Karl Nolle, MdL
Dresdner Morgenpost, 08.01.2002
Kassen-Schlamperei in der Schevenstraße
Schevenstraße und kein Ende
DRESDEN - Schevenstraße und kein Ende. Offiziell wurde das ehemalige Gästehaus der Staatsregierung von der Staatskanzlei verwaltet. „Praktisch" aber führte dort Ingrid Biedenkopf die Regie, wie der sächsische Datenschutzbeauftragte Giesen in einer Stellungnahme an den Landtag feststellte. Finanziell zumindest war das Regiment dabei eher locker.
Eine Untersuchung der Handkasse durch unabhängige Wirtschaftsprüfer („Ernst & Young") brachte geradezu haarsträubende Zustände an den Tag: Sämtliche Kontoauszüge vor dem 14. März 1996 fehlen. Belege und Bestätigungen für Bareinzahlungen - Fehlanzeige. Nicht mal ein Kassenbuch mit den laufenden Einnahmen und Ausgaben konnten die Prüfer finden.
Ein Teil des Handkassen-Geldes wurde auf Konten bei der Dresdner Bank gelagert, die quasi als Privatkonten auf die Namen von Haushälterin Annett W und Chefkoch Andreas Sch. liefen. Die Prüfer stellten „Barabhebungen" fest - eine Prüfung, wofür die Gelder verwendet wurden, war wegen des fehlenden Kassenbuches „nicht möglich". Als die Prüfer am 27. April 2001 erstmals offiziell Kassensturz machten, fanden sie in der Handkasse noch 500,89 Mark (256,10 Euro) vor, auf dem Konto lagen 3 322,96 Mark (1 699 Euro).
Dabei wurde offenbar nicht alles Geld streng für den dienstlichen Gebrauch verwendet. Lediglich für fünf Veranstaltungen der Staatskanzlei zwischen 11. Februar 2000 und 13. März 2001 konnten die Prüfer „Kalkulationen" finden. „In der Schevenstraße wurde Dienstliches und Privates vermischt", bemängelt Udo Theobald, Vizepräsident des Sächsischen Rechnungshofes. Was im Gästehaus offiziell aufgetischt oder von den Biedenkopfs privat verbrutzelt wurde - es dürfte wohl immer ein Geheimnis bleiben.
(gj)