Karl Nolle, MdL
BILD-Zeitung Dresden, 17.01.2002
Biedenkopfs bitterer Abschied
20 Minuten rechnete er mit seinen Parteifreunden ab, dann ging er…
DRESDEN. Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (71, CDU) geht mit einem Paukenschlag. Noch in seiner Rücktrittserklärung versuchte er, den möglichen Nachfolger Georg Milbradt (56, CDU) politisch zu erledigen!
Der dramatische Tag gestern in Dresden: 9.57 Uhr geht Biedenkopf in die Sondersitzung der CDU-Landtagsfraktion. Die Wintersonne blendet. Ein Saaldiener zieht die Vorhänge zu. Fraktionschef Fritz Höhle lässt sein Glöckchen klingeln: Sitzung eröffnet.
Dann hebt Biedenkopf an: „Nach Beratung mit den Mitgliedern meines Kabinetts, meiner Familie und Freunden habe ich mich entschlossen, das Amt des Ministerpräsidenten mit Wirkung vom 18. April an den Landtag zurück zu geben."
Schließlich lässt er die Bombe platzen: Er habe keinen Grund, der CDU zu danken. Parteichef Milbradt wirft er Intrigantentum vor! Biedenkopf: „Die Parteiführung suchte nicht die Gemeinsamkeit. Während der letzten Monate betrieb sie vielmehr, parallel zur Opposition, den Rücktritt des Ministerpräsidenten..." 20 Minuten Verbitterung und Hass.
Lähmendes Entsetzen bei vielen Abgeordneten. Das Wort von der „Dresdner Dolchstoßlegende" macht die Runde. Biedenkopf will seinen gefeuerten Finanzminister Milbradt zum Königsmörder stempeln.
Trotzdem Beifall. Dann Dankesworte von Hähle: „Ich bedaure sehr, dass unsere Zusammenarbeit bald endet." CDU-Chef Milbradt verkneift sich jede kritische Bemerkung: Ich möchte mich im Namen der sächsischen Union herzlich für die 11 Jahre bedanken." Loyalität bis zur Lächerlichkeit.
Hinterher machen sich mehrere Abgeordnete Luft. Ex-Innenminister Heinz Eggert: „Es hätte so ein schöner Tag werden können, wenn Biedenkopf auf seine bitteren Kleinkariertheiten verzichtet hätte."
CDU-Generalsekretär Hermann Winkler: „Wie Semmeling, 7. Teil." Biedenkopf hofft auf Rückhalt in der Fraktion, will einen Ministerpräsidenten Milbradt um jeden Preis verhindern, auch wenn die Partei ihn nominiert. Milbradt: „Wenn Partei und Fraktion in dieser Frage auseinanderfallen, bedeutet dies das Ende der CDU-Herrschaft in Sachsen."
Und damit tatsächlich Neuwahlen.
(BILD)