Karl Nolle, MdL

DNN, 07.10.2000

Das Schwergewicht und sein Spezi

Designierter SPD-Kandidat Karl Nolle attackiert bürgerliches Lager
 
DRESDEN. Verbrannt heißt in der Politik einer, dessen Chancen dahin sind. Karl Nolle müsste nach allen Regeln verbrannt sein, nachdem seine Ambitionen für die Oberbürgermeisterwahl 2001 vergangene Woche durchsickerten und PDS und Grünen vergrätzten. Im "Drachen" am Elbufer aber hatte gestern offenbar einer die Asche zur Seite gekehrt und gelüftet: Nolle stellte sich dort erstmals als offizieller Kandidat der SPD-Spitze ans Rednerpult, rechnete sich große Chancen auf einen Wahlsieg aus - und die oberen Zehntausend der rund 600 Dresdner SPD-Mitglieder beteuerten fest, ihm zu glauben.

Vielleicht wollten sie es einfach glauben nach monatelangem Kandidaten-Hickhack, vom nach Dortmund gewechselten Dezernenten Stüdemann über den letzten SED-Oberbürgermeister Berghofer bis zu Ortsamtsleiter Dietrich Ewers. Ganz zu schweigen von Überlegungen, mit Oskar Lafontaine oder Henning Voscherau anzutreten.

Nolle genoss sichtlich den Moment, wo sie ihm alle auf die Schulter klopften, wo seine Landtagskollegin und Unterbezirkschefin Marlies Volkmer ihn trotz seiner Diät - 13 Kilo sollen von den fast zweieinhalb Zentnern noch runter - als politisches Schwergewicht sah. Auf die Schnelle hatte er, in den Wahlkämpfen 1999 Meister der Selbstvermarktung, wieder seine Kontakte aus Juso-Zeiten in Hannover genutzt, die heute in Ministerien und ins Kanzleramt führen. "Aus alter freundschaftlicher Verbindung" gratulierte zur Nominierung sein Spezi Gerhard Schröder, Bundeskanzler und Mitgesellschafter von Nolles erster Druckerei, "der Gerd", wie er ihn nennt.

Unter den Gratulanten im "Drachen" waren auch Mitglieder der Stadtratsfraktion, auf die Nolle angewiesen ist. Als "nicht existent" hat er sie vor einigen Monaten bezeichnet, und auch gestern sah er in ihr eher eine Belastung. Eine neue SPD, wie sie Dresden bislang noch nicht erlebt hat, kündigte er den DNN an. "Neue Konzepte und interessante Ideen" sah auch Parteichefin Volkmer in ihm - Konkretes aber blieb aus. Stattdessen gab es harte Kritik an der Gegenseite: "Dürreexperimente mit der Kultur" und "unerträgliche Kürzungen im Sozialbereich" warf Nolle der "verbissenen, verkniffenen bürgerlichen Mehrheit im Rathaus" vor. Dresden müsse bunt werden.

Nolle will auch aus CDU-Kreisen Zeichen der Unzufriedenheit mit OB Wagner erhalten haben, setzt auf seine Doppelrolle als Unternehmer und SPD-Mann und sieht sich dabei "als rotes Schaf unter den schwarzen und als schwarzes Schaf unter den roten." Seine Kalkulation: Wenn ihn konservative Handwerksmeister zum Chef des regionalen Arbeitgeberverbands der Drucker wählten, wieso sollte er nicht auch als OB-Kandidat im CDU-Lager Stimmen abziehen?

"Wir machen Druck. Oberbürgermeisterwahl 2001" stand gestern noch vor dem Restaurant. Daraus könnte zukünftig "Go, Nolle, go" werden - sein Wahlkampfleiter geht demnächst quasi auf US-Schulung im Wahlkampf von Al Gore.
(von Stefan Alberti)