Karl Nolle, MdL
Agenturen, ddp-lsc, 10:45 Uhr, 13.01.2002
Kein Flughafen heißt Kurt - Ministerpräsident Biedenkopf will in dieser Woche seinen Rückzugsplan bekannt geben
Von ddp-Korrespondent Thilo Alexe
Dresden (ddp-lsc). Die Ära von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) neigt sich dem Ende. Am Mittwoch will «König Kurt» seinen Fahrplan für den Rückzug aus dem Amt bekannt geben. Nachfolgequerelen und Affären trüben den Abschied.
In Dresden wird derzeit immer wieder Shakespeare bemüht, die Königsdramen: Ist der alte Sachsenherrscher - ähnlich wie King Lear - nach elf Jahren und drei Wahlsiegen ungeliebt, verstoßen gar aus den eigenen Reihen? Mit Blick auf die Nachfolgedebatte in der CDU spricht Biedenkopf jedenfalls selbst von einer Spaltung der Partei, die durch einen Generationswechsel überwunden werden müsse.
Am meisten wird den 71-Jährigen dabei wurmen, dass der von ihm nicht mehr geschätzte Kronprinz Georg Milbradt (CDU) als Regierungschef kaum zu verhindern ist. «Noch ist er nicht Ministerpräsident», gab er jüngst im Paunsdorf-Untersuchungsausschuss süffisant zu Protokoll, als der PDS-Obfrau versehentlich der falsche Titel rausrutschte. Bald wird es der 56-Jährige, der vor rund einem Jahr wegen offensichtlicher Thron-Ambitionen aus dem Kabinett entlassen wurde, wohl sein. Beobachter gehen von einem Amtswechsel im Frühjahr aus.
Begonnen hatten die Querelen zunächst kaum spürbar auf dem Höhepunkt von Biedenkopfs Macht. Vor zwei Jahren - er feierte seinen 70. Geburtstag mit viel Prominenz in der Semperoper - reiste Biedenkopf als Bundesratspräsident, der auf dem Gipfel der Spendenaffäre auch als CDU-Chef im Gespräch war, oft nach Bonn und Berlin. In der verwaisten Residenz steckten einige Christdemokraten die Fühler aus, in der vom Biedenkopf-Getreuen Fritz Hähle geleiteten CDU-Fraktion gingen Abgeordnete unterschiedlichster Couleur auf Stimmenfang. Klar sichtbar wurden die daraus resultierenden Spannungen bei der Blamage um die Neubesetzung der Position des Stasi-Beauftragten im Land. Die von Biedenkopf und Hähle favorisierte Kandidatin scheiterte im Landtag - an Gegenstimmen der CDU.
«Wäre er früher gegangen, hätte man Straßen und Flughäfen nach ihm benannt», sagt ein Kabinettsmitglied. Doch «Biko» hatte anderes im Sinn: Neben der Vorbereitung Sachsens auf die EU-Erweiterung machte er die Verhandlungen zum Solidarpakt zur - mittlerweile erfolgreich abgeschlossenen - Chefsache. Im «Wendejahr» 2000 kostete ihn aber auch der Protokoll-Streit um eine mögliche Rede seines Altrivalen Helmut Kohl (CDU) beim Einheitsfestakt in Dresden Nerven.
Kurz darauf versuchte der in der Partei geschätzte Milbradt, einen Getreuen bei der Wahl zum Fraktionsvorsitz durchzusetzen: Ende Januar 2001 warf ihn Biedenkopf als Finanzminister raus. Doch weder dieser Akt der harten Amtsführung, noch Biedenkopfs Ankündigung, bis 2003 seinen Job zu übergeben, brachten die erwartete Ruhe. Zunächst sorgte die Mietaffäre um Biedenkopfs Privaträume im Gästehaus der Staatsregierung für wenig schmeichelhafte Schlagzeilen. Im vergangenen Herbst wurde dann das Polit-Talent Milbradt gegen «Bikos» Willen zum Parteichef gewählt. Zu - teils alten - Vorwürfen, der Ministerpräsident habe sich beim Bau des Behördenzentrums
Leipzig-Paunsdorf sehr für einen befreundeten Investor engagiert, gesellte sich der bundesweit bespöttelte Ikea-Rabatt.
Während sich die Kabinettskollegen mit Reaktionen zurückhalten und manchmal eher unauffällig regieren, brodelt es in der Fraktion. Sie muss den Nachfolger wählen - und ist in Biedenkopf- und Milbradt-Fans geteilt. Auch ein Kompromisskandidat - etwa Europaminister Stanislaw Tillich (CDU) - wird vereinzelt gefordert. Der Ministerpräsident will jedenfalls den Zeitplan für den Rückzug «wesentlich» vorverlegen - und eckt damit offenbar wieder an: 48 Prozent der Sachsen sind laut einer «Spiegel»-Umfrage für seinen Verbleib im Amt bis 2004.
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