Karl Nolle, MdL

DNN, 20.11.2000

Grötsch bei Parteitag: "Keine Begehrlichkeiten wecken"

CDU auf Distanz zu Postplatz-Plan von de Jong
 
DRESDEN. Führende CDU-Politiker sind deutlich auf Abstand zu den Postplatz-Plänen des niederländischen Projektentwicklers Frits de Jong gegangen. Beim Wirtschaftsparteitag der Christdemokraten am Sonnabend warnte der Chef der Stadtratsfraktion, Michael Grötsch, davor, "Begehrlichkeiten zu wecken, die wir hinterher nicht halten können". Gegenüber den DNN forderte er "Politik mit Augenmaß". Ein Antrag, der dem Postplatz-Projekt die Unterstützung der Partei bringen sollte, schaffte es nicht in die CDU-Leitlinien zur wirtschaftlichen Entwicklung bis 2006. De Jong hatte am Freitag Investitionsvorrang für die Postplatz-Grundstücke beantragt. Er will zuvor von der Stadt positive Signale erhalten haben.
Oberbürgermeister Herbert Wagner sagte in seiner Parteitagsrede, man dürfe "keine unkalkulierbaren Risiken" eingehen. Ohne de Jong zu nennen, forderte er "nicht nur Pläne, Projekte und PR, sondern auch Kapital, Kompetenz und Kostenbewusstsein" als Voraussetzung zur Entwicklung städtischer Plätze. Grötsch quittierte diese Aussage auf dem Podium mit erhobenem Daumen. Zuvor hatte Wagner an die mühsame Käufersuche am Wiener Platz erinnert.
Die distanzierte Haltung zu de Jong war nicht unumstritten. "Für mich existiert ein plausibles Finanzierungskonzept", sagte Hans-Reiner Meinel, Chef des Wirtschaftrats der sächsischen CDU und Kopf des Leitantrags des Parteitags. Der baupolitische Sprecher der CDU-Stadtratsfraktion, Hermann Henke, warf der - von OB Wagner geführten - Stadtverwaltung vor, nicht investorenfreundlich zu sein. "Unter den Unternehmen in Deutschland hat unsere Stadt keinen guten Ruf", sagte Henke.
Laut Grötsch gibt es seit Jahresanfang Kontakt zu de Jong, ein Gespräch will er zuletzt vor fast vier Wochen angeboten haben. Voraussetzung sei gewesen, dass de Jong die Geldgeber nenne. Das soll jedoch nicht geschehen sein. "Hochkarätige Investoren" stünden bereit, hatte der Projektentwickler zuvor versichert. Auch er wünsche sich einen lebendigen, entwickelten Postplatz, sagte Grötsch den DNN. "Doch wir müssen bei allen roten Teppichen, die wir Investoren ausrollen, berücksichtigen, wie gut dieser Investor ist, der da kommt." Mangels Substanz habe sich die CDU-Fraktion, die weiter prüfen soll, bislang keine Meinung bilden können.
OB Wagner wiederholte beim Parteitag seine Vorstellung, Dresden - "die schönste aller ostdeutschen Städte" - bis zur 800-Jahr-Feier 2006 unter die zehn wirtschaftlich stärksten Städte Deutschlands zu bringen. Auf die OB-Wahl 2001 ging er nur am Rande ein, den designierten SPD-Kandidaten Karl Nolle und Wolfgang Berghofer als möglichen Konkurrenten erwähnte er namentlich gar nicht. Vor der Wahl soll es im Frühjahr einen Parteitag zum CDU-Schwerpunktthema Verkehr geben.
Nach Beschluss vom Sonnabend ist unter anderem Ziel der CDU, Dresden bis 2006 zum Stammsitz eines international tätigen Großunternehmen zu machen. Die Stadt soll zu sich zudem auch als "Unternehmen Stadt" definieren und mit einer stark verkleinerten und vereinfachten Verwaltung von sich reden machen.
(Stefan Alberti)