Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 15.11.2000
"Politiker Nolle hätte Preis für Offenheit und Ehrlichkeit verdient"
Drei Leserbriefe zum Beitrag vom 25.09.2000 "Fast den Extremisten zugespielt"
Beitrag „Fast den Extremisten zugespielt“ (Seite Zeitgeschehen vom 25. September.) Der SPD-Politiker KARL NOLLE hatte der Mehrheit seiner Kollegen bescheinigt, sich vom beruflichen Leben abgenabelt und sich auf das Erreichen der Pensionsberechtigung konzentriert zu haben.
„Demokratisches System ist verbesserungswürdig“
(Leserbrief von Andreas Vogt, Annaberg)
Zeit wurde es, dass jemand mal mit ketzerischen Thesen an die Öffentlichkeit geht. Auch wenn man sich über einzelne Aussagen von Karl Nolle streiten kann, so steht doch eines fest: Unter demokratisches System ist verbesserungsbedürftig und verbesserungswürdig. Es hat sich verselbständigt, die Machtapparate haben sich zu weit von Vernunft, Sachverstand und vor allem von der Bevölkerung entfernt.
Die Aufgaben eines Landesparlamentes ist es im wesentlichen, Landesgesetze zu beschließen. Die Lose-Blatt-Sammlung „Gesetze des Freistaates Sachsen“, einschließlich Ergänzungsband, wiegt mittlerweile ziemlich genau vier Kilo, mehr als in vielen „Altbundesländer“. Welcher Parlamentarier will ernsthaft behaupten, sich mit dem Für und Wider jeder einzelner Regelung zum Beispiel mit dem „WAB-Entflechtungsgesetz“ oder mit dem „Gesetz über Seilbahnen und Schleppaufzüge im Freistaat Sachsen“, auseinandergesetzt zu haben, bevor er abgestimmt hat?
Es gibt einfach zu viele Posten, Gremien, Ausschüsse, usw., deren Aufgabe im wesentlichen daraus zu bestehen scheint, die eigene Existenzberechtigung tagtäglich unter Beweis zu stellen.
„Mit Landtagsarbeit nicht überfordert“
(Leserbrief von Gerhard Dittrich, Zwickau)
Hätte man einen Preis für Offenheit, Ehrlichkeit und ein Gespür für die Sorgen der Menschen, der Bürger Sachsens zu vergeben, Karl Nolle hätte ihn verdient. Da kommt ein Neuling, noch von der SPD, ein Unternehmer, und sagt die Wahrheit, da er die Sorgen nicht nur seiner Beschäftigten tagtäglich zu hören bekommt. Da kämpfen Bürgerinitiativen gegen Windmühlen, um horrende Gebühren bei Wasseranschlüssen, Straßenbau und vieles mehr. Von Volksbegehren und Mitbestimmung wird zwar geredet, aber nichts von alledem geschieht.
„Ich arbeite für die Menschen“, sagte einmal Herr Biedenkopf und lässt drei Unterschriftensammlungen unter fadenscheinigen Gründen scheitern. Auch sein Fraktionschef Hähle scheint, wie viele Andere, in der Landtagsarbeit nicht überfordert zu sein und sitzt in mehreren Aufsichtsräten. Wie „überfordert“ unsere sächsischen Volksvertreter sind, zeigt auch sein Vize, Heinz Eggert, dem man nachsagt, beim Fernsehen noch besser zu verdienen als als Abgeordneter. „Ich will nur noch einfacher Abgeordneter sein, aber mit Sonderstellung in der Fraktion...und als dieser einmal in Rente gehen“ („Freie Presse“ vom 26. März 1998). Nanu, da hat Herr Nolle doch recht.
„Funke Realität ist dabei“
(Leserbrief von Karl Reißmann, Mittweida)
Der Abgeordnete Karl Nolle hat mit seiner Kritik an seinen Kollegen vielleicht etwas zu dick aufgetragen. Ein Funke Realität ist aber dabei. Es gibt, im Bundestag mehr als in den Landtagen, neben den gestandenen Frauen und Männern, die ihre Wähler unabhängig und kompetent vertreten, eine ganze Reihe von Politprofis, die Politiker und nichts als das sind.
Der Abgeordnete, den wir uns wünschen, wird in erster Linie von den Leuten der ersten Stunde repräsentiert, wie im Westen Adenauer, Wehner, Genscher oder im Osten von den Pastoren Thierse, Gauck, Eppelmann und vielen anderen, die in ihrem Beruf schon etwas geleistet haben und dann in die Politik gegangen sind.
Der andere Typ hat schon als Schüler und Student in den jeweiligen Parteijugendorganisationen die Hauptrolle gespielt. Danach wurde er/sie Assistent eines Berufspolitikers und folgte dann im Wahlkreis nach. Diese Leute haben noch nie einen lebenden Arbeiter aus der Nähe gesehen. Diese Leute sind mangels eigener Potenz auf die Förderung durch die Organisation angewiesen und von der Partei, egal welcher, abhängig.
Dieses Problem kann man nur dadurch lösen, dass die Diäten der Abgeordneten nicht einheitlich auf einen festen Betrag festgelegt werden. Die Abgeordneten sollten prinzipiell nach dem Verdienstausfallprinzip bezahlt werden. Das heisst: Jeder Abgeordnete wird nach dem bisher erreichten Verdienst bezahlt, egal ob das dann Sozialhilfe oder ein Spitzengehalt ist. Nur so bekommt man Volksvertreter, die unabhängig ihre Wähler vertreten und nur ihrem Gewissen unterworfen sind.