Karl Nolle, MdL

DNN, 10.01.2002

Paunsdorf, Ingrid und das Ende - das Thema Biedenkopf lauert überall

Der nahende Rücktritt des Regierungschefs dominiert die Landespolitik / "Zeitkorridor im April"
 
Dresden. Zuweilen sind Neujahrsempfänge mehr als bloße Festveranstaltungen. Gestern lud Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) zum Stehimbiss, und es gab nur ein Thema: Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU) und sein Rücktritt in Kürze. Da ließ es sich auch Iltgen nicht nehmen, indirekt und staatsmännisch verpackt einen kleinen Hinweis einzustreuen. Ende Mai, meinte der Präsident vor versammelter Polit-Prominenz und sprach den Regierungschef persönlich an, sei ein Festplenum geplant, pünktlich zum zehnten Jahrestag der Landesverfassung - und alle rieben sich verdutzt die Augen: "Kein schlechter Zeitpunkt für einen Rückzug", meinte ein Minister.

Doch es dürfte wohl noch schneller gehen. "Der Zeitkorridor liegt im April", sagte ein führender Christdemokrat, das sei "längst beschlossene Sache". Und vernünftig sei es sowieso, damit sich die zerrissene Partei unter neuer Führung formieren könne für den nahenden Bundestagswahlkampf. Am Dienstag hatte Biedenkopf einen früheren Rücktritt in Aussicht gestellt, den Zeitpunkt aber offen gelassen.


Unterdessen erhielt der Regierungschef Zuspruch von ungewohnter Seite. Sachsens Kultursenat mit Künstlern wie Ludwig Güttler oder Udo Zimmermann beklagte gestern einen Verfall der Sitten. "Es ist nicht unsere Absicht, vom Ministerpräsidenten begangene Fehler zu beschönigen, für die er einzustehen hat. Aber wir wollen nicht hinnehmen, dass mit Schnüffelei und Zuträgerei als Informationsquelle immer neue Verdächtigungen produziert werden."

Unabhängig davon droht Biedenkopf weiteres Ungemach, es geht ums Behödernzentrum in Paunsdorf. Da ist zum einen der Streit zwischen seiner Frau Ingrid und Norbert Steiner. Gestern wurde bekannt, dass der Ex-Leiter des Liegenschaftsamtes Anzeige gegen Ingrid Biedenkopf gestellt hat, wegen Beleidigung. Dabei geht es um einen heiklen Satz: "Der Mensch ist ja krank", hatte die Gattin des Regierungschefs in einer Fernsehsendung über Steiner gesagt. Grund: Dieser hatte zuvor eine stille Beteiligung von ihr am Paunsdorf-Center angedeutet.

Hinzu kommt der Untersuchungsausschuss. Heute wird Kurt Biedenkopf erneut als Zeuge auftreten, und die Opposition läuft sich bereits warm. Gestern warf PDS-Obmann André Hahn dem Regierungschef vor, sich in "34 Lügen, Halbwahrheiten und Widersprüche" verstrickt zu haben. Und er ist sicher:"Es kann ihm nicht gelingen, alles aus der Welt zu schaffen."
(Jürgen Kochinke)