Karl Nolle, MdL
Süddeutsche Zeitung, 31.12.2001
Ende des glanzvollen Regierens
Ministerpräsident Kurt Biedenkopf wird im Jahr 2002 abtreten
Ein großer Auftritt in eigener Sache steht Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf noch bevor. Danach könnte der seit gut einem Jahr unter Druck geratene Regierungschef seinen Rücktritt ankündigen. Dafür mehren sich in Dresden die Anzeichen. Bei diesem wichtigen Auftritt geht es am 10. Januar um nichts weniger als Biedenkopfs Ehre, so hat er selbst die Angelegenheit vor dem Landtag eingestuft. Der 71 Jahre alte Christdemokrat soll an diesem Tag zum zweiten Mal vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags zur so genannten Paunsdorf-Affäre aussagen. Der Ausschuss untersucht, ob bei dem Bauprojekt eines engen Biedenkopf- Freundes in Leipzig-Paunsdorf durch Interventionen der Regierung Schaden für das Land entstanden ist. Mit seiner zweiten Aussage will der Ministerpräsident vor allem den gravierenden Vorwurf ausräumen, dass er bei seiner ersten Aussage gelogen hat.
Diesen Eindruck kann man aufgrund von jüngst aufgetauchten Unterlagen gewinnen. Die Oppositionsparteien PDS und SPD sehen es als erwiesen an, dass Biedenkopf bei der ersten Aussage vor einem Jahr nicht die Wahrheit sagte. Biedenkopf sieht das als Teil einer infamen Kampagne. Die sächsische CDU hat viel Wert darauf gelegt, ihm eine öffentliche Richtigstellung zu ermöglichen. In Parteikreisen heißt es, dass er sich damit einen sauberen Abgang verschaffen wolle.
Darauf deuteten auch Äußerungen des Parteichefs und potenziellen Nachfolgers Georg Milbradt hin. Der hatte vor den Festtagen erklärt, dass Biedenkopf zwischen den Jahren nachdenken werde. Milbradt bezog sich dabei auf einen möglichen Rücktrittstermin. Seine Aussagen wurden als Versuch verstanden, dem Ministerpräsidenten diplomatisch, aber doch nachdrücklich deutlich zu machen, was von ihm erwartet wird. Es heißt, dass es zu einem heftigen Konflikt in der Sachsen-Union kommen könnte, wenn Biedenkopf sich über den Januar hinaus von Rücktritts-Forderungen unbeeindruckt zeigt. Nun hat er der Welt am Sonntag erste Ergebnisse seiner Überlegungen offenbart. „Die Dinge nähern sich einem Punkt, an dem man sich fragt, ob das alles noch einen Sinn macht“.
Für seinen Abschied legen Biedenkopf und die Partei großen Wert auf einen geordneten, würdigen Abgang für den seit Ende 1990 regierenden, außergewöhnlich populären Patriarchen. Auch sein Widersacher Milbradt will nicht den Eindruck entstehen lassen, dass Biedenkopf unter öffentlichem Druck, gar wegen einer seiner vielen Affären abtritt. Nach offizieller Lesart der Sachsen-Union handelt es sich deshalb bei diesen Affären um Petitessen oder gar abwegige Vorwürfe. Das soll sowohl für den Ikea- und Karstadt-Rabatt seiner Frau wie für die Affäre Paunsdorf und seine Privilegien in der Dienstvilla gelten. In der Partei macht man sich aber wenige Illusionen, dass die Vorwürfe ganz abklingen und er noch lange glanzvoll regieren könnte. Vor allem der Ikea-Rabatt sorgt laufend für Spott, etwa dadurch, dass ein sächsisches Möbelhaus damit wirbt, dass dort alle einen Minister-Rabatt erhielten, während andere Häuser nur Ministerpräsidenten Nachlass gewährten.
Der geordnete Übergang soll so aussehen, dass Biedenkopf einen Rücktrittstermin ankündigt und seine Partei dann auf einem Parteitag in aller Ruhe einen Nachfolger aussucht. Ursprünglich wollte Biedenkopf dieses Verfahren frühestens nach der Bundestagswahl 2002 einleiten. Wenn es einige Monate früher passieren sollte, könnte dies an einem weiteren Termin liegen, dem man durch einen Rücktritt die Brisanz nehmen könnte. Am 25. Februar muss Ingrid Biedenkopf, seine Frau, vor dem Ausschuss aussagen und erklären, ob sie an dem Projekt des Freundes beteiligt ist. Dies hatte ein Zeuge vor dem Ausschuss erklärt und damit die Biedenkopfs belastet, ohne es belegen zu können.
In seiner Neujahrs-Ansprache wird der Ministerpräsident gleich zu Beginn seinen Abgang ankündigen: „Es ist heute das zwölfte Mal, dass ich zum Jahreswechsel zu Ihnen sprechen darf. Es ist heute, wie Sie wissen, auch das letzte Mal.“
(von Jens Schneider)