Karl Nolle, MdL
DNN, 04.11.2000
Ein Dresdner im US-Wahlkampf
Und gleich zu Hillary, Interview der Woche
Am Dienstag wählen die US-Bürger ihren Präsidenten und die meisten ihrer Parlamentarier neu. Mittendrin im amerikanischen Wahlkampf ist Thomas Kralinski (28) aus Dresden. Im Staat New Jersey wirbt der Politikwissenschaftler seit zwei Wochen für Al Gore und den demokratischen Senatskandidaten Jon Corzine – zuhause ist er Mitarbeiter und zukünftiger Wahlkampfchef des Landtagsabgeordneten Karl Nolle, designierter OB-Kandidat der SPD. Mit ihm sprach DNN-Redakteur Stefan Alberti.
DNN: Herr Kralinski, wobei treffen wir Sie gerade an?
Thomas Kralinski: Wir wollen gleich ins Wahlkampf-Hauptquartier von Hillary Clinton nach Manhattan.
DNN: Ist die denn da?
Thomas Kralinski: Wahrscheinlich nicht – sie muss außerhalb der Stadt noch ein paar Stimmen sammeln, auch wenn sie in den Umfragen führt.
DNN: Wie kommt einer von Dresden in den US-Wahlkampf?
Thomas Kralinski: Über einen Freund, der ein halbes Jahr bei der Demokratischen Partei gearbeitet hat. Der hat mir den Job bei Corzine vermittelt.
DNN: Die werden Sie aus Deutschland nicht gerade als Chef-Strategen eingeflogen haben – was machen Sie da in diesem Wahlkampfbüro?
Thomas Kralinski: Ein bisschen Mädchen für alles: Ich rufe die registrierten Wähler an, mache Umfragen, tüte Briefe ein, stehe am Kopierer. Das hört sich nicht so spannend an, ist aber trotzdem interessant, weil die Stimmung dabei ganz anders ist als in Deutschland.
DNN: Wie anders?
Thomas Kralinski: Die Leute sind viel engagierter und gehen anders mit Politik um. Da ist es selbstverständlich, dass in vielen Vorgärten ein Schild mit dem Namen des jeweiligen Favoriten steht.
DNN: Bei Ihnen auch?
Thomas Kralinski: Natürlich. „Corzine“, blau auf weißem Grund – meine Vermieterin arbeitet auch bei den Demokraten.
DNN: Der gesamte Bundestagswahlkampf der SPD 1998 kostete 60 Millionen Mark – von Corzine liest man, er habe 35 Millionen Dollar allein in seinen Vorwahlkampf gesteckt.
Thomas Kralinski: Bis zum Wahltag wird er wohl 60 Millionen Dollar ausgegeben haben. Das ist ein Rekord, niemand hat je pro Einwohner mehr Geld in einen Wahlkampf investiert. Der Mann ist schwer reich, er wird auf 400 Millionen Dollar geschätzt.
DNN: Was macht so einer bei den Demokraten?
Thomas Kralinski: Da sehe ich eine Parallele zu Karl Nolle. Corzine als Ex-Investmentbanker würde man tatsächlich eher bei den Republikanern einordnen, so wie Nolle als Unternehmer bei der CDU. Corzine ist aber gar kein Konservativer, sondern liberal eingestellt.
DNN: Das bestätigt doch die Kritik, dass Wahlkämpfe mehr und mehr eine Sache der Superreichen werden.
Thomas Kralinski: Ich habe da gemischte Gefühle. Corzine hat es wirklich ein bisschen übertrieben, am Ende kommt es doch auf die Idee an. Und das Senats-Rennen ist sehr knapp. Das Geld macht ihn andererseits unabhängig von der Partei.
DNN: Sie sollen Nolles Wahlkampf managen. Welche Ideen aus den USA werden wir in Dresden wieder finden?
Thomas Kralinski: Die Kampagne wird professioneller sein. Wir wollen mit vielen Freiwilligen arbeiten – in meinem Büro hier sind in diesen letzten Tagen vor der Wahl an die tausend solcher volunteers aktiv. Hier setzt man auch auf eine zentrale Botschaft, die man den Leuten einhämmert, möglichst in drei Sätzen. Das hat viel für sich. Denn ein Wahlprogramm von 100 Seiten ist eine schöne Sache, aber die Leute lesen es nicht.
DNN: Medienkritiker Neil Postmann hat schon vor Jahren behauptet, dass dicke Leute bei Wahlen in den USA keine Chance haben, weil sie auf dem Bildschirm so eine schlechte Figur machen. Ihr Chef Nolle würde demnach dort drüben scheitern.
Thomas Kralinski: Zugegeben, das Ganz orientiert sich hier stark am Fernsehen. Ich glaube aber nicht, dass nur durchgestylte Typen Erfolg haben können. Und überhaupt: Bill Clinton wiegt ungefähr genauso viel wie Karl Nolle...
DNN: Clinton ist aber auch größer.
Thomas Kralinski: Aber auch nur ein bisschen.
DNN: Ein Politikberater und Wahlkampfmanager steht letztlich im Hintergrund. Kein Interesse, mal selbst der Mann in der ersten Reihe zu sein?
Thomas Kralinski: Ich fühle mich in der zweiten Reihe eigentlich ganz wohl. Was in zehn, zwanzig Jahren ist – keine Ahnung.
DNN: Ihr Tipp für den nächsten Dienstag? Schafft es Al Gore?
Thomas Kralinski: Es wird ziemlich eng.