Karl Nolle, MdL
DNN, 17.01.2002
Biedenkopfs bitterer Abgang
Rücktritt am 18. April - Milbradt steht bereit
DRESDEN. Das Rätselraten ist zu Ende:Sachsens Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU) tritt am 18. April zurück. Mehr als zwei Jahre vor Ende der Legislaturperiode zog der dienstälteste Ost-Ministerpräsident gestern die bittere Konsequenz aus zahlreichen Affären.
Gleichzeitig kritisierte Biedenkopf auf einer Pressekonferenz in Dresden CDU-Landeschef Georg Milbradt massiv. Der frühere Finanzminister bekräftigte dagegen seine Ambitionen auf das Regierungsamt. Der 71-jährige Ministerpräsident sagte, für seine noch ungeklärte Nachfolge werde er keine persönliche Empfehlung abgeben. Gleichzeitig warf er seinem parteiinternen Widersacher Milbradt, den er im Streit um die Nachfolge vor einem Jahr aus dem Kabinett entlassen hatte, Illoyalität vor. "Meine Entscheidung vom Januar 2001 wurde nicht nur von ihm selbst, sondern auch von weiteren Funktionsträgern der Partei bekämpft", sagte Biedenkopf. Teile der CDU hätten sich durch Intrigen hervorgetan. "Es ist wohl ein einmaliger Vorgang in Deutschland, dass ein Parteitag einen vom Ministerpräsidenten entlassenen Minister zum Vorsitzenden wählt." Im September 2001 war Milbradt gegen den Willen Biedenkopfs zum CDU-Vorsitzenden gewählt worden.
Milbradt wollte gestern zu der Kritik keine Stellung nehmen. "Ich werde gegen den Ministerpräsidenten öffentlich kein Wort sagen. Das ist nicht der Stil, mit dem wir Probleme lösen", sagte er. Gleichzeitig würdigte er die Verdienste von Biedenkopf. Mit dessen Rücktritt gehe eines der erfolgreichsten Kapitel der deutschen Wiedervereinigung zu Ende. Mit Blick auf die inneren Machtkämpfe mahnte der Ex-Finanzminister zur Geschlossenheit. Sollten Fraktion und Partei nicht an einem Strang ziehen, "wäre das das Ende der CDU-Herrschaft in Sachsen". Er selbst stehe als potenzieller Nachfolger zur Verfügung. Das Votum auf dem Landesparteitag sehe er "als Verpflichtung, mich um das Amt des sächsischen Ministerpräsidenten zu bewerben", sagte Milbradt.
SPD und die nicht mehr im Landtag vertretene FDP erneuerten unterdessen ihre Forderung nach Neuwahlen. Für die SPD sei dies der "politisch sinnvollste Weg", erklärten Parteichefin Constanze Krehl und Fraktionchef Thomas Jurk (beide SPD). Milbradt lehnte dies ebenso ab wie die PDS. Deren Fraktionschef Peter Porsch sagte, Neuwahlen würden "die politische Lähmung verlängern".
Bereits gestern zeigte sich, dass die Entscheidung von Biedenkopf Auswirkungen auf das Kabinett hat. Sowohl Wirtschaftsminister Kajo Schommer als auch Sozialminister Hans Geisler erklärten, sie stünden nach dem Rückzug des Regierungschefs nicht mehr zur Verfügung. Justizminister Manfred Kolbe strebt ein Abgeordnetenmandat im Bundestag an.
(Eig. Bericht/ J.K.)