Karl Nolle, MdL

Pressemitteilung, Sächsische Staatsregierung, 16.01.2002

Biedenkopf: Rückgabe des Amtes am 18. April

Nachfolgeentscheidung in einem geordneten Verfahren
 
Der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Prof. Kurt Biedenkopf, hat heute, Mittwoch, 16. Januar 2002, vor der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages folgendes erklärt:

„Nach Beratung mit den Mitgliedern meines Kabinetts, mit meiner Familie und mit meinen Freunden habe ich mich entschlossen, das mir vom Landtag übertragene Amt des Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen mit Wirkung vom 18. April 2002 an den Landtag zurückzugeben. Den Landtagspräsidenten habe ich gebeten, mir am 17. April 2002 die Gelegenheit zu geben, dem Landtag einen meine Amtszeit abschließenden Bericht zu erstatten.

Dass ich im Jahre 2004 nicht erneut für den Sächsischen Landtag und für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren werde, habe ich der sächsischen Bevölkerung bereits vor der letzten Landtagswahl im September 1999 mitgeteilt. Unserer Landtagsfraktion habe ich im Januar 2001 meine Absicht erläutert, mein Amt im Laufe der Legislaturperiode an einen Nachfolger weiterzugeben, um auch dadurch der mir übertragenen Verantwortung für unser Land gerecht zu werden. Dem Nachfolger und seinem Kabinett wird damit die Möglichkeit eingeräumt, sich auf der Grundlage der gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse in die neuen Aufgaben einzuarbeiten und die weitere Politik für den Freistaat zu gestalten. Zugleich ist gewährleistet, dass die Wähler sich bereits vor der Landtagswahl ein Urteil über die neue Regierung des Freistaates Sachsen bilden können, wenn diese sich im Herbst 2004, zusammen mit der Sächsischen Union, zur Wiederwahl stellt.

Was den Zeitpunkt der Amtsübergabe angeht, standen grundsätzlich zwei Alternativen zur Wahl: Ende 2002, nach der kommenden Bundestagswahl, und die Mitte der Legislaturperiode im April 2002. In Abweichung von früheren Überlegungen habe ich mich für die zweite Alternative entschieden. Sie hat, neben Gesichtspunkten, die mit den Erfordernissen des Bundestagswahlkampfes, aber auch mit innerparteilichen Gegebenheiten zusammenhängen, den Vorteil, dass der Haushalt für die Jahre 2003 und 2004 bereits von der neuen Regierung beschlossen und in den Landtag eingebracht werden wird, die ihn und damit seine politischen Grundsätze im Jahre 2004 gegenüber den Wählern vertreten muss. Andererseits kann mein Kabinett in den kommenden drei Monaten die Arbeit am geplanten Hochschulkontrakt und der Erneuerung des Kulturraumgesetzes abschließen. Beiden Projekten messe ich für die Zukunft des Landes besondere Bedeutung bei. Schließlich bleiben Fraktion und Partei in den kommenden drei Monaten ausreichend Zeit, ohne Eile in einem geordneten Verfahren über die Nachfolge zu entscheiden.

Der CDU-Fraktion im Landtag und ihrem Vorsitzenden Dr. Fritz Hähle danke ich schon heute für eine vertrauensvolle, durch Offenheit und Ehrlichkeit geprägte fruchtbare Zusammenarbeit zum Wohle des Freistaates. Besonders danke ich für die Loyalität und Solidarität, mit der mich die Fraktion während der Auseinandersetzungen und Anfeindungen im zurückliegenden Jahr ausgezeichnet hat. Ihre große Mehrheit hat meiner Frau und mir ihre Unterstützung und Ermutigung auch in den Fällen nicht verweigert, in denen eigene Fehler zum Anlass bundesweiter Kampagnen genommen wurden, die nach Form und Inhalt in keinem Verhältnis zu ihrem Anlass standen.

