Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 16.01.2002

Kein Selbstzweck

Erinnerungen an die Aktion „Löschtaste" im Kanzleramt werden wach
 
DRESDEN. Erinnerungen an die Aktion „Löschtaste" im Kanzleramt werden wach: Nahezu besenrein hatte die alte Bundesregierung 1998 die Räume der Regierungszentrale an ihre Nachfolger übergeben. Wichtige Akten waren geschreddert oder außer Haus geschafft worden.

Auch in der sächsischen Staatskanzlei nimmt man es mit der Pflicht zur peniblen Dokumentationspflicht offenbar nicht so genau. So sind nach Erkenntnissen des sächsischen Datenschutzbeauftragten Schriftstücke zur Paunsdorf-Affäre nicht mehr auffindbar, darunter auch ein Brief, der Ministerpräsident Biedenkopf belastet. Das gibt Anlass zu jeder Menge Spekulationen. Die Reaktion aus der Staatskanzlei klingt nicht wirklich besorgt. Im Gegenteil: Wer was verschwinden ließ, will man dort gar nicht so genau wissen.

Schon der Untersuchungsausschuss des Landtags hat sich mehrfach über verschwundenes Beweismaterial beklagt. Exakte Aktenführung ist aber kein Selbstzweck. Es ist unentbehrlich für die parlamentarische Kontrolle, dass die Regierung ihre Entscheidungen und sämtliche Vorgänge auf Papier oder Festplatte festhält. Auch der Bürger hat einen Anspruch darauf, dass politische Prozesse wenigstens im Nachhinein untersucht werden können. Und daher sind Regierungsunterlagen keine Privatsache, mit der Politiker oder Beamte nach Belieben verfahren können.
(Karin Schlottmann)