Karl Nolle, MdL
Berliner Zeitung, 17.01.2002
Biedenkopf tritt im April zurück - Milbradt will Nachfolger werden
Scharfe Kritik des sächsischen Ministerpräsidenten an der Landes-CDU / Sozialdemokraten fordern Neuwahlen zum Landtag
DRESDEN, 16. Januar. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat die Ankündigung seines Rücktritts zum 18. April mit scharfen Angriffen auf die sächsische CDU-Führung verbunden. In einer vor der Presse in Dresden verlesenen Erklärung warf er insbesondere dem Parteivorsitzenden Georg Milbradt und Generalsekretär Hermann Winkler vor, seine Entscheidungen bekämpft und gegen ihn intrigiert zu haben. "Während der letzten zwei Monate betrieb die Parteiführung, parallel zur Opposition im Landtag, den Rücktritt des Ministerpräsidenten", sagte der durch verschiedene Affären belastete CDU-Politiker. Dies sei ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Partei.
Biedenkopf teilte mit, dass er zum 18. April, zur Hälfte der Legislaturperiode, sein Amt aufgeben werde. Ausdrückliche Gründe für den Rücktritt nannte Biedenkopf nicht. Er sagte lediglich, dass "eigene Fehler zum Anlass bundesweiter Kampagnen genommen wurden, die nach Form und Inhalt in keinem Verhältnis zu ihrem Anlass standen". Biedenkopf spielte damit auf mehrere Affären an, die ihn in den letzten zwölf Monaten in Bedrängnis gebracht hatten. Bis zum 18. April könne seine Partei ohne Zeitdruck in einem geordneten Verfahren die Nachfolgefrage klären, sagte Biedenkopf. Er werde selbst keine Empfehlungen geben oder sich anderweitig in diese Frage einmischen.
Respekt von Stolpe
Als aussichtsreichster Nachfolger Biedenkopfs gilt der vom Ministerpräsidenten heftig attackierte Georg Milbradt. Der ehemalige sächsische Finanzminister erneuerte auf einer eigenen Pressekonferenz seinen Anspruch auf den Posten des Regierungschefs. Die Entscheidung, wen die CDU als Kandidaten aufstelle, werde aber ein demnächst stattfindender Sonderparteitag treffen. Ausdrücklich enthielt sich Milbradt jeden Kommentars zu Biedenkopfs Vorwürfen. Stattdessen dankte er ihm für dessen erfolgreiche Arbeit. Sachsens CDU-Generalsekretär Hermann Winkler sagte, er sehe für Milbradt große Unterstützung in den Parteigliederungen.
Der frühere Innenminister Heinz Eggert (CDU) sagte zu Biedenkopfs Angriffen, sie seien ihm ebenso unverständlich wie die Gründe für die Entlassung Milbradts als Finanzminister vor einem Jahr durch den Ministerpräsidenten. "Es hätte ein würdiger Tag heute werden können für Herrn Biedenkopf, wenn er auf die bitteren Kleinkariertheiten verzichtet hätte", sagte Eggert.
Verwundert zeigten sich auch Mitglieder der Oppositionsparteien im Landtag. André Hahn (PDS) nannte es einen einmaligen Vorgang, dass ein Ministerpräsident seinen aussichtsreichsten Nachfolger in aller Öffentlichkeit so demontiere. "Biedenkopf ist es offenbar egal, was nach ihm passiert", sagte Hahn. Ähnlich äußerte sich der SPD-Abgeordnete Karl Nolle: "Der Ministerpräsident tritt auf seine Partei ein und hinterlässt verbrannte Erde."
Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) reagierte mit Respekt auf die Erklärung seines Kollegen. Die sächsische SPD forderte Neuwahlen. Die CDU sei gespalten und angesichts des Machtvakuums nicht mehr regierungsfähig, erklärten die Landesvorsitzende Constanze Krehl und Fraktionschef Thomas Jurk in einer gemeinsamen Mitteilung. PDS-Fraktionschef Peter Porsch lehnte Neuwahlen ab. Ein solcher Weg würde die Zeit der politischen Lähmung verlängern, sagte er.
(von Andreas Förster)