Zu meinem großen Bedauern kann ich der sächsischen CDU für das letzte Jahr nicht in gleicher Weise danken. Zwar schulde ich auch hier meinem Freund Fritz Hähle als langjährigem Vorsitzenden unserer Partei besonderen Dank für eine durch Freundschaft, Verlässlichkeit, aber auch kritische Begleitung geprägte Zusammenarbeit. Dank gebührt der großen Mehrheit unserer Mitglieder und der überwältigenden Mehrheit unserer Wähler. Sie haben mich als ihren Ministerpräsidenten bis heute getragen und mir mit ihrer Unterstützung die Kraft gegeben, ohne die ich meiner Verantwortung auch in schwierigen Zeiten nicht hätte gerecht werden können.

Für die neue Führung der Partei und für einen Teil ihrer Funktionsträger gilt dies jedoch nicht. Die „Geschäftsgrundlage" für meine Bereitschaft, im Herbst 1990 für die sächsische CDU zu kandidieren, war die von der Partei akzeptierte Bedingung, dass ich bei der Besetzung meines Kabinetts in meinen Entscheidungen frei sein würde und dass es keine gegen den Ministerpräsidenten gerichtete Intrigen geben sollte. Bis zum Ende des Jahres 2000 haben wir uns an diese Vereinbarung gehalten. Dass dies im Interesse unserer Partei wie der politischen Entwicklung des Landes lag, beweisen der für CDU-Verhältnisse einmalige politische Erfolg der Sächsischen Union in drei Landtagswahlen, die Zustimmung, die die Arbeit des Ministerpräsidenten in dieser Zeit bei der Bevölkerung genoss, die politische Stabilität des Freistaates und die allgemeine positive Entwicklung Sachsens.

Im zurückliegenden Jahr wurde diese Geschäftsgrundlage unserer gemeinsamen Arbeit von Teilen der Partei nicht mehr respektiert. Meine Entscheidung vom Januar 2001, den damaligen Finanzminister aus politischen Gründen zu entlassen, die für mich zwingend waren, wurde nicht nur von ihm selbst, sondern auch von weiteren Funktionsträgern der Partei bekämpft. Durch die Wahl des entlassenen Finanzministers zum neuen Parteivorsitzenden schließlich gab mir die Mehrheit der Parteitagsdelegierten im September 2001 zu verstehen, dass sie nicht bereit waren, die Gründe für meine Personalentscheidung zu respektieren.

Trotz Bedenken habe ich die Entscheidung des Glauchauer Parteitages gleichwohl akzeptiert. Dabei habe ich mich - wie viele andere - von der Hoffnung leiten lassen, es könne ungeachtet der entstandenen Spannungen gelingen, zu der Zusammenarbeit zum Wohle von Land und Partei zurück zu finden, die der neue Vorsitzende in Glauchau versprochen hatte. Diese Hoffnung wurde in den zurückliegenden Monaten enttäuscht. Die Parteiführung suchte nicht die Gemeinsamkeit. Während der letzten zwei Monate betrieb sie vielmehr, parallel zur Opposition im Landtag, den Rücktritt des Ministerpräsidenten - zuletzt durch die offene Forderung des Generalsekretärs und die eindeutige Empfehlung des Landesvorsitzenden, ich möge zurücktreten. Beide zerstörten damit dauerhaft die Voraussetzungen für eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit.

Dies ändert jedoch nichts an meiner und meiner Frau Dankbarkeit für das Geschenk, an der Vollendung der Deutschen Einheit und am Aufbau und der Zukunft des Freistaates Sachsen mitarbeiten zu können. In den kommenden Monaten wird meine Arbeit als Ministerpräsident weiterhin von dem Ziel bestimmt sein, das Wohl unseres Landes zu mehren. Auch nach dieser Zeit werde ich unserem Land verbunden bleiben: Als Anwalt der Sachsen, als Werbender für den Freistaat und mit Rat und Tat, wo immer beides gebraucht werden mag."