Karl Nolle, MdL
Die Welt, 09.01.2002
Biedenkopf will im Mai oder Juni zurücktreten
Den genauen Zeitplan zum Amtsverzicht will Sachsens Ministerpräsident in der nächsten Woche verkünden
DRESDEN. Kurt Biedenkopf (CDU) rudert zurück. Der sächsische Ministerpräsident, der am 28. Januar sein 72. Lebensjahr vollendet, will voraussichtlich erst im Mai oder Juni zurücktreten. Bis dahin will der Dresdner Regierungschef Vorhaben in den Bereichen Kultur und Wissenschaft zu Ende bringen.
Im Anschluss an eine Kabinettssitzung sagte Biedenkopf gestern, dass er die CDU-Landtagsfraktion am kommenden Mittwoch über seine Rücktrittspläne informieren werde. Zugleich ließ er durchblicken, dass er den Zeitraum, den er bis zu seinem Rücktritt ins Auge gefasst hatte, „erheblich" verkürzen werde.
Doch dies stand für politische Beobachter seit langem fest. Noch Ende Dezember vergangenen Jahres hatte Biedenkopf in seiner eigenen Partei die Hoffnung auf einen baldigen Rücktritt genährt. In einem Interview sagte er: „Die Dinge nähern sich einem Punkt, an dem man sich fragt, ob das alles noch Sinn macht."
Wer Biedenkopfs Nachfolger werden soll, ist weiter offen. Biedenkopf sagte lediglich, er werde seinen Nachfolger nicht bestimmen. Diese Entscheidung müssten Partei und Fraktion ohne Hast treffen.
Als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge in der Dresdner Staatskanzlei gilt derzeit Parteichef Georg Milbradt, obwohl er nicht die Unterstützung Biedenkopfs hat. Biedenkopf hatte den früheren Finanzminister vor einem Jahr im Streit entlassen. Ein Parteitag wählte Milbradt später jedoch gegen den erklärten Willen des Ministerpräsidenten zum neuen CDU-Landeschef.
Biedenkopf steht seit Monaten wegen verschiedener Affären in der öffentlichen Kritik. Dabei geht es unter anderem um den Vorwurf der Günstlingswirtschaft. Zuletzt war er wegen eines Rabatt-Einkaufs mit seiner Frau Ingrid beim Möbelhaus Ikea unter Druck geraten.
Unterdessen sinkt im Freistaat die Popularität Biedenkopfs, für den Demoskopen noch vor einem Jahr Traumwerte ermittelten. Nach einer aktuellen „Spiegel"-Umfrage ist nicht einmal mehr jeder zweite Sachse (48 Prozent) dafür, dass Biedenkopf bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2004 im Amt bleibt. Immerhin 33 Prozent der Befragten plädieren für einen möglichst schnellen, zehn Prozent für einen Rücktritt nach der Bundestagswahl 2002.
Ein neuer Landtag wird in Sachsen 2004 gewählt. Die SPD-Fraktion hatte bereist vor einigen Tagen gefordert, dass neu gewählt werden müsse, sobald Biedenkopf zurücktrete. Schließlich hätten die Wähler in Sachsen mehr Biedenkopf denn die CDU gewählt, erklärte die SPD.
(Uwe Müller)