Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 17.01.2002

Die Nachfolge: Wer steigt in den Ring?

Milbradt ist respektiert, aber nicht geliebt - Kandidaten scheuen das Risiko
 
DRESDEN. Alles redet über Georg Milbradt, doch bleibt er der einzige Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten? Die Frage beschäftigt das Lager des Ex-Finanzministers ebenso wie dessen Kritiker. Der Wunsch nach einem Regierungschef, der mit dem Segen Biedenkopfs in sein Amt und die bevorstehenden Wahlkämpfe ziehen könnte, ist in der CDU stark ausgeprägt.
Milbradt wird ein hohes Maß an Kompetenz und Durchsetzungsvermögen zugesprochen. Doch seine oftmals schroffe Art weckt Zweifel an der Akzeptanz im Wahlvolk. Angst, im Glanz eines SPD-Matadors Wolfgang Tiefensee zu verblassen, verbindet sich in der CDU mit der Befürchtung, dass Milbradt als Teil der Kampagne gegen das „System Biedenkopf“ mit Alt-Lasten konfrontiert werden könnte. Das summiert sich zu dem Wunsch, einen völligen Neubeginn starten zu können. Nachdem die „U-50-Riege“ der „jungen“ Minister nur ein kurzlebiger PR-Gag blieb, konzentiert sich das Interesse jetzt nur noch auf drei mögliche Namen. Alle drei Minister haben aber bereits mehr oder weniger deutlich abgewunken. Steffen Flath, der sich von Biedenkopf gegen Milbradt ins Rennen schicken ließ, fühlt sich im Amt des Landwirtschaftsministers gut aufgehoben. Als Partei-Vize ist der Annaberger zusätzlich abgesichert. Sein Bedarf an Bewerbungsreden ist befriedigt.

Stanislaw Tillich, der Youngster im Kabinett, erfüllt viele Voraussetzungen: Er ist eloquent, politisch noch unverbraucht und wäre ein telegener Tiefensee-Widerpart. Seine Handikaps: Sein Ressort als Europaminister ist ein besseres Referat, als möglicher Wirtschaftsminister mit Wahlkreisabsicherung in der Lausitz ginge der Sorbe ein geringeres Risiko ein.

Auch Thomas de Maizière dürfte bei allem Ehrgeiz seine Chancen nüchtern abwägen. Der Finanzminister ist wie sein Amtsvorgänger Milbradt ein kühler Rechner und verfügt über administrative Erfahrungen. De Maizière bemüht sich erfolgreich um eine stärkere Ausstrahlung, doch fehlt ihm die Einbindung in die CDU-Fraktion. Zudem erfüllt der Offizierssohn und Vetter des letzten DDR-Ministerpräsidenten nicht die Sehnsucht der Sachsen nach einem ostdeutschen „Eigengewächs“.

Da würde man bei Milbradt eine Ausnahme machen. Nach mehr als zehn Jahren in Dresden wohnend, gilt er als „eingebürgert“. Zudem stieß der von Biedenkopf Verstoßene zuletzt bei der Ahnenforschung sogar auf Vorfahren aus Polen.
(hk)