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Agenturen, dpa, 2:16 Uhr, 26.12.2001

Kurt Biedenkopf bleibt auch in turbulenten Zeiten voller Pläne

Von Jörg Schurig, dpa
 
Dresden (dpa/sn) - Auch für die «Zeit danach» hat Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) schon einen vollen Terminkalender. Die Visionen des 71-jährigen Politikers reichen weit über die Bundestagswahl im Herbst kommenden Jahres hinaus. Dieser Termin galt bislang als magisches Datum für seinen geordneten Rückzug aus dem Amt. Selbst wenn nun alles anders kommen sollte: Biedenkopf denkt schon lange an das Morgen.

Ein richtiges Rentnerdasein war bei ihm ohnehin nicht zu
erwarten. Die Vorstellung, dass Biedenkopf irgendwo in der Toskana das «Dolce vita» zelebrieren würde, passt nicht recht zu seiner Person. «Als erstes werde ich die vergangenen 10 Jahre auswerten. Und zwar nicht unter dem Gesichtspunkt einer langweiligen Chronik, sondern was man aus dem Transformationsprozess lernen kann», verrät der Politiker.

Transformationen in der Gesellschaft beschäftigen Biedenkopf von Beginn seiner politischen Karriere an. Als Ministerpräsident Sachsens war er seit 1990 auf diesem Feld Handelnder und Betrachter zugleich. Auch anderswo auf der Welt sieht er Handlungsbedarf. Unlängst saß ein chinesischer Professor in seinem Amtszimmer in der Staatskanzlei. «China steht vor der Frage, wie man einen Transformationsprozess mit 1,2 Milliarden Menschen meistern kann, ohne dass es dabei zum Chaos kommt», macht Biedenkopf die Dimension klar.

In seinem Wunsch, etwas von den Erfahrungen der vergangenen Jahre weiterzugeben, wird Biedenkopf von einem früheren politischen Gegner bestärkt: Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hat ihn ausdrücklich zu einem Buch über dieses Thema ermuntert. «Vor allem die Leute in Osteuropa sind daran interessiert», sagt Biedenkopf und verweist zugleich auf den europäischen Einigungsprozess. «Bürokraten, auch manche in Brüssel, glauben, wenn man Regeln aufschreibt, verändert sich die Wirklichkeit. Aber das ist abwegig.»

Ein weiteres Buchprojekt von Biedenkopf bezieht sich auf die Folgen der demographischen Entwicklung. Dieses Thema werde in der öffentlichen Diskussion weitgehend verdrängt. «Seit 15 Jahren rede ich mir den Mund fusselig und sage, wir bekommen da ein Problem. In 20 Jahren haben wir einen ganz kleinen Anteil an junger Bevölkerung von vielleicht 20 Prozent. Wie soll denn das Land weiterexistieren, wenn es sich darauf nicht vorbereitet?»

Versäumnisse sieht Biedenkopf dabei auch in der Regierung von Ex- Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU). «Schon vor 20 Jahren hätten wir damit anfangen müssen, in den Privathaushalten Kapital zu bilden. Da hätten wir heute kein Problem mit der Alterssicherung.» Allerdings habe die Regierung Kohl in persona von Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) die Leute dazu nicht angehalten. Gleichzeitig seien die Bürger so hoch mit Abgaben und Steuern belastet gewesen, dass privates Vermögen in einem nennenswerten Umfang gar nicht gebildet werden konnte.

Auch mit Vorträgen will Biedenkopf im gesellschaftlichen Leben präsent bleiben: «Ich habe eine Menge zu erzählen und bin durchdrungen von der Vorstellung, dass die geburtenstarken Jahrgänge die Schicksale dieses Landes in die Hand nehmen sollen». Wenn keine Zukunftsperspektiven entwickelt würden, gehe dieses «gesegnete Land» kaputt. Biedenkopf spricht von einer «grotesken» Vorstellung.

Wer auf persönliche Reflexionen Biedenkopfs wartet, dürfte gleichfalls auf seine Kosten kommen. «Wenn man älter wird, hat man ja auch mal private Interessen. Ich würde gern meine Tagebücher aufarbeiten», sagt der Politiker. Band eins ist bereits erschienen, 19 weitere gilt es erstmal zu bearbeiten. «Am letzten Band arbeite ich gerade. Er hat schon 350 Seiten.»

dpa/sn su yysn gr

260216 Dez 01