Karl Nolle, MdL
Lausitzer Rundschau, 09.01.2002
Biedenkopfs Amtszeit wird deutlich kürzer
Verzicht auf Mitspracherecht für Nachfolger
DRESDEN. Der Rücktritt von Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) wird offensichtlich schneller erfolgen als vorgesehen. Der ursprünglich geplante Zeitraum Ende 2002 oder Anfang 2003 werde sich „wesentlich verkürzen", sagte Biedenkopf gestern in Dresden. Auf einen genauen Termin wollte sich Biedenkopf Übergangs nicht festlegen. Der Prozess des Übergangs auf einen Nachfolger müsse so gestaltet werden, dass die sächsische CDU wieder zusammenfinde.
Seine Überlegungen wolle er deshalb zunächst der CDU-Landtagsfraktion am Mittwoch nächster Woche mitteilen. Als Ziel seiner noch verbleibenden Amtszeit nannte Biedenkopf den Abschluss eines Hochschulvertrages, der bei den Hochschulen Sachsens auf Ablehnung gestoßen war. Er denke, dass es mit den Hochschulen relativ schnell zu einem Konsens kommen werde, sagte Biedenkopf.
Der Amtswechsel in Sachsen nahm bei den wöchentlichen Kabinettsberatungen offensichtlich breiten Raum ein und wurde ausführlich debattiert. Er habe „bestätigt" gefunden, dass es nicht seine Aufgabe sei, den Nachfolger zu bestimmen, sagte Biedenkopf. Diese Entscheidung müsse von Partei und Fraktion getroffen werden. Damit verzichtet er offensichtlich auf ein Mitspracherecht, dass er im Sinne einer „einvernehmlichen Lösung" vormals geltend gemacht hatte. Den gegenwärtig aussichtsreichsten Bewerber um seine Nachfolge, den CDU-Landesvorsitzenden, Ex-Finanzminister Georg Milbradt, erwähnte Biedenkopf mit keinem Wort und kündigte lediglich an, weitere Gespräche führen zu wollen. Offen ist weiter, ob Biedenkopf nach seinem Amtsverzicht als Abgeordneter weiterhin Mitglied des Landtages bleiben wird, wie er es ursprünglich angekündigt hatte, oder sich ganz aus der Politik zurückzieht. Darüber habe er noch nicht entschieden, sagte Biedenkopf. Er wolle sich aber weiter für Sachsen einsetzen und auf absehbare Zeit in Radebeul bei Dresden wohnen bleiben.
Biedenkopf war in den vergangenen Wochen wegen umstrittener Rabattgeschäfte bei Dresdner Warenhäuser auch in seiner eigenen Partei in die Kritik geraten. Morgen wird er vor dem Paunsdorf-Untersuchungsausschuss des Landtages vernommen. Ihm wird vorgeworfen, bei Investitionen in ein Behörden-Zentrum in Leipzig-Paunsdorf Anfang der 90er Jahre Einfluss zu Gunsten eines persönlichen Freundes genommen zu haben. Von Biedenkopf werden diese Vorwürfe bestritten. Seine Rücktrittsabsichten stünden mit dem Untersuchungsausschuss in keinem Zusammenhang.
Die SPD wiederholte ihre Forderung nach Neuwahlen in Sachsen. Fraktionschef Thomas Jurk sprach von einer „verlorenen Zeit“ seit der letzten Landtagswahl. Der Freistaat habe in der Arbeitslosenzahl das Niveau von Mecklenburg-Vorpommern erreicht.
Ob Verwaltungsreform oder Bildungspolitik - die CDU sei nicht in der Lage das Ruder zum Wohle Sachsen herumzureißen. Wenn Biedenkopf am Mittwoch nächster Woche seinen Abdankungstermin verkünde, müsse er auch den Termin für Neuwahlen bekannt geben.
(Ralf Hübner)