Karl Nolle, MdL
DNN, 20.10.2000
Warum eine "zweite Marienbrücke" Nolles Problem ist
Auf der Wahlkampf-Tour fehlen dem designierten OB-Kandidaten schon mal die Fakten
DRESDEN. In den Köpfen sitzt er weiter mit am Tisch. Jörg Stüdemann hätte er aus vollem Herzen unterstützt, sagt Karl Nolle. Es ist anders gelaufen, und so hockt nicht der Ex-Kulturdezernent, sondern Druckunternehmer Nolle als designierter OB-Kandidat bei der SPD Mitte. Der Stadtausschuss der Partei hat ihn vorgeschlagen, wählen aber muss ihn die Basis, und das bringt Nolle an diesem Abend zu den Genossen.
Um die 80 Mitglieder hat die SPD hier, keine 20 sind gekommen, um Nolle zu erleben. Es ist seine dritte Station in dieser Woche. Bei ihm daheim in Striesen soll es rund gelaufen sein, in Cotta habe man ihm auf die Schulter geklopft haben, sagt sein Team.
Beim Ortsverein Mitte aber sitzt noch ein anderer Besucher, einer, der auch OB werden will: Reinhard Martin, von knapp 10 Genossen aus Plauen/Coschütz auf den Schild gehoben, Chef der Aufbaugesellschaft Prager Straße und weitgehend glückloser Käufer-Sucher für den Wiener Platz, von 1994 bis 1997 im Stadtrat. Keiner, der sich in höflichen Floskeln über die Konkurrenz ergeht. Zu undifferenziert ist ihm, dass Nolle Fehler am Wiener Platz allein OB Herbert Wagner zuschiebt. „Wenn alles, was er zu Dresden sagt, so falsch ist, dann sollt er zu Dresden lieber gar nichts sagen“, ist von ihm in einer Zigarettenpause zu hören.
Am nächsten Morgen wird sein Ortsvereinschef Roland Nedeleff den DNN wie zuvor Parteichefin Volkmer sagen, dass Martin nicht der Kandidat der SPD Plauen/Coschütz sei, dass die vermeintliche Wahl keine war, zumindest keine entgültige. Ende November wollen die Genossen nochmals abstimmen, Nolle soll sich vorher vorstellen.
Martins Kritik trifft die schwache Stelle Nolle, der im Landtag als fähiger Wirtschaftsmann gilt und als alter Schröder-Spezi Kontakte nach Berlin hat. Mangelnde kommunalpolitische Kompetenz hat bereits die PDS-Spitze moniert, die Nolle wie die Grünen so gerne auf seine Seite ziehen möchte. „Nolle. Bündnis“ soll auf den Wahlplakaten stehen, nicht „Nolle. SPD“.
Tatsächlich ist Nolle (noch) nicht faktenfest, macht im Gespräch schon mal aus der dritten die zweite Marienbrücke, bringt statt konkret belegter Kritik nicht manches Mal Polemik, nennt das Langzeit-Mietverhältnis um das Technische Rathaus „das Paunsdorf von Wagner“, ohne genau nachzulegen, spricht von „Abzockpolitik“ bei Knöllchen und Starenkästen.
Er weiß um diese Schwäche. Zeit braucht er, Zeit für die Fakten, mit denen ihn sein Team spickt. Ihm bleibt die Flucht nach vorn: Der OB müsse nicht der oberste – und im Detail versierte – Kommunalpolitiker sein, sondern „der Vorstandsvorsitzende der Rathaus-Dienstleistungs-AG“, sagt er – nichts anderes schwebt CDU-Fraktionschef Michael Grötsch mit seinem „Konzern Stadt“ vor. Nolle wirbt mit Macherqualitäten, die er OB Wagner abspricht, erzählt vom täglichen Entscheidungsdruck in seiner 60-Leute-Druckerei.
Nach gut drei Stunden kann Nolle auf seiner Liste auch die Genossen aus Mitte abhaken. Neun Ortsvereine bleiben, der nächste steht in eineinhalb Wochen an. Mehr Zeit hat er noch für die Klausurtagung der bislang zurückgehaltenden Stadtratsfraktion – eine „zweite Marienbrücke“ kann er sich dort nicht leisten.
(Stefan Alberti)
Kommentar von Karl Nolle... Es ging bei dem Brückenproblem um die Frage, Waldschlößchenbrücke (eine programmatische SPD-Festlegung und Stadtratsbeschluß) oder eine "zweite" Marienbrücke. Dies sei aber nach Auffassung von Stefan Alberti der falsche Begriff, da die "zweite" Marienbrücke richtig die dritte Marienbrücke sei und damit deutlich würde, daß der Kandidat Nolle die falschen Termine gebrauchen würde. Nolle hatte aber rein sachlich von der Waldschlösschenbrücke oder einer zweiten Straßenbrücke neben der jetzigen Marienbrücke, also einer zweiten Marienbrücke, gesprochen, wohlwissend, daß neben der jetzigen Marien(straßen)brücke sich noch eine Eisenbahnbrücke befindet. Was eben beweisen soll, daß Nolle (noch) nicht weiß, wovon er redet. Alles klar? Oder so einfach ist das.