Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 04.01.2002
Stühle-Rücken in der Sachsen-Union schon in vollem Gange
Die CDU im Freistaat bereitet sich intern auf die Zeit nach Kurt Biedenkopf vor
Planspiele rund um ein Kabinett unter Georg Milbradt
Dresden. Hätte, könnte, sollte - in der Sachsen-Union hat der Konjunktiv derzeit Hochkonjunktur. Kaum hat Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU) per Interview und Neujahrsansprache Politikmüdigkeit signalisiert, da geht es schon um die Zeit nach ihm. "Er ist vorbei", bemüht ein Christdemokrat eine alte Seefahrerweisheit, und meint: Die Zukunft ohne "König Kurt" hat bereits begonnen. Im Mittelpunkt der Planspiele steht das Stühle-Rücken im Kabinett - eins unter CDU-Chef Georg Milbradt, als Zwischenlösung bis zum Wahltag 2004.
Es darf also spekuliert werden. Zwei Namen von Ministern tauchen stets als erste auf, die von Georg Brüggen (Staatskanzlei) und Hans Joachim Meyer (Wissenschaft). Beide hätten es sich mit Milbradt verscherzt, heißt es, beide - ganz klar - müssten gehen. Hinzu kommen die mehr oder weniger amtsmüden Ressort-Oldtimer Kajo Schommer (Wirtschaft), Hans Geisler (Soziales) und Klaus Hardraht (Innen).
Für Milbradt ist das ein Segen. Sollte er Biedenkopf-Nachfolger werden, hat er durch das mögliche Ausscheiden der Ressortchefs Manövriermasse, um Begehrlichkeiten aus dem eigenen Lager zu bedienen. Davon gibt es allein in der Fraktion genug. Von Volker Bandmann und Horst Rasch über Volker Schimpff und Veronika Bellmann bis hin zu Kerstin Nicolaus reicht die Palette jener CDU-Abgeordneten, denen Streben nach Höherem nachgesagt wird. Wirklich ministrabel, heißt es intern, sei lediglich Rasch.
Klarer ist da schon, wer auch unter Milbradt bliebe: Christine Weber. Die Gleichstellungsministerin ist nicht nur einzige Frau im Kabinett, sondern hat sich öffentlich eindeutig positioniert - für Milbradt. Sicher ist die Zukunft von Steffen Flath (Umwelt) und Stanislaw Tillich (Europa); ersterer ist zwar ein Biko-Mann, dürfte als CDU-Vize aber unverzichtbar bleiben, und Tillich hat sowieso Zukunft - als Kandidat fürs Wirtschaftsressort. Es bleiben die Minister Matthias Rößler (Kultus), Manfred Kolbe (Justiz) und Thomas de Maizire (Finanzen). Alle drei gehören zum harten Kern der Biedenkopf-Anhänger, de Maizire galt als dessen Nachfolger. In letzter Zeit freilich soll er - die schwindenden Chancen vor Augen - Besserung signalisiert haben. An ihm dürfte Milbradt festhalten, und an den anderen beiden zähneknirschend auch.
Vorher freilich muss Biko zurücktreten. Dass dies noch in diesem Jahr geschieht, ist klar, offen ist nur, wann genau. Auf März/April tippen die einen, andere sind sich sicher: "noch in diesem Monat". Am nächsten Dienstag, heißt die Parole hinter vorgehaltener Hand, sei eine Pressekonferenz geplant - kein schlechter Termin für einen Rücktritt.
(von Jürgen Kochinke)