Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 01.02.2002
Der Neue muss Macht absichern
Sachsens Kabinett soll abspecken, doch Milbradt braucht Manövriermasse - Zwei Frauen kämpfen um einen Posten
DRESDEN. Noch ist er nicht Ministerpräsident. Doch wen Georg Milbradt, wenn er am 18. April zum Nachfolger Kurt Biedenkopfs gewählt wird, in sein Kabinett aufnimmt, bestimmt bereits jetzt die Diskussion. Milbradt hält sich öffentlich aus allen Spekulationen heraus. „Vor dem 18. April sage ich nichts“, lautet seine Standard-Antwort. Wäre der Ex-Finanzminister frei in seinen Entscheidungen, würde er sich zumindest der Forderung des Bundes der Steuerzahler stellen. Deren Sachsen-Präsident Thomas Meyer appelliert an den künftigen Regierungschef, die Zahl der Ministerien von elf auf sieben zu reduzieren.
Sachsen, knapp 4,5 Millionen Einwohner zählend, leistet sich ein Ministerium für Frauenangelegenheiten und Gleichstellungsfragen, ein Ministerium für Europa-und Bundesangelegenheiten und einen Minister für die Staatskanzlei. Mit elf Ministern ist es so gut bestückt wie das dreimal größere Bayern. Nordrhein-Westfalen kommt für seine 18 Millionen Einwohner mit zehn Ministern aus, das etwas kleinere Rheinland-Pfalz mit acht und das größere und wesentlich reichere Hessen mit neun gut bezahlten Staatsdienern.
Der Steuerzahlerbund schlägt für Sachsen eine Staatskanzlei vor, die zusätzlich die Bereiche Justiz und Europa umfasst. Dagegen läuft bereits der Sächsische Richterverein Sturm. „In einem gewaltengeteilten Staat ist es unerlässlich, der Dritten Gewalt ein eigenes Ministerium zuzubilligen“, legt der Verband sein Veto ein. Nordrhein-Westfalens Regierungschef Wolfgang Clement war mit ähnlichen Plänen vor einigen Jahren kläglich gescheitert.
Georg Milbradt dürfte diese Erfahrung recht sein. Sein Bemühen um Sparsamkeit kollidiert mit Proporz-Zwängen, die vor allem Fraktionsinteressen berücksichtigen müssen. Um seine künftige Macht abzusichern, wird Milbradt anders als Biedenkopf Fach-und Gefolgsleuten zur Karriere verhelfen müssen.
Ernsthafte Chancen ausrechnen kann sich Horst Rasch. Der CDU-Kreisvorsitzende aus Riesa-Großenhain gilt als integer und kompetent. Als Innenpolitiker hat er gute Chancen, Klaus Hardraht zu beerben.
Kerstin Nicolaus hat sich in der Kita-Auseinandersetzung zusätzliche Anerkennung als Sozialpolitikerin verschafft. Die Hartmannsdorfer Bürgermeisterin tritt bei der Nachfolge von Sozialminister Hans Geisler in Konkurrenz zu Christine Weber. Der Frauenministerin fühlt sich Milbradt aufgrund ihrer Treue im Kabinett verpflichtet. Doch wird er die Impulsivität Webers in Rechnung stellen, die im eigenen Referat und im Sozialministerium gefürchtet wird.
Hermann Winkler, Milbradts Generalsekretär, wird ebenfalls als ministrabel bezeichnet: Für die Brüggen-Nachfolge als Staatskanzlei-Chef oder als Kultusminister. Ermattet im Dauerstreit mit allen Interessengruppen wird Matthias Rößler für den ausscheidenden Hans Joachim Meyer das Wissenschaftsministerium übernehmen können.
Horst Metz, Haushälter der Fraktion, könnte den Lohn für sein diplomatisches Geschick einfahren und Finanzminister werden. Doch was macht dann Thomas de Maizière, der Amtsinhaber, der als Herausforderer Milbradts zögerte? In Schwerin, so erinnert man sich, hat er als Kultus-Staatssekretär Erfahrungen in der Schulpolitik gewonnen.
Als sicherer Aufsteiger aus dem Biedenkopf-Kabinett gilt Stanislaw Tillich: Ihm traut man die Nachfolge im Wirtschaftsministerium zu. Steffen Flath wird sein Amt als Landwirtschaftsminister behalten, und Klaus Hardraht könnte für den in den Bundestag zurückkehrenden Manfred Kolbe das Justizministerium übernehmen. Als Staatssekretär in Dresden und Senator in Hamburg sammelte er einschlägige Erfahrungen. Marco Schiemann, Rechtsexperte ohne juristische Ausbildung aus Bautzen, ist in der CDU außerordentlich beliebt, gilt aber eher als „Bedenkenträger“ und nicht als „Macher“.
Er könne zwei Ministerriegen füllen, wenn er die Namen, die kursieren, berücksichtigen müsste, wehrt Milbradt Spekulationen ab. Zwei Vertraute dürfte er bereits von seiner Liste gestrichen haben: Andrea Fischer, Landrätin aus Kamenz, die als Staatskanzlei-Chefin im Gespräch war, und Christof Hollenders, ein in Dresden umstrittener Anwalt, dem Chancen als Justizminister nachgesagt worden sind.
Mit der Einbindung von Kritikern wird Milbradt seine Position im Landtag stärken wollen. So scheint sich inzwischen auch Fritz Hähle mit Milbradts Aufstieg abgefunden zu haben und garantiert als Fraktionschef Kontinuität. Als taktisch geschickter Schachzug könnte auch die Berufung des Dresdner Professors Karl Mannsfeld in sein Kabinett gewertet werden. Doch wen würde der künftige Regierungschef, von dem der Steuerzahlerbund eine kleine, schlagkräftige Truppe erwartet, in diesem Fall enttäuschen müssen?
(Von Hubert Kemper)