannes, der ihm da auf die Füße tritt.
Brockpähler, im Ministerium unter Reinfried angesiedelt, hatte die Partei kürzlich schon einmal angezählt: Im Februar schaltete er die Staatsanwaltschaft gegen die CDU ein, wegen einer angeblichen Parteispendenaffäre um die Privatisierung des Zweckverbands Beilrode/Arzberg. Schon dabei habe er nicht das Gespräch mit der Partei gesucht, sondern sei direkt an die Öffentlichkeit gegangen, sagt Hartung. Aus der Union ist zu hören, Brockpähler sei nur einer Abwahl zuvorgekommen, als er am Donnerstagabend sein Amt als Vorsitzender des Grundwerte-Gesprächsforums niederlegte.
Brockpählers schriftliche Kritik indes kündigt weitere Leichen im CDU-Keller an: "In Abhängigkeit vom Verlauf der folgenden Diskussion behalte ich mir vor, auch noch ganz andere Themen zu besetzen, die in erschreckender Weise den Führungsstil von Herrn Dr. Reinfried und anderen offenbaren." Hat er keine Angst, sich durch derartige Kritik beruflich alle Chancen zu verbauen? "Zivilcourage und Loyalität sind für mich keine Widersprüche", sagte Brockpähler gegenüber den DNN, und Zivilcourage habe er stets sehr hoch gehalten.
Im Oktober stehen Neuwahlen zum Vorstand an, in dem außer Reinfried und Hartung Gleichstellungsministerin Friederike de Haas, Fraktionsvize Michael Olbrich und Landtagsabgeordneter Andreas Lämmel den Ton angeben. CDU-intern ist bereits von einem Spalt in der Partei zu hören.
Einige Wochen später, am 20. November, bahnt sich ähnliches beim Parteitag der SPD an. Die Genossen vom Ortsverein Gruna haben keine zwei Wochen nach der für die SPD enttäuschenden Kommunalwahl ein Positionspapier vorgelegt. Darin fordern sie Diskussion und teilen gegen den seit 1994 amtierenden Unterbezirkschef Manfred Müntjes aus. Der sollte schon gehen, Verleger Karl Nolle war als Nachfolger im Gespräch, doch der hatte kein Interesse an dem glanzlosen Kärrnerjob.
Die Forderung der Grunaer Genossen geht dahin, die nächsten fünf Jahre zur "grundlegenden inhaltlichen, personellen, organisatorischen und atmosphärischen Erneuerung" zu nutzen. Ob es dazu kommt, bleibt abzuwarten. Wie heißt es in Tommasi di Lampedusas "Der Leopard", seinem famosen Werk über die italienische Staatsgründung? "Wenn wir wollen, daß alles bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, daß sich alles ver- ändert."
(von Stefan Alberti)