Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 15.01.2002

Eine redlich bemühte Vorsitzende

Parteichefin Krehl sucht Frieden mit der Fraktion
 
DRESDEN. "Wir an der Basis verstehen überhaupt nichts mehr", macht sich der Chef eines sächsischen SPD-Unterbezirks Luft. "Die alberne Posse muss endlich ein Ende haben!" Anlass für den Ausbruch ist der seit Tagen schwelende Zwist zwischen Parteichefin Constanze Krehl und Landtagsfraktionschef Thomas Jurk um die Forderung nach Neuwahlen bei einem Rücktritt von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU). Am Wochenende verkündete Krehl nun ihren Sieg: Jurk sei von seiner Forderung abgerückt. Der dementierte prompt. Morgen will Krehl nun die Fraktion besuchen und einen Schlussstrich unter den Streit ziehen - erneut.
Wieder einmal haben die beiden SPD-Spitzenfunktionäre vor allem eines bewiesen: Die Kommunikation zwischen ihnen ist mehr als gestört. Mit der sorgfältig formulierten Pressemitteilung, die CDU und PDS die Schuld am Scheitern der Neuwahlen-Idee gab, hätten die Beteiligten ihr Gesicht wahren können. Doch Krehls Äußerung ließ den Konsens platzen. Ihre Begründung, sie sei missverständlich zitiert worden, hilft da kaum.

Gefundenes Fressen für parteiinterne Kritiker

Der neuerliche Eklat bestärkt Kritiker innerhalb der SPD: Führungsschwäche und politische Unerfahrenheit werfen sie der 45-Jährigen immer wieder vor. Als Europaabgeordnete sei sie ohnehin viel zu weit weg von Sachsen. In der Tat erwarb Krehl nach der Wende ihr politisches Handwerkszeug außerhalb Deutschlands. Eine kurze Episode in der frei gewählten Volkskammer macht da keinen Unterschied.

Trotzdem will Krehl auch in Sachsen mitmischen. Der Konflikt mit der Landtagsfraktion ist programmiert: Krehls Abneigung gegen rot-rote Gedankenspiele sichert ihr zwar die Sympathie bei der Basis, besonders im Leipziger Raum. Für die Realpolitiker der Landtagsfraktion ist die starre Haltung der Parteichefin aber ein rotes Tuch.

Auch Jurks anfängliche Unterstützung erlahmte mit der Zeit. Sein Engagement für eine Wiederwahl Krehls im Sommer 2000 wirkte eher wie ein Putschversuch: "Sie hat sich redlich bemüht, und der Parteitag wird zeigen, wie die Basis das sieht." Diese war zufriedener mit Krehl: 87,9 Prozent stimmten für die Wiederwahl. Und das, nachdem sie acht Monate zuvor mit gerade 60,9 Prozent bestätigt worden war. Die Partei hatte ihr zunächst übel genommen, dass Amtsvorgänger Karl-Heinz Kunckel sie am Abend des Landtagswahl-Debakels 1999 zur Nachfolgerin ausgerufen hatte.

Wenn Krehl und Jurk gemeinsam in die Schlagzeilen kommen, dann meist als Streithähne: Mal kritisiert die Fraktion Krehls rot-schwarze Zukunftsvisionen; diese revanchiert sich mit bösen Briefen, wenn sie die SPD-Fraktion auch nur in PDS-Nähe wittert. Es sei dahingestellt, ob die Doppelspitze menschlich nicht miteinander kann, wie viele behaupten. Fakt ist, dass es bei der Basis so ankommt. Wer zu offiziellen Terminen mit beiden reden will, pendelt quer durch den Raum, beschweren sich führende Parteimitglieder. Gern wird auch erzählt, wie sich Jurk bei Klausurtagungen aus der Gesellschaft Krehls stiehlt: "Ich muss noch Rasen mähen."
(Andreas Novak)