Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 24.01.2002
Grünes Licht für Milbradt
Mehrheit der Kreisverbände und CDU-Abgeordneten steht hinter Parteichef
DRESDEN. Der Handtuchwurf erfolgte rechtzeitig. Drei Tage vor der Sitzung des CDU-Landesvorstandes, auf dem das Prozedere für die Wahl des Nachfolgers von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) festgelegt werden soll, verzichtete Finanzminister Thomas de Maiziere (CDU) offiziell auf eine Kandidatur. Im Interesse der Einheit der sächsischen CDU wolle er nicht gegen Parteichef Georg Milbradt antreten, verkündete der Minister gestern in einer persönlichen Erklärung vor der CDU-Landtagsfraktion. Damit setzte er einen Schlussstrich hinter die seit Tagen anhaltenden Spekulationen über ein erneutes Machtduell in der Sachsen-Union.
Für Milbradt scheint der Weg in Richtung neuer Regierungschef damit endgültig frei zu sein. Er bleibt der einzige Bewerber, ernsthafte Gegner sind nicht in Sicht. Vor dem für März geplanten Sonderparteitag, der einen Nachfolgekandidaten vorschlagen soll, stellen sich immer mehr Parteimitglieder hinter ihn. In einer SZ-Umfrage signalisierten bereits 18 von 27 CDU-Kreisverbänden ihre Unterstützung für Milbradt. Kreisverbände wie in Bautzen oder dem Niederschlesischen Oberlausitzkreis machen dies dagegen davon abhängig, ob er der einzige Bewerber bleibt. Offen gegen den CDU-Chef votierte kein Kreisverband. Auch Thomas Czupalla, Landrat und CDU-Chef in Delitzsch, verwies darauf, dass "die Front gegen Milbradt nicht länger an einem Kreisverband festgemacht" werden könne. Falls es für ihn eine Mehrheit gibt, werde man die Entscheidung akzeptieren. Czupalla galt lange als möglicher Anführer einer Gegenfront zu Milbradt, nachdem es in den vergangenen Tagen zu mehreren Treffen mit Biedenkopf gekommen war. Moderate Töne kommen auch aus dem Vogtlandkreis, wo man sich vor vier Monaten massiv gegen die Wahl Milbradts zum Parteichef gestellt hatte. CDU-Kreischef Fredo Georgi: "Bleibt es allein bei Milbradt, werden wir ihn unterstützen. Wenn es keine vernünftige Alternative gibt, macht alles andere keinen Sinn."
16 Abgeordnete auf Gegenkurs
Trotz des Stimmungsumschwungs gibt es aber auch warnende Stimmen. Sozialminister Hans Geisler rief die Partei gestern zur Suche nach einem zweiten Kandidaten auf. Auch der Verzicht de Maizieres änderte nichts an Geislers Ablehnung. "Ich habe meine Zweifel, ob der designierte Kandidat langfristig, also über 2004 hinaus, die erfolgreiche Lösung ist." Mehrere CDU-Abgeordnete, darunter der Ausländerbeauftragte Heiner Sandig, unterstützen Geisler dabei. "Milbradt hat keine Mehrheit, deswegen müssen wir uns um einen Alternativkandidaten bemühen, hinter den sich die Fraktion geschlossen stellen kann", meint der Chemnitzer Wolf-Dieter Beyer. Der Oberlausitzer Peter Schowtka kritisiert, dass Alternativkandidaten Steine in den Weg gelegt werden. "Das Umfeld von Milbradt verbreitet derzeit Angst und Schrecken." Die CDU-Abgeordneten sollten aber allein ihrem Gewissen folgen, so Schowtka. Solche Stimmen sind in der Fraktion zurzeit aber in der Minderzahl. In einer Umfrage der SZ-Online-Redaktion haben sich bisher 48 CDU-Abgeordnete hinter Milbradt gestellt, zwölf sind noch unentschlossen. Nur 16 CDU-Fraktionäre steuern weiter Gegenkurs zu Milbradt.
Abgewartet wird jedoch, ob sich der Kandidat in den nächsten drei Monaten noch entscheidende Fehler leistet. Immerhin wird fest mit neuen öffentlichen Attacken gerechnet. So machen in Dresden Gerüchte über vermeintliche finanzielle Ungereimtheiten während Milbradts Amtszeit als Kämmerer in Münster die Runde. Auch Milbradts erneute Vernehmung vor dem Paunsdorf-Untersuchungsausschuss sorgt für Unruhe, nachdem er dort kürzlich von Biedenkopf indirekt belastet worden war. Der CDU-Chef reagierte besonnen. Seiner Zustimmung zur Erklärung de Maizieres folgten versöhnliche Worte. "Biedenkopf hat große Verdienste. Ich würde mich freuen, wenn er uns auch künftig in einer neuen Funktion begleitet", so Milbradt mit Blick auf die Bundestagswahl und die Landtagswahl 2004.
(Gunnar Saft)