Karl Nolle, MdL
FOCUS, 17.12.2001
Rabatt ausgereizt
Landeschef Kurt Biedenkopf (CDU) verliert den Rückhalt: Die Partei ist affärenmüde
„Entdecke die Möglichkeiten" - das Hausmotto schien der prominente Kunde wörtlich genommen zu haben: In die ohnehin miese Stimmung der sächsischen CDU platzte vorige Woche die Nachricht, dass Regierungschef Kurt Biedenkopf und Gattin Ingrid sich bei Ikea einen 15-Prozent-Rabatt von 132 Mark erquengelt hatten, gegen die sonstigen Gepflogenheiten der Schweden. „Es hatte wohl mit seinem Amt zu tun", räumte Regierungssprecher Michael Sagurna ein.
Mit seinem königlich-sächsischen Sonderrabatt treibt Biedenkopf die fortgeschrittene Selbstdemontage rasant voran. „An sich ist die Ikea-Sache lächerlich", meinte Ex-Innenminister Heinz Eggert, „aber sie reiht sich ein in eine Kette schlechter Nachrichten. Dahinter könnte ein tödliches Grinsen lauem." Mehrere Abgeordnete, darunter auch Ex-Justizminister Steffen Heitmann, machten ihrem Zorn auf einer turbulenten Fraktionssondersitzung am vergangenen Donnerstag Luft. Den affärenmüden Parteifreunden gestand Biedenkopf notgedrungen zu, wogegen er sich bisher immer gewehrt hatte: Er will mit dem Parteichef und Erzrivalen Georg Milbradt Gespräche über seinen vorzeitigen Abgang führen.
Neben den Peinlichkeiten im Untersuchungsausschuss, der Biedenkopfs Einfluss auf die Anmietung eines Bürokomplexes seines alten Weggefährten Heinz Barth klären soll, nimmt sich das Rabattgefeilsche eher als Petitesse aus. Biedenkopfs Duzfreund Barth überstellte dem Ausschuss im November einen Ordner voller delikater Briefkopien und Faxe. „Ich", kommentiert Barth, „habe nichts zu verbergen." Die Dresdner Staatskanzlei möglicherweise schon: In den Akten, die sie an den Ausschuss schickte, fehlten eben jene Barth-Schreiben an Biedenkopf. Darunter auch eines, in dem der Kölner Unternehmer detailliert Mietkonditionen für den Bürokomplex auflistete. Nahezu wortgleich wandelte Biedenkopf 1993 den Brief in einen eigenen Vermerk für den damaligen Finanzminister Georg Milbradt um, allerdings mit entscheidenden Änderungen. So wollte Barth dem Freistaat einräumen, die Immobilie nach 15 Jahren zur 15-fachen Jahresmiete zu kaufen, fügte aber für Freund Biedenkopf noch seine Schmerzgrenze an: „Anmerkung: mindestens 13-fach". In seinem Brief an Milbradt ließ Biedenkopf den Hinweis auf den Verhandlungsspielraum einfach weg und schrieb vom „15-fachen der dann gültigen Jahresmiete".
Zum Fallstrick wird Biedenkopf vor allem seine eigene Aussage vor dem Untersuchungsausschuss. Auf die Frage, ob Barth ihm den Vermerk an seinen Finanzminister „konzipiert" habe, erwiderte er: „Das ist ausgeschlossen." Immer mehr Parteifreunde hoffen inzwischen, dass der „völlig realitätsblinde" Biedenkopf wenigstens zu seinem 72. Geburtstag am 28. Januar abdankt. „Vor Weihnachten", höhnt ein CDU-Mann, „kann er gar nicht zurücktreten: Er muss ja noch den Rabatt beim Geschenke kaufen abfassen."
(Alexander Wendt)